Mittwoch, 20. Mai 2015

Dienstag 01.11.16 - Teil 3

Wir hatten Glück mit den Gleisschaltungen. Wahrscheinlich weil der Zug unmittelbar vor dem Angriff abfahren sollte. Gemächlich rollten wir aus der Bahnhofshalle. Wir folgten der Trasse, die aufgrund von Lärmschutzbestimmungen wie ein trockenes künstlich angelegtes Flussbett wirkte. Anfangs verfolgten uns die Zombies. Als wir jedoch an Fahrt gewannen verloren sie uns schnell. Würden sie uns trotzdem verfolgen, vielleicht den Gleisen folgen? Erst jetzt merkte ich, dass unser schöner Plan eine gewaltige Schwachstelle besaß. Würde unsere Flucht die Zombies aus dem Bahnhof locken und ins besiedelte Umland treiben? Welchen Preis würde unser Ausbruch haben? Unterstützten wir die Monster in ihrem Bestreben sich in ganz Frankfurt auszubreiten? Eine weitere Ausbreitung mochte ich mir nicht ausmalen.

Mein Funkgerät heulte. Überrascht meldete ich mich. „Ja?“
Es knackte vernehmlich. Im Hintergrund hörte ich schwere Maschinen – wahrscheinlich Motoren – laufen. „Hier ist Leutnant Karl Immhof. Sie nähern sich mit einem Zug unserem Quarantäneposten. Drosseln sie das Tempo umgehend und bleiben sie an der roten Markierung stehen. Andernfalls werden sie und der gesamte Zug vernichtet.“ 
Mir stockte der Atem. „Sie sind von der Bundeswehr?“ 
„Ja! Drosseln sie sofort das Tempo und bleiben sie an der roten Markierung stehen. Andernfalls werden sie und der gesamte Zug vernichtet.“ 
„Aber wie“, brachte ich hervor, doch er unterbrach mich rüde.
 „Halten sie endlich den verdammten Zug an. Wir haben hier drei Leopard-Panzer stehen. Sollten sie ihnen zu nahe kommen, werden diese ihren Befehlen gemäß handeln!“ 
Das wirkte. Ich durchbrach meine Verwirrung und betätigte das Bremssystem. Zuerst nur auf der Einstellung LEICHT, fuhr ich die elektrischen Bremsen langsam höher. Eine weit geschwungene Kurve später kam der Posten in Sicht. Die Trasse war verbarrikadiert. Etwa zwanzig Meter hinter einer roten Reihe von Straßenbauhütchen hatte man alle Schienen entfernt. Stattdessen waren sie quer zur Fahrtrichtung eingebettet um einen möglichen Durchbruch mit dem Zug zu verhindern. Es folgten drei Reihen sternförmige Panzersperren, Stacheldraht und dahinter die Panzer in Dreieckformation. Ihre Mündungen zeigten allesamt auf mich. Auf beiden Wänden des künstlichen Flussbetts hockten zwanzig bis dreißig Soldaten. Ihre Waffen zielten auf den Zug. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals. Mir fiel das Funkgerät wieder ein. „Es wäre schön, wenn sie ihren Leuten befehlen würden, nicht auf uns zu schießen.“
„Tut mir leid, wir haben unsere Vorschriften. Kommen sie mit erhobenen Händen aus der Lok. Legen sie sich auf den Bauch, dass Gesicht nach rechts und strecken sie alle Viere von sich.“ 
„Was ist mit den Menschen in den Wagons“, wollte ich wissen.
„Wir werden sie anschließend befreien. Stellen sie sich auf eine umfangreiche medizinische Untersuchung ein.“ Damit war für Immhof die Sache erledigt. Ich tat wie mir befohlen. 
Eine halbe Stunde später wurden wir mit einem Gefängnisbus in die nächste Klinik gefahren. Eine Stunde später fand ich mich in der Mensa der Klinik wieder. Vor mir ein heißer Teller Gulaschsuppe und ein älterer Soldat. „Gibt es noch andere Überlebende“, fragte ich, während ich die Suppe genoss. 
Er schüttelte den Kopf. „Außer Ihrer Gruppe hat es niemand geschafft. Sie sind die einzigen Überlebenden und deshalb benötigen wir von ihnen alle Informationen, die sie uns geben können.“ 
„Kein Problem“, erwiderte ich. „Aber wie haben sie von uns erfahren? Woher wussten sie, wie sie mit uns Kontakt aufnehmen konnten?“ 
Er lächelte verschmitzt. „Ein vorgeschobener Spähtrupp meldete einen Ausbruch. Einen Zug mit drei Wagons. Da wir in Krisenzeiten Mittel haben den Funkverkehr zu überwachen, bereitete uns dies keine große Mühe. 
„Big Brother is watching you“, murmelte ich. 
Er lachte breit. „Das gehört zu unseren Aufgaben. Stellen sie sich mal vor wie blind wir auf einem Schlachtfeld wären ohne diese Fähigkeit.“ 
In den nächsten zwei Stunden erzählte ich ihm alles, sogar mehrmals. Ich ließ nichts aus. Als wir fertig waren sank ich erschöpft auf meinem Stuhl zusammen. Er packte seine Papiere zusammen und erhob sich. Dann schaute er mir ernst in die Augen. „Sie haben heute zweiundzwanzig Menschen das Leben gerettet. Das war sehr mutig.“ Er salutierte vor mir und ging. Träge erhob ich mich und schaffte es gerade noch in mein Zimmer. Dort fiel ich in mein Bett und schlief sofort ein.

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