Montag, 27. September 2010

Halten die “Animal Spirits” die US-Wirtschaft am Boden?

flying spiritNotwendig für die US-Wirtschaft: Flying Spirit (Foto: flickr/AlicePopkorn)

Die Konjunkturnachrichten aus den USA stimmen bedenklich. Populär sind derzeit die Berichte über den Absturz aus der Mittelschicht und dem Ende des Mythos vom “Amerikanischen Traum”. “Amerika arbeitet nicht” und die Wirtschaft in den USA schwächelt bereits über einen für US-Verhältnisse langen Zeitraum. Unterdessen versucht der Chef der US-US-Notenbank, Ben Bernankes einen fast verzweifelt anmutenden Kampf gegen den Pessimismus mit einer strittigen expansiven Geldpolitik. Weil dies nicht ausreicht und sich die Geldpolitik in einer “keynesianischen Liquiditätsfalle” befindet, fordert der Tausendsassa der Ökonomie, Paul Krugman, weitere Konjunkturprogramme. Und der wahlkampfgetriebene Obama tut ihm den zweifelhaften Gefallen.
Es sieht aber derzeit so aus, als hätten beide Maßnahmenpakete, die im Sinne von Keynes die Nachfrage ankurbeln sollen, wenig Wirkung, weil einfach die “Stimmung” in den USA am Boden liegt. So stellten Forscher in einer Studie fest (pdf), dass Barack Obamas Einkommensteuersenkung im vergangenen Jahr größtenteils verpufft ist. Olaf Storbeck fasst dazu im Handelsblatt Ergebnisse aus der Studie zusammen: “
“Die Steuerersparnisse waren so gering, dass viele Amerikaner sie gar nicht bemerkten. Selbst im Juli 2009 – da war die Reform schon drei Monate in Kraft – war 59 Prozent der Befragten noch gar nicht aufgefallen, dass sie Monat für Monate etwas mehr Geld auf dem Konto hatten. Die überwältigende Mehrheit der Menschen – 87 Prozent – gab in der Umfrage an, das Geld entweder aufs Sparbuch zu legen oder damit Schulden zurückzahlen. Gerade einmal 13 Prozent der Empfänger der Steuersenkungen hatte vor, das Geld in den Konsum zu stecken.”
Und damit kommen wir zu einem anderen Aspekt von Keynes, der im letzten Jahr durch ein Buch von Akerlof und Shiller wieder ins Bewusstsein geholt wurde, aktuell aber wenig Beachtung in der Debatte findet: Die Animal Spirits.

Olaf Storbeck schrieb über die “Keynesche Konjunkturpsychologie” in seinem Beitrag “Kern von Keynesu.a.: “Es komme vor allem auf das Bauchgefühl der Unternehmer an – auf ihre “animalischen Instinkte” (“animal spirits”). Diese seien Wellen von Optimismus und Pessimismus ausgesetzt. Das irrationale Auf und Ab der Erwartungen führe dazu, “dass Rezessionen und Depressionen in ihrer Stärke verstärkt werden”. Im Zweifel, vermutet Keynes, investiere die Privatwirtschaft aus Angst vor der Zukunft nicht genug, um für Vollbeschäftigung zu sorgen. Auch niedrige Zinsen können das nicht ändern.”
Shiller und Akerlof greifen in Animal Spirits: Wie Wirtschaft wirklich funktioniert das Konzept von Keynes auf und schreiben u.a.:
“Keynes selbst vertrat einen gemäßigten Ansatz. Ihm zufolge wird die Wirtschaft nicht allein von rationalen Akteuren beherrscht, die (wie gelenkt von der »unsichtbaren Hand« der klassischen Theorie) jeden Tausch vornehmen, der beiden Partnern ökonomische Vorteile verschafft. Keynes räumte sehr wohl ein, dass ökonomisches Handeln großenteils von rationalen ökonomischen Motiven bestimmt wird, setzte dem aber entgegen, dass es häufig von Instinkten beeinflusst wird, den von ihm so genannten Animal Spirits. Der Mensch verfolgt nicht allein ökonomische Ziele. Und auch dann, wenn er seine ökonomischen Interessen im Auge hat, handelt er nicht immer rational. Nach Keynes’ Auffassung sind die Animal Spirits die wichtigste Ursache für Schwankungen der Konjunktur und für unfreiwillige Arbeitslosigkeit.
Wenn wir also die Wirtschaft verstehen wollen, müssen wir herausfinden, auf welche Weise sie von den Animal Spirits beeinflusst wird. Während Adam Smiths unsichtbare Hand den Kerngedanken der klassischen Wirtschaftstheorie bildet, sind Keynes’ Animal Spirits der Kerngedanke eines abweichenden Modells der Wirtschaft – eines Modells, das die fundamentale Instabilität kapitalistischer Wirtschaftssysteme zu erklären vermag.”
Shiller und Akerlof waren nicht die ersten, die das Konzept der Animal Spirits wieder aufgegriffen haben. Robert Barsky und Eric Sims von der Universität Michigan hatten bereits in einem Arbeitspapier ein überarbeitetes keynesianisches Modell vorgelegt, in das sie die Animal Spirits integrierten.
Ohne die Grundlagen jetzt hier weiter zu vertiefen, scheint das US-Problem weniger eines der Geldpolitik und weiterer Konjunkturprogramme zu sein. Die Stimmung ist immer noch am Boden und die Animal Spirits müssen in welcher Form auch immer aktiviert werden. So schreibt es etwa auch John Llewellyn, früher Chefökonom bei Lehman Brothers, im Guardian unter “Only Keynes’s animal spirits can intoxicate our hung-over economies
Ganz offenbar fehlt derzeit der “Glaube” an die eigene Wirtschaftskraft in den USA. Und ich habe Zweifel, dass das ständige Gerede über neue Konjunkturprogramme und weitere Lockerung der Geldpolitik die Investitions- und Risikobereitschaft der Unternehmen, die letztlich die Entscheidungen zu treffen haben, fördern. Möglicherweise bewirken sie sogar das Gegenteil, weil solche Programme eher das Gegenteil von Zuversicht vermitteln.
Unter den Entscheidungsträgern der Wirtschaft wird die Zurückhaltung vermutlich eher verstärkt, solange man unter dem Eindruck steht, die Wirtschaft laufe noch nicht gut. Es sind nicht niedrige Zinsen oder Konjunkturprogramme, die Unternehmen zu Investitionen und Ausgaben bewegen, sondern die Erwartungen mit den eigenen Aktivitäten die Unternehmensziele zu erreichen. Nur wenn diese Erwartungen positiv sind, wird expansiv gehandelt. Zinsen, Geldpolitik und Konjunkturpakete sind nur kleine Entscheidungsparameter, die für die Entscheidungspraxis der Unternehmen eine untergeordnete Rolle spielen.
Erst wenn sich die Erwartungen wodurch auch immer aufhellen, wird das so etwas wie eine Initialzündung in Gang setzen. Nur leider weiß niemand, wo der Knopf liegt, um die Animal Spirits umzukehren. Es ist aber wenig hilfreich, die Lage immer noch schlechter zu reden. Das hellt die Erwartungen der Unternehmen mit Sicherheit nicht auf. Daher tut der Chef der Fed, Ben Bernanke, wohl auch der US-Wirtschaft keinen großen Gefallen, wenn er weiterhin Skepsis bezüglich des US-Wachstums nährt.

Mit Animal Spirits durch die Finanzkrise

Ich habe über die Osterfeiertage das Buch “Animal Spirits – Wie Wirtschaft wirklich funktioniert” gelesen. Darin erklären Robert Shiller und George Akerlof ihre Sicht über die Ursachen von Rezessionen und Finanzkrisen. Das Buch ließt sich gut. Ob es wirklich wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werden kann, muss die Diskussion in der scientific community zeigen. Was die aktuelle Krise betrifft ist das Buch jedenfalls der am weitesten gefasste und auch beste Text, den ich bisher zum Themenkomplex Finanz- und Wirtschaftskrise gelesen habe. Shiller und Akerlof haben dieses Werk übrigens nicht erst in den letzten Monaten geschrieben, sondern bereits vor Jahren damit begonnen. Sie haben aber ihr Manuskript um die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise aktualisiert.
Das Buch macht deutlich, warum die herrschende Makroökonomie mit ihren Erklärungsansätzen nicht weiterkommt.  Die Ökonomie als Wissenschaft berücksichtigt zu wenig Erkenntnisse aus der Psychologie, um das Verhalten der Menschen in der realen Wirtschaft erklären zu können. So können Börsenkurse von ihren “richtige” Werten abweichen, weil Anleger dem Herdentrieb folgen und nicht rationalen Erwartungen von Gewinnchancen, wie die bislang in der Finanzlehre vorherrschende Theorie der effizienten Märkte behauptet. Derart instinktgetriebenes Handeln sei eher die Regel als die Ausnahme, erklären Shiller und Akerlof.
Basis der Gedanken zu den Animal Spirits sind von der herrschende Ökonomie vernachlässigte Aussagen von Keynes. Dazu schrieb die FAZ: “Keynes war der Meinung, dass die meisten wirtschaftlichen Aktivitäten der Menschen rationalen Motiven entspringen. Die Menschen verfolgen ihre Ziele, sie suchen ihren Nutzen, sie wägen Kosten und die möglichen Alternativen ab. Aber sie sind auch, weil sie Menschen aus Fleisch und Blut sind, ihren Trieben und Stimmungen unterworfen. Einmal neigen sie zu Vertrauen, ein anderes Mal dominiert das Misstrauen. Mal werden sie neidisch, mal meldet sich das alte Ressentiment. Und nie gibt es ein objektives Maß, welches anzeigen würde, wann eine Unternehmung zu riskant und wann eine Gewinnerwartung übertrieben ist.”
Alle Rechnungen, die sich auf die fernere Zukunft beziehen, sind Kaffeesatzleserei, wusste schon Keynes. Weil das die meisten Menschen (aber nur wenige Ökonomen) verstehen, hören sie lieber auf ihren Bauch oder handeln so, wie andere es machen, also nach sozialen Normen. Das ist es, was Keynes die “Animal Spirits” nennt – “a spontaneous urge to action rather than inaction”, schreibt Fabian Lindner im Herdentrieb.  Die “Animal Spirits” sind in der Keynes-Rezeption schnell unter den Tisch gefallen, wie Olaf Storbeck im Handelsblatt schreibt. Bereits in der 1937 von John Hicks publizierten Interpretation der “General Theory”, die die bis heute gängige Sicht auf Keynes prägte, spielen Unsicherheit und Erwartungen keine Rolle mehr.
Shiller und Akerlof greifen das Konzept von Keynes auf und schreiben u.a.:
“Keynes selbst vertrat einen gemäßigten Ansatz. Ihm zufolge wird die Wirtschaft nicht allein von rationalen Akteuren beherrscht, die (wie gelenkt von der »unsichtbaren Hand« der klassischen Theorie) jeden Tausch vornehmen, der beiden Partnern ökonomische Vorteile verschafft. Keynes räumte sehr wohl ein, dass ökonomisches Handeln großenteils von rationalen ökonomischen Motiven bestimmt wird, setzte dem aber entgegen, dass es häufig von Instinkten beeinflusst wird, den von ihm so genannten Animal Spirits. Der Mensch verfolgt nicht allein ökonomische Ziele. Und auch dann, wenn er seine ökonomischen Interessen im Auge hat, handelt er nicht immer rational. Nach Keynes’ Auffassung sind die Animal Spirits die wichtigste Ursache für Schwankungen der Konjunktur und für unfreiwillige Arbeitslosigkeit.
Wenn wir also die Wirtschaft verstehen wollen, müssen wir herausfinden, auf welche Weise sie von den Animal Spirits beeinflusst wird. Während Adam Smiths unsichtbare Hand den Kerngedanken der klassischen Wirtschaftstheorie bildet, sind Keynes’ Animal Spirits der Kerngedanke eines abweichenden Modells der Wirtschaft – eines Modells, das die fundamentale Instabilität kapitalistischer Wirtschaftssysteme zu erklären vermag.”
Shiller und Akerlof sind nicht die ersten, die das Konzept der Animal Spirits wieder aufgreifen. Robert Barsky und Eric Sims von der Universität Michigan haben bereits im September vergangenen Jahres in einem Arbeitspapier ein überarbeitetes Modell keynesianisches Modell vorgelegt, in das sie die Animal Spirits integrieren. Und auch andere Forschungspapiere haben das Konzept längst wieder entdeckt. Dennoch versuchen Akerlof und Shiller das Konzept von den Animal Spirits in einen größeren Zusammenhang einzuordnen.
Im ersten Teil des Buches konkretisieren sie dazu die Animal Spirits. Dazu beschreiben sie ausführlich fünf verschiedenen Ausdrucksformen der Animal Spirits und erläutern deren Einfluss auf ökonomische Entscheidungen.
  1. Vertrauen
  2. Fairness
  3. Korruption und unmoralisches Verhalten
  4. Geldillusion
  5. Geschichten
Die Autoren gehen damit in ihrer Ursachenbeschreibung auch für die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise wesentlich tiefer als bisherige Autoren. So sehen sie eine Mitursache für den Immobilienboom auch darin, dass viele Anleger den Aktienmärkten nach der Enron-Krise nicht mehr trauten, weil sie den Zahlen der Buchhaltung vieler Aktiengesellschaften nicht mehr glaubten. In der Folge hätten sich viele Anleger vom Aktienmarkt abgewendet und in vermeintlich sichere Immobilien investiert. Die Konsequenzen sind bekannt.
Aber ihr Werk ist nicht speziell für die aktuelle Krise geschrieben, sondern reicht viel weiter zurück. Sie betrachten die 1890er-Depression und die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts. Der Leser erhält dadurch den Eindruck einer bestimmten Zwangsläufigkeit von Wirtschaftskrisen. Und nach jeder Krise wähnte man sich klüger und versuchte mit neuen Maßnahmen künftige Krisen zu verhindern. Gelungen ist das nie. Und als Leser stellt man sich zwangsläufig die Frage,  warum dies trotz der großen Erkenntnisgewinne der letzten Jahrzehnte ausgerechnet diesmal anders sein sollte.
Shiller und Akerlof schreiben dazu:
“Eine Wiederkehr der Großen Depression ist heute denkbar, denn in den letzten Jahren sind die Ökonomen, die Regierungen und die breite Öffentlichkeit selbstzufrieden geworden. Sie haben die Lehren vergessen, die aus den Ereignissen der 1930er Jahre gezogen wurden.”
Immerhin hat man jede Wirtschaftskrise in der Vergangenheit überwinden können. Ob dies jedoch geschickter Wirtschaftspolitik oder wiederum den Animal Spirits zu verdanken ist, bleibt in dem Buch unbeantwortet.
Ob ihr Angriff gegen die herrschende Makroökonomie diese bereits zum Einsturz bringen kann, ist allerdings zu bezweifeln. Wissenschaftler legen hohe Maßstäbe an, bevor sie sich von ihren liebgewonnenen Paradigmen verabschieden. Daher sympathisiere ich mit der Kritik im Herdentrieb:
“Doch obwohl Shiller und Akerlof besonders viel über die Konsequenzen für die ökonomische Wissenschaft sagen könnten, die sich aus der genaueren Analyse der Animal Spirits ergeben, kratzen sie oft nur an der Oberfläche. Viele Argumente bleiben unvollständig und vor allem schlecht organisiert. Was die Autoren als große Theorie und praktische Anwendung dergleichen anpreisen, ist oft wenig zusammenhängend und bleibt Stückwerk. …  Zu weit fassen die beiden, was sie unter Animal Spirits verstehen – nämlich so gut wie alles, womit sich die meisten Ökonomen in ihren Modellen nicht beschäftigen.”
Egal aber, ob das Buch hohen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt oder nicht, es könnte auf jeden Fall den fälligen Paradigmenwechsel in der Wirtschaftswissenschaft befördern. Dass ein Paradigmenwechsel in der Ökonomie fällig ist, dürfte wohl kaum noch bestritten werden, denn zu groß sind die Abweichungen der Realität (Thomas Kuhn würde sagen der Anomalien) vom Modellgebäude der Ökonomie. Akerlof und Shiller haben mit den Animal Spirits noch kein neues Paradigma vorgelegt, dafür mangelt es der Theorie an falsifizierbaren Hypothesen. Ökonomen haben außerdem mit der Neuen Institutionenökonomik und insbesondere mit der Principal Agent Theorie noch mächtige Geschütze, die sich zwar ebenfalls von der Neoklassik entfernen, sich aber innerhalb des ökonomischen Paradigmas bewegen.
Aber das Buch macht wie viele andere Werke klar, dass die Ökonomie sich von den Annahmen perfekter Märkte verabschieden muss und viel stärker das Verhalten der Menschen in ihre Modelle integrieren muss. So könnte der Weg zu einer neuen Ökonomie über das Nutzenkonzept erfolgen. Ökonomische Modelle basieren bekanntlich auf dem Prinzip der Nutzenmaximierung des Individuum. Was diese Nutzenmaximierung beinhaltet und wie die Nutzenempfindung entsteht, betrachten Ökonomen bisher noch zu wenig. Nach meiner Auffassung lässt sich das Verhalten des Individuums erst mit verhaltenswissenschaftlicher Fundierung befriedigend erklären. Zwar reicht es m.E. häufig aus, wenn zur Erklärung bestimmter Sachverhalte die Verhaltensannahmen der Neuen Institutionenökonomik unterstellt werden. Für die Mikrosteuerung von Maßnahmen ist es jedoch notwendig zu verstehen, was das Verhalten, das subjektive Nutzenempfinden eines Individuum beeinflusst, was ihn motiviert etwas auf eine bestimmte Art und Weise zu tun bzw. etwas nicht zu tun.
Jetzt bin ich etwas vom Thema abgekommen, denn eigentlich wollte ich abschließend dieses Buch als sehr lesenswert einstufen. Der Campus Verlag hätte aber auf den Untertitel in der deutschen Übersetzung “Wir Wirtschaft wirklich funktioniert” verzichten sollen. Der Untertitel der US-Version “How Human Psychology Drives the Economy, and Why It Matters for Global Capitalism” klingt deutlich weniger anmaßend und entspricht wohl eher der Intention der Autoren.

Weitere Literatur zum Thema

Akerlof und Shiller: Vorwort aus dem Buch

Doppelseite ökonomische Theorie und Praxis: Keynes-Serie im Handelsblatt

Keynes ist in aller Munde. Sogar von opportunistischer Wendung zum Keynesianismus wird gesprochen. Was genau dahinter steckt, außer einer Erhöhung der Staatsausgaben, wird selten erklärt. Daher konnte man sich über diese Doppelseite in der gestrigen Ausgabe des Handelsblatts wirklich freuen. Unter der Überschrift “Keynes – geliebt, verachtet, wiederentdeckt” stellen Anja Müller und Olaf Storbeck vier Hauptströmungen der Ökonomie vor mit zentralen Thesen, Annahmen, Menschenbildern, Kritikpunkten und Schlussfolgerungen für die Wirtschaftspolitik.
Die Übersicht beginnt bei den Klassikern um Adam Smith, David Ricardo  geht dann über Keynes hin zu den Neoklassikern um Friedmann und endet bei der “neuen Synthese” um Mankiw und anderen. Nun bin ich Betriebswirt und kein Volkswirt, dennoch lohnt es sich, diese Seite aufzubewahren, die hoffentlich auch online verfügbar sein wird.
Und diese Übersicht eignet sich für mehr als die Verbesserung des eigenen Business-Smalltalk. Denn sie macht auch einen zentralen Kritikpunkt der neuen Synthese deutlich und könnte damit auf eine Schwäche der gegenwärtigen Fiskal- und Geldpolitik hinweisen. Die Neukeynesianer (darf man sie überhaupt so nennen?) arbeiten nämlich mit dem Menschenbild der Neoklassiker: “Wirtschaftliche Akteure verhalten sich rational und maximieren ihren Nutzen, der vom Einkommen abhängt.”
Ich halt dieses Menschenbild für falsch und tendiere zu dem Menschenbild von Keynes “Psychologische Faktoren spielen für das wirtschaftliche Verhalten der Menschen eine große Rolle. Die Unsicherheit über die Zukunft führt zu Schwankungen und macht das wirtschaftliche System instabil.” Auch dieses Menschenbild ist hier nur vage beschrieben, jedoch näher an der Realität.
Immerhin stehen z.B. mit der Neuen Institutionenökonomik und den Behavioural Economics potentielle Nachfolger in den Startlöchern. Ob sich mit diesen Richtungen überhaupt die Ansätze fortsetzen lassen und welche Politikempfehlungen daraus folgen, können vielleicht Volkswirte verraten. Ich fände es jedenfalls sehr interessant, diese imposante Doppelseite um eine dritte Seite ergänzt zu sehen. Anregungen gibt es sicher genug in diesen Wochen, wie z.B. von Prof. Willem Buiter von der London School of Economics, der auf Vox diesen Beitrag verfasst hat: The unfortunate uselessness of most ’state of the art’ academic monetary economics. Weitere Beiträge zur Krise der Ökonomie hat der Blick Log hier zusammengestellt.

Hardcore Keynes bis zu den animal spirits

In dieser Woche geht es weiter mit der Keynes-Serie im Handelsblatt. Nach der Einleitung mit dem “Stammbaum der Makroökonomie” und den Impressionen aus dem Leben von Keynes in der vergangenen Woche dringt Olaf Storbeck diesmal in den Kern von Keynes vor. Der Beitrag dreht sich um das Schlüsselwerk von Keynes, der 1936 veröffentlichten "Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes". Irgendwo in nicht ausgepackten Umzugskisten liegt auch noch mein Exemplar. Und ich habe der Versuchung widerstanden, es zu suchen. Ist auch nicht notwendig, denn wesentliche Essenzen erklärt Storbeck. Das reicht zwar nicht für eine Examensklausur in VWL, aber zum Verständnis der wirtschaftspolitischen Diskussion wünschte man sich, auch mehr Politiker würden ein Blick in solche Artikel werfen.
Warum? Das erklärt der Beitrag: “Alle reden über Keynes, kaum jemand hat sein Werk gelesen. In Debatten über seine Konzepte schleichen sich oft Ungenauigkeiten, Vorurteile und Mythen ein. Die "Popularisierung der Keynes’schen Theorie", schreibt der Wirtschaftswissenschaftler Karl Eman Pribram in seiner "Geschichte des ökonomischen Denkens", habe jede Menge "Verwirrung" mit sich gebracht.”
Interessant , dass das, was heute unter keynesianischer Politik verstanden wird, lediglich einer speziellen Interpretation seiner Gedanken entspricht. So erfährt der Leser, dass das Keynes gern zugeschriebene “deficit spending” gar nicht zum, wahren Kern gehört. Dazu Storbeck: “Wer die Antwort in der "Allgemeinen Theorie" sucht, wird staunen. Das berühmte "deficit spending" wird dort nur am Rande erwähnt. Das vermeintlich ur-keynesianische Diktum, zwischen niedriger Arbeitslosigkeit und niedriger Inflation bestehe ein Zielkonflikt, ist überhaupt kein Thema, auch das legendäre keynesianische "IS-LM"-Modell der Gesamtwirtschaft, bis heute Standard-Lehrstoff, sucht man vergeblich.”

Zwei Kernbotschaften der Allgemeinen Theorie arbeitet Storbeck heraus: Der Kapitalismus, so die eine, ist aus sich selbst heraus instabil und unfähig, aus eigener Kraft Vollbeschäftigung zu schaffen. Der Staat jedoch, das ist die zweite wichtige These, kann diese Schwäche in den Griff bekommen – und zwar ohne gleich die Marktwirtschaft komplett abschaffen zu müssen.
In diesem Blog schaue ich gern auf verhaltenswissenschaftliche ökonomische Ansätze. Auch dazu hat Keynes sich geäußert, nur hat die Mainstreamökonomie diese Essenzen lange ignoriert. Storbeck schreibt: “Es komme vor allem auf das Bauchgefühl der Unternehmer an – auf ihre "animalischen Instinkte" ("animal spirits"). Diese seien Wellen von Optimismus und Pessimismus ausgesetzt. Das irrationale Auf und Ab der Erwartungen führe dazu, "dass Rezessionen und Depressionen in ihrer Stärke verstärkt werden". Im Zweifel, vermutet Keynes, investiere die Privatwirtschaft aus Angst vor der Zukunft nicht genug, um für Vollbeschäftigung zu sorgen. Auch niedrige Zinsen können das nicht ändern.”
Schade über die Animal Spirits, zu denen gerade Robert Shiller und George Akerlof gerade ein Buch veröffentlicht haben, hätte ich gern noch mehr lesen. Aber die Serie ist ja noch nicht zu Ende, hoffe ich wenigstens. 

Montag, 20. September 2010

JPY / USD FX

Wow - the yen's strength is remarkable (or is it the dollar's weakness - pick your poison). Say Sayonara to the Japanese government's budget. Say Ohaiyo Gozaimasu to QE52 in Japan and the ultimate destruction of their currency. As we've discussed several times in the past, this is a "when, not if" scenario.




Sonntag, 19. September 2010

»Goldene Regel« von Sebastian Paul

Gibt es eine »Goldene Regel« für die Gesamtvermögensanlage? 


Für die Aufteilung von Anlagevermögen gab es früher eme Faustregel: ein Drittel eine Immobilie, ein Drittel Anleihen, das restliche Drittel in Aktien. Aber diese Auf teilung gilt nicht uneingeschränkt für jeder­mann. Sie ist abhängig vom Umfang des Vermögens, von zu erwartenden Vermögenszuwächsen (etwa aufgrund einer Erb­schaft), von der Höhe und Sicherheit des Einkommens sowie von der persönlichen Risikobereitschaft. Die Höhe des Aktienanteils sollte davon abhängen, ob die Kurse zur Anlage besonders günstig erscheinen, etwa nach einer überstandenen Baisse, oder ob die internationalen Aktien­börsen bereits auf Kursgewinne von 40 Prozent und mehr in den letzten zwölf bis zwanzig Monaten zurückblicken können. In diesem Falle sollte der Aktienanteil stark reduziert werden. Abbildung 1 zeigt, wie ein vorsichtiger Anleger, der auch über Immobilienbesitz verfügt, sein Vermögen aufteilen könnte. Nach kräftig gestiegenen Aktienkursen und ersten Warnzeichen hält er sei­nen Aktienanteil klein. Nach einer Baisse und entsprechenden Kaufsignalen vergrößert er ihn wieder. Früher war es auch üblich, einen Teil seines Vermögens in Gold anzulegen, wenn man der Geldpolitik seines Staates nicht traute. In diesem Jahrhundert hat es in Deutschland ja schon zwei Währungsreformen gegeben. Sparbücher und festverzins­liche Wertpapiere (Anleihen) wurden wertlos, während Gold damals wie Immobilien ein inflationsbeständiger Sachwert blieb. Mit der weltweiten konsequenten Inflationsbekämp­fung seit Beginn der achtziger Jahre wurde jedoch deutlich, dass auch Immobilien und Gold im Preis stark fallen können. Neuerdings erlebte Gold als Anlage wieder einen gewaltigen Aufschwung, weil die Anleger der ungehemmten Geldmengen­erweiterung durch die Bush-Regierung und US-Zentralbank misstrauten.

Chancen und Risiken von Hedgefonds Sebastian Paul

"Hedgefonds. Chancen und Risiken" ist ein überaus faszinierendes Werk, denn es beschäftigt sich mit dem oftmals unbewussten Einfluss von Hedgefonds und deren Chancen und Risiken.
Sebastian schildert zu Anfang des Buches die Charaktereigenschaften von Hedgefonds und deren enormen Einfluss, den sie schon immer auf die Märkte ausgeübt haben. Er zählt einige der moderne Strategien auf, unter deren Einfluss die Schwankungen bewusst oder unbewusst herbeigeführt werden.