Sonntag, 4. Januar 2015

Was wird 2015 passieren? Oder: Oh, wie schön ist (immer noch) Panama!


Was, wenn wir den Schleier der Zukunft heben könnten, sagen wir, nur für einen kurzen Moment – und so einen Blick riskieren dürften auf das, was da kommt, denn da kommt doch was, oder nicht?

Hand aufs Herz: Hat 2014 uns nicht irgendwie überrascht und überrumpelt mit all seinen Konflikten, Kriegen und Krisen? Hatten wir nicht am 31.12.2013 um 23.59 h gedacht, das wird schon? Selbsttäuschung war und ist Segen und Fluch der Menschheit, denn das Leben war und ist, um es etwas salopp und mit Kästner zu sagen, immer lebensgefährlich.

Optimismus, Zuversicht sowie die Hoffnung, dass alles glimpflich verlaufen mag, sind so gesehen Tugenden, die das (Über)Leben überhaupt erst möglich machen. Was bleibt uns auch anderes übrig? Wir sind zur Zuversicht verdonnert.

Was aber, wenn man trotzdem verzagt? Wenn man das Gefühl nicht los wird, dass das, was da kommt, so gar nicht toll sein wird. So ganz und gar nicht. Ist man dann ein Pessimist? Ein Schwarzmaler, der nicht nur alles in düsteren Farben zeichnet, sondern auch noch den Teufel an die Wand pinselt? Einer, der sich lieber gleich erschießen sollte, als allen anderen den Tag zu verderben?

Der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer sagte 2014 in einem Interview in der ZEIT (Ausgabe 1/14, Zeit Wissen), der Pessimist sei Realist. „Ohne eine Portion Pessimismus kann ein nachdenklicher Mensch eigentlich nicht existieren.“ Der Optimist hingegen verdränge das Negative, doch nicht nur. „(...) Optimismus bedeutet (…) auch: Ich nehme das Negative an. Verdrängen betrifft ja nur den emotionalen Gehalt, nicht die Wahrnehmung.“

Was also ist erstrebenswerter? Der Optimismus? Doch was, wenn man alles - im Gegensatz zum Schwarzmaler - in leuchtende Farben taucht? In leuchtend grelle Farben? Und man vor lauter Helligkeit nicht mehr sieht, wohin man tritt?
Am besten ist wohl, man mischt beides.

Pesstimismus, also. Oder Optipessmus? Vielleicht auch schlicht Realoptimismus.

Aus heutiger - und vielleicht noch viel eher aus morgiger Sicht – kann das Gefühl, dass es uns, wenn es uns am vorangegangen Tag gut ging, auch am nächsten Tag gut geht, sehr optimistisch, ja, mitunter trügerisch erscheinen.

Wieviele Menschen hierzulande haben 2013 und früher denn gedacht, dass es möglich sein würde, dass der momemtan amtierende russische Präsident „einfach so“ ein Stück Land annektiert? Dass Panzer rollen, Soldaten wie Pilze aus dem Boden schießen, von denen man zuerst nicht weiß, woher sie kommen, wer sie geschickt hat. Und dass ein Präsident lügen kann wie er will und viele geneigt sind, ihm die Lügen abzukaufen, egal wie schlecht gelogen sie sind und vor Dreistigkeit und Absurdität triefen: Hat man entweder für möglich gehalten oder aber – die ganz Abgeklärten - für normal. Ja, der Herr Putin, wie er da so barbrüstig auf seinem Pferd in den Sonnenuntergang ritt oder einen Schwarm sibirische Wildgänse auf den richtigen Kurs brachte (anscheinend in der Annahme, die Gänse wären ohne seine Hilfe auf die schiefe Bahn geraten). Ja, seltsam, hat man gedacht und vielleicht: albern. Man hat den Kopf geschüttelt und schief gegrinst. Na so was, dass das den Russen gefällt. Drollig. Ein, zwei Witzchen hier und da, und, da es immer welche gibt, die auf Machogehabe und Chauvinismus stehen, wird sich bestimmt der eine und vielleicht auch der andere in stiller Bewunderung für diesen Superman à la Russki ergangen haben – aber unter dem Strich? Nichts. Kaum eine Befürchtung unsererseits, kein Misstrauen. Wegschauen nach dem Motto: Was geht uns das alles an? Schließlich ist das Leben voll von verrückten Dingen, denen man sein Augenmerk schenken muss – man kann nicht alles verfolgen, was um einen herum geschieht, dafür müsste man mindestens ein Auge mehr als die üblich haben, also drei, mindestens.

Alles richtig, durchaus. Und vor allem menschlich, aber die Konsequenz, die sich daraus ergibt, eben auch, eben auch richtig, ja folgerichtig: der unsanfte Sturz aus allen Wolken.

Noch einmal Hand aufs Herz: Einiges hätte man aber doch schon ahnen können. (Hinweis auf schon einmal gebloggten Artikel http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/stimmung-in-russland-die-militarisierte-gesellschaft-12859259.html , außerdem Dokumentation über russische Militärcamps für Kinder und Jugendliche von 2011: https://www.youtube.com/watch?v=rDKmITMaVg0 und SPIEGEL-Artikel zu Putins Rede auf der Sicherheitskonferenz 2007 http://www.spiegel.de/politik/ausland/sicherheitskonferenz-in-muenchen-putin-schockt-die-europaeer-a-465634.html , FOCUS-Artikel von Boris Reitschuster 2011: http://www.focus.de/politik/ausland/tid-24426/20-jahre-nach-dem-ende-der-udssr-sowjetunion-reloaded_aid_692227.html sowie seine Bücher „Wladimir Putin – Wohin steuer er Russland“ von 2004 und „Putins Demokratur“, alle zu empfehlen - dies nur eine Auswahl)

Zurück zu der Frage, was die Zukunft bringt.

Verflixt, diese Frage treibt uns um.

Also gut. Um das nächste Mal besser vorbereitet zu sein, wagen wir nun einen tiefschwarz getränkten Ausblick; so wie Wolfgang Schmidbauer im ZEIT-Interview sagte: Pessimisten „sind vielleicht sogar robuster, denn sie üben schon die schlechte Verfassung, den Rückschlag.“

Der von Russland angezettelte Krieg in der Ukraine wird weiter gehen und wird sich ausbreiten (zum Beispiel nach Moldawien, aber wer sagt, dass nur in südöstlicher Richtung gezündelt werden wird?). Zeitgleich wird die Stimmung in Europa kippen und nicht nur, was die Finanzkrise angeht, nationalistische Haudraufleute, zum Beispiel in Frankreich, Schweden und Deutschland (aber nicht nur hier) werden weiter daran basteln, die Bevölkerung aufzuwiegeln, und noch mehr Unruhe stiften, so lange, bis der Mob am Ende ganz entfesselt ist und der Hass so groß wird, dass Gewalt und Brutalität herrschen. Mit anderen Worten: Es knallt. Menschlich gesehen, aber auch so, Bardarbunga wird ausbrechen und wenn nicht dieser Vulkan, so ein anderer, vielleicht der Ätna, vielleicht die Katla.

Mit der Optimistenbrille auf der Nase lässt sich sagen: Solch düsteren Aussichten wurden schon oft gemacht. Und? Bisher ist doch alles glimpflich verlaufen, jedenfalls hier, jedenfalls bei uns.

Stimmt. Also, welchen Schluss ziehen wir daraus? Dass es auch weiterhin so verlaufen wird?

Der Pessimist runzelt die Stirn, die Optimistenbrille verrutscht.

Eins aber ist gewiss: Was auch kommt, man ist dazu verdonnert, das Beste daraus zu machen. Selbst der Pessimist.




Freitag, 27. Juni 2014

Russlands Politik, ein Grund zum Fürchten?



Seit Monaten treibt der Kreml sein rabenschwarzes Spiel und wie es scheint, nach der Devise, wer sich für dumm verkaufen lässt, muss noch dümmer sein als gedacht. Auf Drohgebärden folgen Entspannungszeichen und andersrum, die westlichen Medien taumeln hin und her. Man vergleicht und revidiert seinen Vergleich wieder, besteht auf diesem und jenem Standpunkt, klopft sich mal auf die eine und mal auf die andere Schulter, schließlich ist man stolz auf sich, man ist einfach zu klug, um gleich den Teufel an die Wand zu malen, aber rosarote Friedenswölkchen aufsteigen lassen, geht auch irgendwie nicht...vor lauter Diskursen über die "Wie verhalte ich mich richtig in solch einer Situation" scheint sich der Blick zu trüben. Das ungute Bauchgefühl, das (hoffentlich) da war angesichts der Geschehnisse auf der Krim, wird beiseite geschoben. Lieber zimmert man sich ein Weltbild zusammen, das ausblendet, was nicht sein darf: Das, was mit der Krim passiert ist, war doch keine "richtige" Annexion, oder? "Die Krim, die war sowieso immer schon russisch"? Tatsächlich? Na gut, aber wie heißt es so schön: Wer A sagt, muss auch B sagen. Dann also lasst uns über das Elsass reden, über Danzig, Königsberg... Ah nein, das geht nicht? Na also! 


Gott sei Dank sind die anfänglichen Stimmen hierzulande, jedenfalls in der Presselandschaft, diese Stimmen, die nach Verständnis für Russland riefen, etwas leiser geworden. Die User-Kommentarspalten aber sind weiterhin gut gefüllt mit haarsträubenden Statements. Tja, Trolle gibt es eben nicht nur im Märchen. Leider. Und leider gehen nur Märchen immer gut aus. So unübersichtlich wie die Wirklichkeit nun einmal ist, so unübersichtlich scheint auch das, was noch kommen wird. Keiner kann mit Gewissheit sagen, was die Zukunft bringt, aber trotzdem: Prognosen lassen sich stellen, aus Geschichte kann man lernen, jedenfalls indem man sich nicht scheut, Vergleiche anzustellen, das ist legitim und ja, das ist zwingend notwendig!!!

Vielleicht sollte man sich eins vor Augen führen:

Die Mehrheit der Bevölkerung in Russland hat nichts zu verlieren. Sie wurde und wird von der eigenen Regierung klein gehalten, gedemütigt, entmündigt und dann militarisiert.
 
 
 

Wer erst über Jahrhunderte und dann, ausgehöhlt nach einem Intermezzo des gnadenlosen Raubtierkapitalismus, erneut erniedrigt, geknebelt und geknüppelt wurde, der braucht ein Ventil, der ist dankbar, wenn einer kommt und ihm ins Ohr flüstert: 'Im Grunde bist du der Tollste. Dass du in der Scheiße hockst, daran sind die anderen schuld, gegen die musst du dich wehren, gegen die musst du kämpfen, sie verstehen dich eh nicht!' Was aber diese Einflüsterer à la Alexander Dugin so gefährlich macht: Sie decken die wahren Täter und stigmatisieren Unschuldige und Schwache als solche. Die wahren Täter sitzen im Kreml. Sie missbrauchen die russische Bevölkerung im doppelten Sinne. Lieber säen sie Hass nach dem alten Prinzip.

Was sich in Russland zusammenbraut, sollte uns aufschrecken, sollte uns - gerade in Deutschland - Alarm schlagen lassen, aber was machen wir? Wir machen die Augen zwar nicht zu, aber wir blinzeln. Warum? Weil wir glauben, Schlimmes lässt sich weg blinzeln?

Das, was sich in Russland zusammenbraut, und nicht erst seit Anfang diesen Jahres, ist Faschismus. Und nicht nur in Russland. Was ist mit Ungarn? Faschismus in einem EU-Land? Wir blinzeln.

ABER: Wir müssen mutig werden, aufhören zu blinzeln! Denn sonst, fürchte ich, schlittern wir in die größte Katastrophe des 21. Jahrhunderts.


weitere interessante links:
 

 

Feriencamp-in-Ungarn-Jugend-Waffen-Sturmgewehr-375400.html

 

Montag, 11. Februar 2013

Fairtrade, eine Bewegung die unsere Unterstützung braucht!

Ist Fairtrade wirklich fair, oder heimsen sich die Firmen nur noch mehr Gewinne ein?

Es ist eine Frage, die sich jeder stellt, der kostspieligere Fairtrade Produkte kauft. Kommt meine Unterstützung auch wirklich dort an, wo ich sie gerne hätte?
Es gibt gewiss auch schwarze Schafe unter denen, die uns einen "Gutmenschen" vorspielen. Aber sollte man deshalb diese ganze Bewegung anzweifeln. 

Seit das Siegel im Juli 2011 drastisch aufgeweicht wurde, gilt für alle Mischprodukte mit dem Fairtrade-Siegel ein Mindestanteil von nur noch 20 Prozent fair gehandelter Zutaten. Der Mindestanteil lag vorher bei 50 Prozent und mein Hoffen ging eher in die Richtung, dass er bald erhöht wird!
Die Herabsetzung der Fairtrade-Siegel hat sowohl Befürworter als auch Gegner. Um Euch ein eigenes Bild davon zu machen, klickt hier !

Meiner Meinung nach ist die Fairtrade-Bewegung eine hervorragende Sache und es ist durchaus gut, sie zu unterstützen. Dass wir Kaffee, der um die halbe Erde geflogen oder verschifft werden muss, nicht für ein paar Cents bekommen, versteht sich wohl von selbst. Und dass in der langen Produktionskette verschiedene Kosten anfallen, dürfte uns auch klar sein.

Wir sollten uns auf das Wesentliche beschränken und die Rechte jener in weit entfernten Ländern genauso priorisieren wie unsere. Von Arbeit muss man leben können, und am besten - nicht nur gerade so!!!

Mittwoch, 7. November 2012

Bienensterben: Bienchen summt nicht mehr herum


Bienen summen, Bienen machen Honig,  Bienen stechen, Bienen heißen – manchmal – Maja, Bienen sind vor allem eins: lebenswichtig!  Und: Bienen sterben! Leise, schleichend, aber massenweise! Grund: Pestizide. Sie schwächen das Immunsystem der Bienen, machen sie anfällig für Krankheiten und Parasiten. Auch wird das Futter aufgrund der industriellen Landwirtschaft knapp. In Europa sind schon 40 Prozent der Bienenvölker verschwunden.
Wer im Biologie-Unterricht aufgepasst hat, müsste jetzt sofort aufschreien. Wie war das noch mal, Biene und Blume? Richtig!
„Etwa zwei Drittel der Nahrungsmittel hängen von der Arbeit der Bienen ab.“ (Robin Moritz, Präsident der europäischen Gesellschaft für Bienenforschung (European Society for Bee Research) in DIE ZEIT, „Forscher warnen vor schlimmen Folgen durch Bienensterben“ vom 04.09.2012) – wenn es leise wird auf den Wiesen und in den Wäldern, wird der Mensch das bald zu spüren bekommen. In China gibt es bereits eine „bienenfreie“ Region, in der Provinz Sichuan  muss nun der Mensch ran und selbst die Bestäubung vornehmen. Jedes Jahr im  April sieht man dort  Tausende von Menschen mit Bambusstöcken, an deren Ende Hühnerfedern befestigt sind, in die blühenden Zweige der vielen, vielen Birnbäume klettern, um die Blüten mühsam von Hand zu bestäuben, wie die Autoren Alison Benjamin und Brian McCallum in ihrem Buch „Welt ohne Bienen -Wie das Sterben einer Art unsere Zivilisation bedroht“  (Fackelträger Verlag Köln 2009) beschreiben. Wer zynisch ist, könnte sich ob der Aussicht auf neue Arbeitsplätze freuen. Fragt sich nur, zu welchem Preis – und doch bestimmt auf Minijob-Basis!

Unbedingt sehenswert: More than Honey, ab 8. November 2012 im Kino:

Sonntag, 9. September 2012

Glyphosat - für Industrie und Lobbys vertretbar, für Natur und Leben giftig

Also doch! Was wir in die Umwelt geben, kommt auch wieder zu uns zurück. Werden die Menschen  etwa schlauer?

Wohl kaum. Lediglich ein minimaler, kritischer Kleinstanteil der sich selbsternannten Krone der Schöpfung: Spezies Mensch hat einen Geistesblitz.
Es geht, wie so häufig, um unser Handeln in unserem ökologischen Lebensraum.

Glyphosat nennt sich eines der vielen von uns hergestellten und von uns in die Umwelt gebrachten Gifte. In zahlreichen Spritzmitteln in der Landwirtschaft und im Gartenbau ist es enthalten und mittlerweile reichlich in unserer Umwelt vorhanden. Als Gift ist es aber nicht deklariert! Vielmehr als Retter unserer Ökologie.
Regierungsorganisationen wie die WHO, die EPA und die EU vetreten denselben wissenschaftlichen Konsens und haben nach eingehenden Prüfungen festgestellt, bei bestimmungsmäßiger Anwendung bestehe keine Gefahr. Für nicht Zielorganismen sei die Giftigkeit gering!
>> Aha, gering heißt also quasi nicht vorhanden? Und wieder etwas dazugelernt.<<
Kann es doch Unkraut vernichten, aber vor wichtigen Nutzpflanzen macht es halt, es lagert sich nicht in ihnen an? Was für eine Zauberei!

Schade nur, dass Wissenschaftler nun dieses so genannte harmlose "Totalherbizit" Glyphosat im menschlichen Urin nachgewiesen haben. Es steht im Verdacht, das Erbgut von Menschen und Tieren zu schädigen und schwere Krankheiten zu verursachen.
Somit sind die Herstellerangaben widerlegt. Und was sagt der Gentech-Gigant Monsanto, der Herrscher über die internationale Landwirtschaft,  dazu?  Dieser Wirkstoff  reichert sich nicht in unserer Nahrungskette an!

"Eigentlich sollte bis zu diesem Jahr eine Neubewertung des Wirkstoffes auf EU-Ebene vorgenommen werden – unter deutscher Federführung. Doch daraus wird nichts. Die Frist wurde bis 2015 verlängert, teilte das Bundesamt für Verbraucherschutz der WR mit. Die Zeit für das Neubewertungsverfahren habe nicht ausgereicht. Die Industrie habe erst im Mai 2012 ihre Dossiers vorgelegt. Diese Papiere werden für die Neubewertung zu Rate gezogen.deutscher auf EU-Ebene"(Quelle: http://www.derwesten.de/region/westfalen/pflanzenschutzmittel-glyphosat-kann-laut-experten-krank-machen-id6897961.html)
Wer durfte wohl dieses Mal die Taschen weit aufmachen, damit andere noch größeren Reibach machen können?
Der stetig steigende Verbrauch von Herbiziden sollte uns in Angst versetzen! Allein in Deutschland hat sich der Verbrauch von Glyphosat seit Ende der 1990er fast verdoppelt!

Dienstag, 17. Juli 2012

Frontex: die neue Mauer

Frontex: Was ist das? Ein Medikament? Ein Insektenvernichtungsmittel?
Weder noch:  Frontex ist die Abkürzung für die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (französisch: Frontières extérieures for "external borders“).
Seit 2004 waltet sie ihres Amtes. Aufgabe und Ziel laut Verordnung vom 26. Oktober 2004: die Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union „schützen“.
Vor wem?
Vor Menschen. Menschen, die ihre Heimat verlassen und sich aufmachen in eine ungewisse Zukunft, in ein unbekanntes Land, auf einen ihnen fremden Kontinent.
Was wollen diese Menschen hier?
Leben. Menschenwürdig leben. Und sehr oft: Einfach nur überleben.
Können sie das nicht in ihrer Heimat?
Nein. Sie haben nichts, keine Arbeit, wenig bis kein Essen, keine Bildung; sie werden verfolgt, würden ermordet oder einfach verhungern. Sie sind bettelarm, alles, was ihnen bleibt ist: Hoffnung. Denn Hoffnung, weiß der Volksmund, stirbt zuletzt. Also machen sie sich auf. Aber: Sie sind unerwünscht. Europa will sie nicht. Europa braucht sie nicht. Nicht in Europa. Europa braucht sie in Afrika oder Asien, dort, wo ihre Arbeitskraft schön billig ist, wo Europa sich nicht den Kopf darüber zerbrechen muss, wie viel ein Menschenleben wohl wert ist.  Europa: Braucht seine Sklaven, aber sehen und hören will es sie nicht.  Europa: Braucht afrikanisches Land, südamerikanisches Land, asiatisches Land (siehe Land-Grabbing), aber um die ihres Landes beraubten Menschen kümmert es sich nicht.
Stattdessen macht Europa dicht. Sucht aus, wer rein darf und wer nicht. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Die Guten: die Gewinner dieser Welt. Die Schlechten: die Verlierer dieser Welt. Im Töpfchen: Wenige. Im Kröpfchen: Milliarden. Diese Welt: Ist nicht gerecht.
Europa macht dicht. Teilt das Meer. Für das ungeübte Auge: Hüben wie drüben sieht das Meer schön aus. Das Mittelmeer zum Beispiel. Pittoresk.  Friedlich. Doch: Europas Mauern sind allgegenwärtig.  Militärische Sperrzonen, hier kommt niemand durch.
In den Nachrichten: Überladene Flüchtlingsboote, gekentert, Menschen ertrunken, wenn überhaupt, dann ein oder zwei Überlebende. Es heißt: Die Menschen auf dem Boot waren leichtsinnig. Es heißt: Man konnte nicht retten.
Konnte nicht?
Wollte man denn?
„Mitten auf dem Meer aufgegriffene Flüchtlinge haben - ebenso wie jene, die es bis in Küstennähe schaffen - nach geltendem Völker- und Europarecht das Recht, einen Asylantrag zu stellen. Sie dürfen auch nicht abgeschoben werden, wenn ihnen möglicherweise Verfolgung oder Misshandlung droht. Ein faires Asylverfahren, das rechtsstaatlichen Anforderungen gerecht wird, kann allerdings nicht ad hoc auf den Einsatzschiffen erfolgen. Die bei den Einsätzen aufgegriffenen Personen müssen daher auf das europäische Festland gebracht werden. Nur hier ist die Durchführung eines Asylverfahrens möglich, das völkerrechtlichen Standards gerecht wird.“ (Quelle: http://www.amnesty.de/journal/2009/april/mit-verschraenkten-armen)
Will Europa das?
2008 bereits berichtete der Dokumentarautor Roman Herzog (nicht zu verwechseln mit dem ehemaligen Bundespräsidenten) in seinem ARD-Radio Feature „Krieg im Mittelmeer – Von der Cap Anamur zu Frontex und Europas neuen Lagern“ davon, wie die EU es schafft, die Menschen erst gar nicht als Flüchtlinge aufnehmen zu müssen: Besonders die deutschen Verbände praktizieren ‚die harte Linie‘, entnehmen den Flüchtlingsbooten Treibstoff und Lebensmittel (http://www.borderline-europe.de/news/news.php?news_id=56  /  http://frontex.antira.info/2008/10/28/wdr5-krieg-im-mittelmeer/).
Europa schottet sich ab, macht zu und erobert gleichzeitig die Welt.
Wo bleibt der Protest ... und das Gewissen?


http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=V1eZ8Ilgbfs