AEWO - Alles ein wenig ordentlich
20. Dezember 2015, 14:07

Warum ich keinen Führerschein habe und nicht Auto fahre

Im Gegensatz zu fast allen Menschen die ich kenne habe ich weder Auto noch Führerschein. Bin ich deswegen komisch? Ich weiß es nicht. Früher war es immer so, dass ich entweder Zeit, aber kein Geld hatte oder andersherum. Irgendwann habe ich es dann nicht weiter verfolgt. Ich vermute aber das ist eher eine Ausrede, wenn ich es wirklich gewollt hätte, hätte ich das sicher auch unterbekommen. An dieser Stelle möchte ich, in erster Linie für mich selbst, erörtern, warum ich keinen Drang zum Autofahren habe. Vielleicht erkennt sich ja auch der ein oder andere darin und ist froh, dass es auch andere gibt die so denken.

In der Stadt geht es auch ohne

Ich wohne seit Anbeginn meiner Zeit in Leipzig, also einer mittelgroßen Großstadt. Die Wege zu Freunden, Familie, Arbeit oder Ausbildung waren mehr oder weniger kurz. Diese Wege kann man oft zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen. Für alles andere gibt es normalerweise Bus oder Straßenbahn. Wenn man mal an einen exotischen Ort in der Stadt muss oder nachts unterwegs ist wo wenig fährt kann man auch mal auf das Taxi zurückgreifen. Einkaufen kann man eigentlich immer wohnortnah zu Fuß. Ich denke das ist sogar besser als einmal die Woche Großeinkauf mit dem Auto zu machen. Zum einen kann man frischere Waren haben wenn man öfters kleine Mengen kauft und zum anderen hat man mehr Bewegung und Muskelbeanspruchung. Die einzige Situation innerhalb der Stadt wo ich ein Auto vermisse ist, wenn ich mir etwas Schweres besorgen will wie z.B. Möbel oder Dinge aus dem Garten- oder Baumarkt. Und außerhalb der Stadt gibt es zugegebenermaßen den großen Nachteil das bei Urlauben ein Auto schon praktisch ist.

Der Straßenverkehr überfordert mich

Neben den rationalen Argumenten gegen Auto und Führerschein spielt bei mir vermutlich auch ein psychologischer Faktor eine Rolle. Schon als Beifahrer empfinde ich den Straßenverkehr als chaotisch und beängstigend. Wenn ich mich richtig einschätze vermute ich, dass ich als Fahrer verhältnismäßig mehr Unfälle verursachen würde aufgrund von leichter Überforderung. Ich bin sicher nicht dumm und sehe ja auch, dass quasi jeder das schafft.
Meine Theorie ist, dass ich vielleicht sowas wie hypersensibel bin (ich glaube diesen Ausdruck gibt es in der Psychologie tatsächlich), also das mein Hirn die Sinneseindrücke nicht so sehr wegfiltert wie bei anderen Menschen. Ich kann zwar nicht in die Köpfe von anderen reinschauen, aber ich merke es in dem Sinne, dass ich oft vor allen anderen entfernte Geräusche wahrnehme, etwas zuerst rieche oder vor allem weil mir oft kleine Details im Gesamtbild auffallen, die anderen entgehen. Und wenn man dann auf den Straßen von jeder Richtung aus Autos, Fahrräder, Fußgänger und Ampeln sieht und dann bei den menschlichen Teilnehmern auch immer davon ausgeht, dass sie Fehler machen können, ist das ein Gewimmel mit dem ich nicht zurechtkomme.

Die Gefahr fährt immer mit

Unabhängig davon, dass ich selbst nicht damit zurechtkomme denke ich, dass Autofahren unverhältnismäßig gefährlich ist, vor allem wegen dem Faktor Mensch. Viele halten sich zwar für gute Autofahrer, sind es aber nicht, weil sie zu große Risiken eingehen (leider meistens Risiken für andere Verkehrsteilnehmer). Der Gedanke wie schnell das Leben oder die Gesundheit zerstört werden kann, wenn man selbst einen falschen Schritt tut oder gar wenn man nichts falsch macht und ein anderer einen Fehler macht erschreckt mich ziemlich. Wie letztes Jahr hier in der Nähe, als eine Fahrradfahrerin in der Kurve von einem LKW überfahren wurde, übersehen im toten Winkel. Tot. Unfälle mit Toten oder Schwerverletzten sind zwar über die Jahrzehnte zurückgegangen, letztlich ist es aber immer noch eine horrend hohe Zahl.
In dem Sinne empfand ich auch die Angstmache und tatsächliche Angst beim kürzlich aufgekommenen Terrorismusthema als merkwürdig. Auf der einen Seite die abstrakte Terrorismusgefahr, wo zwar jederzeit etwas passieren kann, bisher in Deutschland aber noch fast nichts passiert ist und auch in den Nachbarländern ist gemessen an den Opferzahlen im Vergleich mit anderen Weltgegenden noch keine alltägliche Gefahr zu erkennen. Viele schieben Panik, die Medien geben sich alle Mühe, diese Panik noch durch penetranten Medienterrorismus weiterzuschüren. Auf der anderen Seite der Straßenverkehr, wo Tausende pro Jahr ernsthaft zu Schaden kommen und die Mitmenschen haben scheinbar gar kein Problem damit rauszugehen, Straßen zu überqueren und mit dem Auto zu fahren. Obwohl da die Gefahr ganz offensichtlich weitaus größer ist, als durch einen Terroristen zu schaden zu kommen. Diese verzerrte Gefahreneinschätzung versteh ich halt einfach nicht. Ich möchte mit dem Absatz jetzt auch keine Angst vorm Autofahren machen, eher die vor Terroristen etwas relativieren und zum Nachdenken anregen wo man als Gesellschaft vielleicht eher tätig werden sollte.

Ganz schön teuer

Mit den genannten Gegenargumenten für den Fall, dass man in einer Stadt wohnt und arbeitet denke ich, dass ein Auto zu besitzen in dem Fall eine ökonomische Unvernuft ist. Wenn man alles zusammen rechnet, also Kaufpreis (selbst wenn man nicht so reich ist sich einen Neuwagen zu leisten), Versicherung, Benzin, Schäden die die Versicherung ggf. nicht trägt (Unfälle, Vandalismus, Wetter) kommt man auf eine ganz schöne Summe im Schnitt, die sicher ein Vielfaches davon ist, was man für öffentlichen Nahverkehr zahlt. Selbst wenn man 1-2mal die Woche zusätzlich mit dem Taxi fährt wird man noch deutlich billiger kommen.
Sinnvoll ist es meiner Meinung nach daher nur, wenn man das Auto z.B. als Firmenwagen gestellt bekommt und sich Kaufpreis und Reparaturen damit spart, wenn man Führerschein hat aber auf Auto verzichtet und bei Bedarf Leihwagen oder Car-Sharing verwendet oder aber wenn man Autofahren liebt und es dann schon in Richtung Hobby geht … für Dinge die man gern tut sollte man ruhig Geld ausgeben.

Was man als Kosten allerdings auch mit einrechnen sollte sind die Kosten für unsere Umwelt. Mal abgesehen vom Aufwand der Produktion meine ich hier in erster Linie, dass die meisten Autos immer noch mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Ich denke jeder Liter Benzin, den ein Autofahrer heutzutage verbraucht ist ein Schlag ins Gesicht unserer Enkelgeneration. Wenn sich diese Einsicht beim Verbraucher endlich durchsetzt und solche Wagen dann verpönt sind, wird die Wirtschaft mit Sicherheit sehr schnell umweltfreundlichere Alternativen parat haben im gleichen Preisniveau wie die Benziner.

Werde ich nochmal ein Auto besitzen?

Ein Auto wie es sie jetzt gibt werde ich sicher nie haben, vermutlich werde ich den Führerschein auch nicht mehr machen. Was ich allerdings mit Spannung verfolge ist die Entwicklung der selbstfahrenden Autos, die aktuell tatsächlich schon langsam den Kinderschuhen entwachsen. Ich vermute in ein paar Jahren werden die ersten dieser Vehikel auf den Straßen zugelassen unterwegs sein (aktuell sind es eher Testfahrten). Wenn die Technik dann ausgereift ist und vor allem die rechtlichen Fragen geklärt sind (z.B. denke ich am anfang wird man noch einen Führerschein dafür brauchen, später nicht mehr), wenn sie mit regenerativen Energien betrieben werden und obendrein ich es mir leisten kann, werde ich vermutlich auch den Besitz eines solchen Gerätes anstreben.