Eine schöne Qualle
Aus der Forschung, Schlaf

Warum schlafen wir? Studie entdeckt revolutionäre Erkenntnisse!

Wir haben hier bereits die Frage „Was ist Schlaf?“ besprochen und die aktuellen wissenschaftlichen Ansichten erklärt, aber eine im Oktober 2017 veröffentlichte Studie stellt das alles in Frage.

Worum geht es in der Studie über Schlaf?

Die drei Doktoranden Ravi Nath, Michael Abrams und Claire Bedbrock untersuchten zusammen mit ihrem Team an der Caltech (California Institute of Technology), ob Mangrovenquallen (Cassiopea) schlafen. Da man bis dato nicht wusste wie Quallen schlafen und man diese auch nicht danach befragen kann, mussten die Forscher Schlaf für diese Untersuchung definieren. Die Definition erfolgte über drei Aspekte.

    • Die Qualle ruht sich zeitweise aus und zeigt in dieser Phase eine geringere Aktivität.
    • Außerdem reagiert sie während dieser Phase langsamer und weniger auf Außenreize
    • Schlafentzug führt zu einem Wunsch nach Schlaf und Dauermüdigkeit

Zusätzlich wurde noch beobachtet, ob ein zirkadianer Rhythmus zu erkennen ist und ob dieser von Licht beeinflusst wird.

Wie verfolgen sie diese Ziele? (Versuchsaufbau)

Das erste Ziel ist es zu beweisen, dass Quallen zeitweise eine geringere Aktivität zeigen. Dazu überwachen die Forscher 23 Quallen sechs Tage und Nächte lang mit Hilfe von Videokameras. Zeigen sich Phasen der Inaktivität, dann wird durch Fütterung oder Anstubsen überprüft, ob es sich dabei um Schlaf oder um ein Koma handelt.

Die Testung der gesenkten Reaktionsfähigkeit erfordert eine recht gemeine Methode. Die getestete Quallenart liebt es auf dem Kopf liegend am Boden zu verweilen. Die Forscher haben deswegen eine Umgebung geschaffen in der die Qualle auf einer entfernbaren Platte liegt. Sobald die Forscher merken, dass diese eingedöst ist, wird die Platte entfernt und beobachtet wie viel Verwirrung das arme Tier zeigt, bevor es zielstrebig zum Boden des Gefäßes schwimmt.

Abschließend soll noch die Auswirkung von Schlafentzug getestet werden. Damit die Quallen vom Schlafen abgehalten werden, gibt eine technische Einrichtung nachts alle 20 Minuten (für 6 oder 12 Stunden, je nach Testgruppe) einen lästigen zehn Sekunden dauernden Wasserstoß ins Becken ab. Die gemessene Aktivität am Folgetag zeigt, ob sich Müdigkeit durch diese Störung einstellt.

Welche Erkenntnisse konnten gewonnen werden?

Wie zu erwarten war, zeigen Quallen nachts eine Phase, in der sie sich deutlich weniger bewegen (-30%). Wird ihnen in dieser Phase der Boden unter den Tentakeln entfernt, dann schweben sie zunächst verwirrt umher und versuchen sich zu orientieren. Zusätzlich reagieren sie am Folgetag nach einer Nacht Schlafentzug mit einer gesenkten Durchschnittsaktivität, was auf eine Grundmüdigkeit schließen lässt.

Die Mangrovenqualle hat kein Gehirn, schläft aber auch!

Zufällige Seitenergebnisse sind die Erkenntnisse, dass Quallen ebenfalls einem zirkadianen Rhythmus, auch in völliger Dunkelheit, folgen und auf Melatonin ebenfalls mit Müdigkeit reagieren.

Zum besseren Verständnis: Wie funktioniert die Impulsweiterleitung bei Nerven?

Quallen besitzen kein Gehirn, sondern lediglich ein rudimentäres Nervensystem. Die Impulsweiterleitung funktioniert sowohl elektrisch als auch chemisch.

Die vielen Impulseingänge einer Nervenzelle erhalten chemisch über Botenstoffe, die Signale „Tore öffnen“oder „Tore schließen“. Beim Öffnen der „Tore“ (Ionen-Kanäle) fließen Natrium-Ionen ins Innere der Zelle und überlagern die positiv geladenen Kalium-Ionen. In der Folge kommt es zu einer Depolarisation über einen bestimmten Schwellenwert (-70 mVolt). Diese Ladungsveränderung schiebt sich – wie beim Umpolen von Magneten – in Windeseile das Neuron entlang, erreicht dessen Ausgang und führt zum Ausstoß der Botenstoffe in den Synaptischen Spalt in Richtung des nächsten Neurons.

Nerven leiten Informationen sowohl elektrisch als auch chemisch weiter.

Nun erfolgt der gleiche Prozess bei der nächsten Nervenzelle. Abschließend verschieben die Natrium-Kalium-Pumpen am Eingang der sendenden Nervenzelle Natrium und Kalium wieder auf die jeweils andere Seite der Membran und stellen somit die Feuerbereitschaft wieder her.

Was ist das Revolutionäre für die Sicht auf Schlaf?

Bisher wurde Schlaf als Reinigungs- und Regenerationsprozess für das Gehirn gesehen. Die Ergebnisse zeigen, dass Schlaf älter als das Gehirn ist. Zusätzlich sagt Ravi D. Nath selbst, dass Schlaf sich wohl ursprünglich für Neuronen entwickelt habe.

Nach dem Schreiben der Zusammenfassung der Impulsweiterleitung erscheint mir diese Sichtweise sehr logisch, da die Natrium-Kalium-Pumpen sicherlich deutlich effizienter arbeiten können, wenn der gesamte Organismus in Ruhe ist. Mir drängt sich der Vergleich zur Deutschen Bahn auf, die nachts die Möglichkeit hat liegengebliebene oder fehlende Züge zu den jeweiligen Ausgangsbahnhöfen zu rangieren oder kaputte Gleise zu ersetzen.

Aktive Elemente, wie Natrium-Kalium-Pumpen, benötigen sicher ebenfalls eine Wartung. Wenn diese stückweise ausfallen, dann werden weniger Impulse übertragen (fehlende Natrium-Ionen) oder müssen über „Seitenstrecken“ geleitet werden (ausgefallene Pumpen) und kommen erst verzögert am Ziel an. Das könnte man als Müdigkeit interpretieren. Falls jemand Untersuchungen zu dieser These kennt, dann würde ich mich sehr über Hinweise diesbezüglich freuen.

Mir stellt sich auch noch die Frage, ob man das Gehirn nicht als eine Ansammlung von Nerven in einen Schädel gepresst sehen könnte? Denn dann wäre das Revolutionäre „lediglich“ die Anpassung der Sichtweise auf das Gehirn als eine Ansammlung von Nerven, im Gegensatz zum Gedanken, dass das Gehirn etwas Besonderes sei, das sich wie ein Organ entwickelt hat.

Ist das Gehirn lediglich ein „Sicherungskasten“ in dem alle Leitungen zusammenlaufen?

Dieser Gedanke erinnert mich an die revolutionäre Erkenntnis der Behavioristen * als Experimente zeigen, dass Ratten den Ausgang eines zu Fuß auswendig gelernten Labyrinths auch noch finden, wenn man das Labyrinth flutet und die Ratten gezwungen werden zu schwimmen.

Das war damals „revolutionär“, weil man der Meinung war, dass Laufen und Schwimmen unterschiedliche Verhaltensmuster benötigen und somit beides Mal einzeln erlernt werden müssten.

* Eine lernpsychologische Gruppierung, die an Lernen durch eine Reiz-und-Reaktion-Kette des Verhaltens glaubt.

Fazit

Das Gehirn scheint für den Schlaf doch nicht die ursprüngliche Steuerungseinheit zu sein. Die Schlafforschung bleibt also spannend! Besonders interessant sind die Verbindung Qualle-Mensch, die über die Schläfrigkeit erzeugende Auswirkung von Melatonin hergestellt wurde und die offensichtlich nötige Anderung der Sichtweise auf das Gehirn.

Weiter gegriffen bleibt die Frage wie der Mensch seine Gedanken und sein Verhalten „steuert“? Was im Gehirn erzeugt willentliche Signale im Gegensatz zur Verarbeitung von Außenreizen? Was unterscheidet uns von einer Qualle?

Ich wünsche erholsamen störungsfreien Schlaf und bin gespannt auf Ihre Rückmeldung!

Thorsten von Bettdecke.de

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