Gastbeitrag: Erkenne dich selbst und deinen nächsten!

Social Media (Pt. 7b)

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Wie in seinem ersten Gastbeitrag [“Die Liebe und andere Merkwürdigkeiten”] aus dem November 2016, folgt nun diese #2 vom “Sinnbuchschreiber” Frank-Reg. Wolff, quasi und wiederum ohne vieler weiterer Worte (von mir). Da er seine “soziale Netzpräsenz” aufgab, sind jene Zeilen ein Überbleibsel einer persönlichen Korrespondenz. Und ja, auch das kann ein soziales Medium sein!

Erkenne dich selbst und deinen nächsten!

Der Wunsch nach Sinn im Dasein eines Menschen entspringt seinem Bewusstsein [rund] um sein einmaliges abgegrenztes Sein in Zeit und Raum. Daraus ergibt sich auch sein häufig verdrängtes Wissen um seine Endlichkeit. Aus diesem Bewusstsein erwächst in ihm umso mehr der Wunsch nach einem alles erklärendem Sinn.


So wie die platonische Liebe für die meisten Menschen keine wirkliche Option ist, so ist auch die Sinnfrage nicht auf platonische Art und Weise zu lösen. Etwas macht für den Menschen nur dann Sinn, wenn es ihn auch emotional berührt! Deshalb muss die individuelle Sinnhaftigkeit einen Menschen gefühlsmäßig ganz ausfüllen, das heißt sein existentielles Vakuum erfüllen und dadurch den daraus erwachsenden existentiellen Leidensdruck beseitigen! Nicht umsonst sprechen wir davon nach Sinn und Erfüllung zu suchen. Dies kann zum Beispiel auf beruflichem Gebiet der Fall sein, wenn wir in dem, was wir beruflich tun, auch sinnvolle Erfüllung finden. Ein Idealfall? Ich hoffe nicht. Jedenfalls sollte es das Bestreben eines jeden Menschen sein sich beruflich selbst verwirklichen zu können, um auf diesem zentralen Gebiet seines Lebens auch emotionale Befriedigung zu erfahren – was zum Beispiel in heilenden Berufen stark der Fall ist.
Deshalb sollte die richtige Berufswahl nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Wer erst einmal auf die falsche berufliche Schiene geraten ist, wird Mühe haben auf eine andere, für ihn angemessene zu gelangen und in jeden Fall viel Zeit und Energie verlieren. Dies sei hier nur am Rande angemerkt. Wer aus vielerlei Gründen „nur“ einer beruflichen Beschäftigung nachgeht, die ihn ernährt und nicht erfüllt, wird seine Erfüllung deshalb stärker auf einem anderen Gebiet suchen. Die meisten Menschen suchen dies im zwischenmenschlichen Bereich, in Freund- und Partnerschaften. In Partnerschaften ergeben sich jedoch die meisten Missverständnisse. Die Geschlechter sind nun einmal sehr verschieden und auch bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen gibt es sehr viel Frustrationen und Missverständnisse.


Bedauerlicherweise sind sich viele Menschen ihres Gefühlshaushaltes und dessen Funktionsweise nicht bewusst und klagen deshalb frustriert darüber vom Partner beziehungsweise auch ihrer Umwelt nicht verstanden zu werden. Wenn ich mich jedoch selbst nicht verstehe, werde ich schwerlich in meiner Umwelt auf das Verständnis meiner selbst stoßen, welches mir selbst fehlt! Deshalb ist der alte Orakelspruch von Delphi, „erkenne dich selbst“, noch heute von absoluter Bedeutung. Das diese erstrebte Selbsterkenntnis nicht durch Selbstbetrug getrübt sein sollte, versteht sich von selbst und ist doch nicht selbstverständlich! Wer hält schon die ganze Wahrheit über sich selbst - und unsere Gattung Mensch - aus?!
Was wir zum Beispiel unter dem sinngebenden Begriff „Liebe“ verstehen, ist häufig nur Egoismus und Selbstbetrug pur. „Männer lieben, wo sie begehren; Frauen begehren, wo sie lieben.“ In diesem Sprichwort drückt sich bereits ein Verhaltensunterschied zwischen den beiden Geschlechtern aus, an dem sich viel erkennen lässt. In der Regel findet ein Mann eine Beziehung „in Ordnung“, wenn seine Partnerin mit ihm regelmäßig schläft. Dagegen kann sich eine Frau nur dann sexuell öffnen, wenn sie die Beziehung zum Partner „in Ordnung“ findet.* Hier liegt bereits ein hohes Konfliktpotential und jede zwischenmenschliche Beziehung, das heißt in erster Linie zwischen Mann und Frau, leidet unter dem Missverständnis der Sexualität, die letztlich als Triebenergie nichts mir „wahrer Liebe“ zu tun haben muss und nur nach sexueller Befriedigung strebt und von vielen Menschen nicht gesteuert werden kann. Sie findet, wie ein Fluss, ihr Bett oder staut sich an einer hohen Mauer auf. Triebstau ist immer Frustration. Nur wenige Menschen sind in der Lage Sexualenergien zu vergeistigen – was übrigens auch nicht im natürlichen Ursprungssinn dieser Sexualenergie liegt, die immer fließen will! Bei Frauen anders als bei Männern. Der Grad einer funktionierenden Partnerschaft hat dann ein hohes Maß an Sinnhaftigkeit erreicht, wenn diese Harmonie und Übereinkunft zwischen beiden Menschen erzeugt. Jeder muss sich in der Beziehung geborgen fühlen und ein Gefühl der Verlässlichkeit dem Partner gegenüber empfinden. Liebe heißt immer Vertrauen, das heißt ohne Vertrauen keine Liebe! Setze ich diese (psycho-)logische Kette fort, dann komme ich zu der Erkenntnis: Ohne Liebe kein tieferer Sinn! Nur gibt es in der Liebe viele Formen – ich empfehle zu diesem Thema das einstige Kultbuch der Flower-Power-Generation: „Die Kunst des Liebens“, in dem der Autor Erich Fromm eine sehr schöne Begriffsbestimmung all der unterschiedlichen Formen der Liebe (unter anderem Bruder-, Kinder-, Eltern-, Tier- und Gottesliebe) vornimmt. Nur in der sexuellen „Liebe“ finden wir das höchste Konfliktpotential, da sie immer mit dem Anspruch der Exklusivität einhergeht und eine utopische Tugend (er-)fordert: positive Treue!


Darunter verstehen wir den Anspruch gegenüber dem Partner beziehungsweise der Partnerin, der/die sicher sein darf kontinuierlich das Ziel liebevoller Gedanken und Handlungen zu sein. Dagegen verstehen wir unter der negativen Treue den Anspruch an den Partner, niemand anderes außer uns möge das Ziel von Gedanken oder Handlungen sein, die wir uns exklusiv vom Partner wünschen.
An diesem Treueanspruch scheitern wohl die meisten Partnerschaften, da dieser Anspruch von einem Partner verleugnet und über Bord geworfen wurde. Für den dadurch „verratenen“ anderen Partner bricht dann eine Sinn-Welt zusammen und ein Riss ist in seiner Sinn-“Schüssel“ entstanden, die vielleicht daran viele Jahre später zerbrechen könnte.


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* Quelle: Wolfgang Schmidbauer - „Du verstehst mich nicht! Die Semantik der Geschlechter.“ erschienen im Rowohlt Verlag 1991.
(Textlink: https://reader.paperc.com/books/du-verstehst-mich-nicht/882415/chapter3)

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