Was, wenn wir den
Schleier der Zukunft heben könnten, sagen wir, nur für einen kurzen
Moment – und so einen Blick riskieren dürften auf das, was da
kommt, denn da kommt doch was, oder nicht?
Hand aufs Herz: Hat
2014 uns nicht irgendwie überrascht und überrumpelt mit all seinen
Konflikten, Kriegen und Krisen? Hatten wir nicht am 31.12.2013 um
23.59 h gedacht, das wird schon? Selbsttäuschung war und ist Segen
und Fluch der Menschheit, denn das Leben war und ist, um es etwas
salopp und mit Kästner zu sagen, immer lebensgefährlich.
Optimismus,
Zuversicht sowie die Hoffnung, dass alles glimpflich verlaufen mag,
sind so gesehen Tugenden, die das (Über)Leben überhaupt erst
möglich machen. Was bleibt uns auch anderes übrig? Wir sind zur
Zuversicht verdonnert.
Was aber, wenn man
trotzdem verzagt? Wenn man das Gefühl nicht los wird, dass das, was
da kommt, so gar nicht toll sein wird. So ganz und gar nicht. Ist man
dann ein Pessimist? Ein Schwarzmaler, der nicht nur alles in düsteren
Farben zeichnet, sondern auch noch den Teufel an die Wand pinselt?
Einer, der sich lieber gleich erschießen sollte, als allen anderen
den Tag zu verderben?
Der Psychoanalytiker
Wolfgang Schmidbauer sagte 2014 in einem Interview in der ZEIT
(Ausgabe 1/14, Zeit Wissen), der Pessimist sei Realist. „Ohne eine
Portion Pessimismus kann ein nachdenklicher Mensch eigentlich nicht
existieren.“ Der Optimist hingegen verdränge das Negative, doch
nicht nur. „(...) Optimismus bedeutet (…) auch: Ich nehme das
Negative an. Verdrängen betrifft ja nur den emotionalen Gehalt,
nicht die Wahrnehmung.“
Was also ist
erstrebenswerter? Der Optimismus? Doch was, wenn man alles - im
Gegensatz zum Schwarzmaler - in leuchtende Farben taucht? In
leuchtend grelle Farben? Und man vor lauter Helligkeit nicht mehr
sieht, wohin man tritt?
Am besten ist wohl, man mischt beides.
Am besten ist wohl, man mischt beides.
Pesstimismus, also.
Oder Optipessmus? Vielleicht auch schlicht Realoptimismus.
Aus heutiger - und
vielleicht noch viel eher aus morgiger Sicht – kann das Gefühl,
dass es uns, wenn es uns am vorangegangen Tag gut ging, auch am
nächsten Tag gut geht, sehr optimistisch, ja, mitunter trügerisch
erscheinen.
Wieviele Menschen
hierzulande haben 2013 und früher denn gedacht, dass es möglich
sein würde, dass der momemtan amtierende russische Präsident
„einfach so“ ein Stück Land annektiert? Dass Panzer rollen,
Soldaten wie Pilze aus dem Boden schießen, von denen man zuerst
nicht weiß, woher sie kommen, wer sie geschickt hat. Und dass ein
Präsident lügen kann wie er will und viele geneigt sind, ihm die
Lügen abzukaufen, egal wie schlecht gelogen sie sind und vor
Dreistigkeit und Absurdität triefen: Hat man entweder für möglich
gehalten oder aber – die ganz Abgeklärten - für normal. Ja, der
Herr Putin, wie er da so barbrüstig auf seinem Pferd in den
Sonnenuntergang ritt oder einen Schwarm sibirische Wildgänse auf den
richtigen Kurs brachte (anscheinend in der Annahme, die Gänse wären
ohne seine Hilfe auf die schiefe Bahn geraten). Ja, seltsam, hat man
gedacht und vielleicht: albern. Man hat den Kopf geschüttelt und
schief gegrinst. Na so was, dass das den Russen gefällt. Drollig.
Ein, zwei Witzchen hier und da, und, da es immer welche gibt, die auf
Machogehabe und Chauvinismus stehen, wird sich bestimmt der eine und
vielleicht auch der andere in stiller Bewunderung für diesen
Superman à la Russki ergangen haben – aber unter dem Strich?
Nichts. Kaum eine Befürchtung unsererseits, kein Misstrauen.
Wegschauen nach dem Motto: Was geht uns das alles an? Schließlich
ist das Leben voll von verrückten Dingen, denen man sein Augenmerk
schenken muss – man kann nicht alles verfolgen, was um einen herum
geschieht, dafür müsste man mindestens ein Auge mehr als die üblich
haben, also drei, mindestens.
Alles richtig,
durchaus. Und vor allem menschlich, aber die Konsequenz, die sich
daraus ergibt, eben auch, eben auch richtig, ja folgerichtig: der
unsanfte Sturz aus allen Wolken.
Noch einmal Hand
aufs Herz: Einiges hätte man aber doch schon ahnen können. (Hinweis
auf schon einmal gebloggten Artikel
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/stimmung-in-russland-die-militarisierte-gesellschaft-12859259.html
, außerdem Dokumentation über russische Militärcamps für Kinder
und Jugendliche von 2011: https://www.youtube.com/watch?v=rDKmITMaVg0
und SPIEGEL-Artikel zu Putins Rede auf der Sicherheitskonferenz 2007
http://www.spiegel.de/politik/ausland/sicherheitskonferenz-in-muenchen-putin-schockt-die-europaeer-a-465634.html
, FOCUS-Artikel von Boris Reitschuster 2011:
http://www.focus.de/politik/ausland/tid-24426/20-jahre-nach-dem-ende-der-udssr-sowjetunion-reloaded_aid_692227.html
sowie seine Bücher „Wladimir Putin – Wohin steuer er Russland“
von 2004 und „Putins Demokratur“, alle zu empfehlen - dies nur
eine Auswahl)
Zurück zu der
Frage, was die Zukunft bringt.
Verflixt, diese
Frage treibt uns um.
Also gut. Um das
nächste Mal besser vorbereitet zu sein, wagen wir nun einen
tiefschwarz getränkten Ausblick; so wie Wolfgang Schmidbauer im
ZEIT-Interview sagte: Pessimisten „sind vielleicht sogar robuster,
denn sie üben schon die schlechte Verfassung, den Rückschlag.“
Der von Russland
angezettelte Krieg in der Ukraine wird weiter gehen und wird sich
ausbreiten (zum Beispiel nach Moldawien, aber wer sagt, dass nur in
südöstlicher Richtung gezündelt werden wird?). Zeitgleich wird die
Stimmung in Europa kippen und nicht nur, was die Finanzkrise angeht,
nationalistische Haudraufleute, zum Beispiel in Frankreich, Schweden
und Deutschland (aber nicht nur hier) werden weiter daran basteln,
die Bevölkerung aufzuwiegeln, und noch mehr Unruhe stiften, so
lange, bis der Mob am Ende ganz entfesselt ist und der Hass so groß
wird, dass Gewalt und Brutalität herrschen. Mit anderen Worten: Es
knallt. Menschlich gesehen, aber auch so, Bardarbunga wird ausbrechen
und wenn nicht dieser Vulkan, so ein anderer, vielleicht der Ätna,
vielleicht die Katla.
Mit der
Optimistenbrille auf der Nase lässt sich sagen: Solch düsteren
Aussichten wurden schon oft gemacht. Und? Bisher ist doch alles
glimpflich verlaufen, jedenfalls hier, jedenfalls bei uns.
Stimmt. Also,
welchen Schluss ziehen wir daraus? Dass es auch weiterhin so
verlaufen wird?
Der
Pessimist runzelt die Stirn, die Optimistenbrille verrutscht.
Eins
aber ist gewiss: Was auch kommt, man ist dazu verdonnert, das Beste
daraus zu machen. Selbst der Pessimist.