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Wird der Öffentliche Nahverkehr kostenlos?
Die Bundesregierung denkt darüber nach, den Öffentlichen Nahverkehr kostenlos anzubieten. Nicht aus sozialpolitischen Erwägungen. Sondern um ein Strafverfahren der EU wegen zu hoher Luftverschmutzung in den Städten zu verhindern. Doch das ist der falsche Ansatz. Ein Kommentar
von Gerrit Wustmann
Wird der Öffentliche Nahverkehr kostenlos?
© Andreas_Zerndl / iStock

Die Debatte um einen möglichen kostenlosen Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) entflammt im Kleinen schon seit Jahren immer mal wieder – zuletzt auch, weil vereinzelt Städte in aller Welt mit solchen Modellen experimentieren. In Deutschland stellen sich dabei immer auch soziale Fragen, weil der ÖPNV hierzulande vergleichsweise teuer ist und für Arbeitslose und Geringverdiener eine Belastung darstellt, der nur teilweise mit vergünstigten Sozialtickets begegnet wird. Dass gelegentlich Haftstrafen für Schwarzfahrer verhängt werden, erregt die Gemüter.

Zuletzt wurde die Überlegung laut, das Schwarzfahren von der Straftat zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Doch auch dort könnten Wiederholungstäter, die nicht bereit oder in der Lage sind, ihre Strafzahlungen zu begleichen, inhaftiert werden. Zugegeben, dafür müssen sich schon verflucht viele Schwarzfahrten ansammeln…

Öffentlicher Nahverkehr: Teuer und kompliziert

Dabei wäre zumindest dieses Problem und mit ihm das unnötig komplizierte und verworrene, in jeder Stadt anders gestaltete Tarifsystem lösbar, an dem längst nicht nur Touristen regelmäßig verzweifeln. Unzählige Länder in aller Welt machen es vor. Egal ob Großbritannien, Japan oder die Türkei: Dort kommt man ohne gültiges Ticket gar nicht erst auf den Bahnsteig. Man muss eine Schranke durchqueren. Wer regelmäßig fährt hat eine Karte (die Oyster Card in London oder die Istanbulkart zum Beispiel), die man beliebig mit Geld aufladen kann. Der korrekte Betrag wird beim Betreten bzw. Verlassen der Station automatisch abgebucht.

Das ist denkbar einfach und praktikabel, spart die Kosten für Kontrolleure komplett ein und reduziert das Schwarzfahrer-Problem auf ein Minimum. Doch die Verantwortlichen in Deutschland halten die Umsetzung für zu teuer – als würden nicht an allen Ecken und Enden tagtäglich Unsummen an Steuergeldern sinnlos versenkt. Gerade Lokalpolitiker schmücken sich doch so gern mit Prestigeprojekten. Hier wäre eins, von dem Millionen Menschen profitieren würden. Und der erste, der anfängt, würde die anderen zwingen, nachzuziehen.

Ein kostenloser ÖPNV für Arbeitslose und Geringverdiener wäre zudem ein sozialpolitisch sinnvoller Schritt, der gerade jene deutlich entlasten könnte, die am unteren Ende der sozialen Schere an allen Enden von steigenden Kosten belastet werden, während ihre Löhne meist stagnieren und der Mindestlohn ihnen, so er denn gezahlt wird, einen Lebensabend in Altersarmut zementiert. Wenigstens kostenlos mobil zu sein ist da keineswegs ein überzogener Wunsch. Aber selbst solche Modelle, die mit leichten Preissteigerungen für die Mehrheit locker finanzierbar wären gelten den Bedenkenträgern in Politik und Verwaltung als nicht machbar.

Das Autofahren müsste teurer werden

Stattdessen nun: Die Drohung der EU, ein Verfahren gegen Deutschland einzuleiten, sollten die Luftwerte in mehreren Großstädten ich nicht verbessern. Freilich ist Umweltschutz ein hehres Ziel. Doch die Idee, es würden mehr Menschen vom Auto auf Bus und Bahn umsteigen, wenn der ÖPNV nichts mehr kostet, ist abenteuerlich, um es mal vorsichtig auszudrücken.

Denn gerade in den Stoßzeiten hockt man doch lieber gemütlich im eigenen Auto als eingequetscht zwischen hunderten Pendlern in vermieften und andauernd verspäteten Straßen- und U-Bahnen. Zumal dann, wenn es doch funktionieren würde, die Taktzahl spürbar erhöht werden müsste. Damit dürften einige Städte erst recht überfordert sein (Hallo, Berlin!).

Nein, wer die Leute dazu animieren will, das Auto stehen zu lassen, der wird sein Ziel nur erreichen, wenn er das Autofahren teurer macht. Und zwar deutlich teurer. Das wäre so oder so der richtige Schritt. Aber das wird sich in absehbarer Zeit niemand wagen. Wer will sich schon mit der Autofahrerlobby und den Automobilkonzernen anlegen, diesen heiligen Kühen? Dabei wäre der Dieselskandal ein guter Moment, das endlich mal anzugehen…

von Gerrit Wustmann

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