Ärsche 

Der Männerarsch
Männerärsche sind meistens zu beschreiben, als zwei halbrunde Gesäßmuskeln, die sich durchs gehen abwechselnd anspannen und jeweils in den Vordergrund treten. Rechts, links, rechts, links. Der Marsch des arsch. Haufig ist dieser in ein locker anliegendes Beinkleid (jeans) gehüllt, was den Butt beinahe als bloßen Teil des Oberschenkels, bei manchen Hosen sogar des gesamten Beines vom unteren Rücken bis zum Schuh identifizieren lässt. So scheint ein Mann seinen Arsch beinahe bis zur Unkenntlichkeit zu tarnen.

Der Frauenarsch
Das Hinterteil einer Frau ist üppiger. Manchmal richtig rund, oval, einige Exemplare haben sogar die Form einer auf den Stiel gestellten Birne, wenn man den oberen eng zulaufenden Teil der Frucht als den Ansatz der Oberschenkel begreift. Manchmal wirkt es sogar, als wäre der Arsch ein unter der Hose angeschnalltes Assecoire, oder ein der Bequemlichkeit beim sitzen dienendes Hilfsmittel, also dem Körper nicht zugehörig sein. Beim Gehen bildet sich im Ansatz des hinteren Beins eine Einkerbung, die sogenannte Arschfalte auf der Seite des nachzuziehenden Standbeines. Diese wird aber nur unter folgender vorraussetzung für außenstehende sichtbar: Der PO muss in einem eng anliegenden Kleidungsstück (jeans) verhüllt sein,  und er darf nicht, von einem das gesäß bedeckendem Stoff verhüllt sein. Bei meiner Beobachtung ist mir aufgefallen, dass viele Frauen ein Kleidungsstück für den Oberkörper tragen, welches den Arsch praktisch bis genau zum Ansatz des Oberschenkels verhüllt. Ausserdem ist mir aufgefallen, das mir gegenüber eine junge Frau sitzt, die mir einen verständnislosen, Blick zuwirft.
Träumen realisieren
Was träumen sie denn da junger Mann?! hat man Ihnen denn das Träumen noch nicht ausgetrieben, Ihnen beigebracht, dass aus Träumen niemals Realitäten werden, wenn man nur so vor sich hin träumt?!

Wie sollen meine Träume denn Realität werden, wenn ich keine Träume habe, weil mir das träumen ausgetrieben wurde?! 

Jetzt träumen sie ja schon wieder! Ich bitte sie, wenn sie träumen wollen, dann machen sie das woanders, hier wird realisiert was real ist!

Sie können doch nicht realisieren was schon real ist, das müssen sie doch mal realisieren!

Sag ich doch! Also zurück an die Arbeit!

Whatsapp. Was für eine Shit Maschine.

Whatsapp. Ein menschenverachtender technischer Scheißhaufen. Hat in seinem Leben eigentlich schonmal einer versucht die Pro- Argumente mit denen der Contraseite aufzuwiegen und mal zu checken was sich eigentlich im Vergleich zum stinknormalen Telefongespräch geändert hat? Ne Menge und zwar nur Scheiße. Können Leute aufhören so zu tun als wäre jede technische Neuerung eine Eisenbahn?! Ich sitzte 30 Minuten vor jeder Nachricht, die sie mir schreibt und überlege wie ich sie mit meiner Antwort umhauen kann, wie ich noch einen draufsetzten kann, mit einem Kommentar, dass sie vor Cleverness, Eloquenz und vorzüglicher Rhetorik von dem Bett haut, auf dem sie sich gerade vor ihrem Spätabendsprogramm rekelt, angetan von profilierten Moderatoren im selbsternannten Spartenfernsehen und den geilen Arte-Dokus untermalt mit Melodien vom Zeitgeist aus der obersten Schublade. Ich möchte einfach nur der geilste und heftigste Autor bei Whatssapp werden. Schnell und schonungslos. Aber dann: gelesen ja, zwei Haaken ja, aber keine Antwort da. Gib einer Person doch mal Zeit zu antworten. Willsienicht? Kannsienicht? AAAAh.

Sprachnachrichten?! Endlose Mailboxerei. Hin- und her, kreuz und ungefär. Nachrichten jetzt auch gesprochen. Wie die Tagesschau nur privater. Nicht für jeden was dabei. Könnte auch langweilig werden. Werbung für Whatssapp: Man versuche mal ein Telefongespräch auseinanderzuschneiden. Da hätte man dann Spass dran. 

Keine falsche Nostalgie, kein Nachtflohmarkt, sondern auf jeden Fall nochmal die Wahrheit. Kennenlernen und Trennung über die Maschine und dazwischen eine lange Historie bedeutungsschwereloser Nachrichten. 

Türlich nutz ichs! Weil ich sie halt wieder treffen möchte, weil sie toll ist und weil die Zeit bis dahin halt irgendwie überbrückt werden muss, damit der LKW mit Fracht voller Liebe nicht liegen bleibt, damit der rote Faden des Eros nicht aus dem engen Nadelör entweicht. Ich hasse, dass ich es/sie liebe. Whatssapp was für eine Scheißmaschine.
Jungjournalist Ken Grothe zögert einen Moment bevor er auf Senden drückt und blickt für einen Moment nachdenklich aus dem Fenster. Hier von seinem Schreibtisch im 5. Stock seiner Altbauwohnung sehen die durch die Straße wieselnden Menschen ganz klein aus. Das einzige was sie von hier oben unterscheidet sind die unterschiedlich gefärbten und gemusterten Tshirts, die sie tragen, denkt er.
Sein Blick schweift zurück über den Bildschirm. "Ah Fuck!" Es war schon kurz vor 5. Er würde mindestens 15 Minuten mit dem Fahrrad zum Sportcenter brauchen, wo er mit Gernot zum Badminton verabredet ist. Schnell sendet er die Mail mit dem angehängten Artikel an seinen Redaktionsleiter ab, schmeißt Schläger und Sportsachen in eine Tasche und läuft los.
Später am abend setzt er sich noch ganz verschwitzt wieder an seinen Rechner. Er ist nervös, als er den Artikel schon online sieht. Sogar auf der Hauptseite, relativ weit oben. Aber klar. "Die jungen Leute lieben diese Texte, das sind einfache Klicks für unser Online-Blatt." hatte sein Redaktionsleiter beim letzten "Young-Magazine" Meeting gesagt. Und man hatte ihn ausgewählt, weil er praktisch alles über "Generation Y" gelesen hatte und schließlich gehörte er ja selbst dazu. Wer sollte also am ehsten wissen, was Menschen in seinem Alter antreibt.
50 km entfernt sitzt der 23-Jährige Musa Keruz und wirft kleine Steine in eine Metallwanne. In seinem Zelt hatte eine Familie versucht einen Topf Wasser über dem Toaster zu erhitzen, durch ein paar überschwappende Tropfen kam es dann zu einer starken Rauchentwicklung und das Gerät war völlig hinüber. Einige von den Freiwilligen kamen sofort rübergelaufen und forderten alle Bewohner mit wilden Armbewegungen auf, das Zelt zu verlassen. Jetzt sitzen sie hier und warten bis die Feueraufsicht den Toaster entfernt hat und grünes Licht gibt.
Aber Musa interessiert das alles nicht, er will gar nicht wieder ins Zelt. Um die Schwierigkeit seines Wurfspiels zu erhöhen, stellt er die Wanne jetzt etwas weiter weg. In viereinhalb Stunden darf er für 20 Minuten in den Computerraum, darauf freut er sich schon.
Als erstes schaut er in sein E-Mail-Postfach und ließt sich die Nachricht seines Cousins nocheinmal durch, die er vor 6 Tagen bekommen hatte. Er hatte bereits geantwortet, aber es könnte Wochen dauern, bis seine Tante mit den älteren Söhnen wieder in die Stadt fährt. Jetzt klickt er einfach nur so rum und landet auf einer deutschen Nachrichtenseite. Dort ist ein Artikel mit einem BIld, auf dem zwei Junge Menschen mit dem Cabrio in einen Sonnenuntergang fahren. Darauf hat man ein Fragezeichen montiert. Er versucht den Artikel zu lesen, doch sein Deutsch reicht lange nicht aus. Er versteht nur nur wenige Worte. Eine Frau mit einem Kind auf dem Arm tippt ihm auf die Schulter und gibt ihm zu verstehen, dass seine Zeit rum sei. Zurück im Zelt denkt Musa über seine Work-Life-Ballance nach.
Kilometer weiter sitzte ich am Schreibtisch meiner Mietswohnung und überlege, ob die Gegenüberstellung von Flüchtlingen und derartigem Popjournalismus nicht zu plakativ ist. Nur weil ich die Menschen aus dem 1. Stock betrachte, bin ich ihnen ja nicht unbedingt näher. Und auch habe ich mich noch nicht wirklich für Flüchtlinge eingesetzt. Warum also jetzt dieser direkte Vergleich?
Vielleicht instrumentalisiere ich hier auch eine Gruppe von Menschen. Aber nein, wer derart simple Verallgemeinerungen tätigt, der kann auch mit solch simplen Vergleichen konfrontiert werden. Ich überlege noch einen Moment lang, drücke dann aber auf abesenden.


Hitler würde Medienwissenschaft studieren

Die Vernissage ist schlecht besucht, unglaublich viele Menschen stehen vor der Tür und erzählen zu viel, zu viele. Das Tor zur Kunst wird von jungen Männern mit individuellen Schuhen bewacht.  Fussballer haben oft ausgefallene Frisuren, damit sie sich von den anderen Spielern auf dem Platz unterscheiden. Ich hab noch Bier.

„Kannst du das Bier bitte draußen lassen, vors Tor stellen oder so?“

Eure Kunst, eure Regeln. Ich bin nur Gefangener. Unten gibts dann ja auch Sekt umsonst und viel zu viel Freiraum, oder?

Die Bilder hängen in 1,5 Meter Abständen auf immer gleicher Höhe. „Schön akkurat“, singt einer meiner Begleiteten den neuen Song eines kürzlich bekannt gewordenen Elektrokollektivs.

Bei dem vierten Bild gefällt mir die weiße Wand dahinter sehr. Beim fünften werde ich aber ziemlich stark geblendet und sehe deswegen für eine Zeit lang nichts.

Als ich wieder zu mir komme, steht ein schwarz gekleidetes Mädchen mit schwarzen Haaren vor mir und fragt mich nach dem Weg zu Subjektiver Ehrlichkeit. Ich nehme an, dass das der Titel eines hier ausgestellten Kunstwerks ist und zeige mit meinem ausgestreckten Mittelfinger auf ein Bild im hinteren Teil des Raumes. 50% der Leute haben sicher einfach den Wikipedia-Eintrag von Vernissage auf Facebook geliked. Bestätige ich mich gedanklich.

Doch dann falle ich hin und keiner hilft mir hoch. Ich bin wütend und schreie: „Hitler würde auch Medienwissenschaften studieren.“ Doch kurz darauf fällt mein Studentenausweis aus meiner Tasche und einer der Besucher merkt an, dass wir dann ja Kommilitonen sein würden. Ich sage überrascht, dass das wohl stimme. Und überlege mir wie ich mich ihm gegenüber am besten Verhalten würde.

Beim Verlassen der Vernissage frage ich eines der Mädchen in schwarz noch, ob es öfter vorkommt, dass man sich auf einer solchen Veranstaltung verliebt. Sie winkt genervt ab und ich komme nicht mehr dazu, ihr zu sagen, dass ich mich hier und heute in subjektive Ehrlichkeit verliebt hätte, aber noch nicht genau wüsste, ob ich vielleicht nur das Bild davon ganz süß finde.

Weil der Akku meines Handys alle ist, like ich den Wikipedia-Eintrag von Vernissage bei Facebook und bestelle mir neue Schuhe erst, als ich zuhause ankomme.


Sie klingelt und ich öffne ihr die Tür. Ich küsse sie gar nicht erst, um ihr das Gefühl zu geben, dass das alles in Ordnung für mich und sie mir nicht so wichtig sei. Sie kommt rein und wir gehen in mein Zimmer.
 

„Wie wars gestern noch?“


„Gut, Svenja war auch da. Bin erst um 5 wieder hier gewesen. Was hast du noch gemacht?“


„Ich war mit Hannes, Julia und Lennart unterwegs, bisschen was trinken.“


„Scheiß Schlampe“, denke ich. Man kann doch als Mensch erwarten, dass man sich wenigstens ein Tag vorher nochmal frei nimmt, nochmal drüber nachdenkt, sich vielleicht mit den Eltern oder dem Psychotherapeuten darüber ausspricht. 


Dann ist es soweit, ich sehe das an einer Ernshaftigkeit, die jetzt die Züge ihres Gesichts erfasst. Wir sitzten nebeneinander auf der Bettkante und sie leitet ein. 


„Ich gehe jetzt ins Ausland und ich denke es wäre vielleicht gut,..."

Ich drifte ab. Gut? Was wäre denn daran gut? Nichts wäre daran gut. Gut ist das gewesen, was uns hier her gebracht hat.

"...wenn wir dann erstmal nicht mehr miteinander sind. Für uns beide ist es sicherlich besser.“


„Zieh mich da nicht mit rein, das ist ein abgekartetes spiel!“, sage ich sofort. Sie erschießt mich und hinterher soll ich glauben, dass hätte sie alles für mich gemacht. „Fuck her!“, denke ich jetzt, finde das aber sofort megaalbern.


Nach einer Weile fängt sie an zu weinen. Find ich nicht gut, ich versuche hier gerade zu ermitteln, was sie mir hier gerade antut. Ich selbst will nicht weinen. Ich will dass sie denkt sie würde mir nicht viel bedeuten, dass ich sogar erleichtert wäre. Soll sie doch ruhig aber ich werde ihr den Gefallen nicht tun.


Dann fange ich an zu heulen, denn sie nimmt meinen Kopf und drück ihn ganz fest an sich. Sie macht das sicher nicht zum erstenmal, sie weiß genau, wie man das macht. Und das muss ich jetzt am eigenen Leib erfahren denn Ich heule jetzt, wie meine Oma, als ihr das iPad auf den Fuss gefallen ist, nachdem sie versucht hat über Wikipedia mit ihrer Urenkelin zu skypen. Tiefes Schluchzen. Ich weine gelegentlich, aber immer mit dem Gefühl, dass die Tränen den Schmerz lindern.


Das war genau ihr Plan. Mich zum heulen bringen, zusammen weinen, um dann direkt abzuschließen. Sie ist so kalt, sicher hat sie Taschentücher und Maskara mitgebracht, entschuldigt sich gleich kurz und zieht dann ihren Liedstrich nach. Jetzt denke ich wieder „Schlampe“, aber dieses mal "kalte Schlampe".


Nach ca. 3 Minuten ist das ganze aber schon wieder interessant merkwürdig. Eben noch aus vollem Herzen geheuelt, komm ich mir jetzt blöd dabei vor, wie wir hier liegen und so tun, als wären wir für alle Zeiten ruiniert. Ich schaue mal vorsichtig zu ihr hoch, sie ist aber noch mit fantastisch leidendem Gesichtsausdruck dabei.


Ich liebe sie, dafür dass sie mich verlässt, denn ich liebe sie und auch alles was sie macht, weil ich liebe sie.
Die Lampe simbolisiert mein Lebensglück, je stärker es mir ins Gesicht leuchtet, desto eher bin ich davon betroffen.



Alle ziehen sie an mir vorbei, während ich knietief in der Scheiße hocke und nach dem Anfang des roten Fadens suche, den man mir damals versucht hat zu reichen:“ Wenn du ganz doll dran fest hältst und immer auf dem richtigen Pfad bleibst, kann dir nichts passieren, Tim.“ Ich traute dem Angebot nicht, waren diejenigen, die es unterbreiteten doch dieselben die damals schon mehr gestöhnt als gefickt haben. Und jetzt sehne ich mich nach Frauen mit starken Schultern, Währungsstabilität und kirchlich getrauten Eheverträgen.