Montag, 17. September 2012

Die Gretchenfrage


„Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“ fragt Gretchen den lieben alten Faust beim ersten Date und obwohl die Bekanntschaft zu eben jenem ihrer Gesundheit bekanntlich höchst abträglich sein wird, weil er ein ziemlich notgeiler Wichser ist, muss man doch fragen: Hat er da nicht recht, der Doktor Faustus, trotz aller seiner Fehler, wenigstens in diesem einen Punkt? Ist es nicht vernünftig, von der Religion nichts zu halten, zumal wenn man "ein herzlich guter Mann" ist? (Epic Fail, liebes Gretchen)

Natürlich ist es das, sagt der aufgeklärte Mann von der Straße. Schauen wir doch nur einmal in die Nachrichten: Ein scheinbar eher schlecht gemachtes Mohammed-Filmchen treibt die muslimische Welt auf die Straße, was sogar soweit führt, dass Kreuzfahrtschiffe, diese letzte Bastion westlicher Kunst und Kultur, einen großen Bogen um die gefälschten Gucci-Gürtel auf den Märkten von Algier machen müssen. Das muss man sich mal vorstellen! Überhaupt, diese Muselmannen. Gähn. Kommt einem die Story nicht irgendwie bekannt vor? Irgendwas unschmeichelhaftes über Mohammed in Bild oder Ton aus dem Westen und automatisch machen sie heute a bisserl früher Schluss auf der Arbeit, kaufen sich auf dem Nachhauseweg eine hübsche blau-weiße Flagge (nein, nicht die griechische...) und veranstalten ein munteres Lagerfeuer. Das ist dann bei Licht betrachtet auch alles ein bisschen sinnlos und nützt niemandem, außer vielleicht der skrupellosen, langfingrigen israelischen Flaggenindustrie.

(Für alle, die ihre Kenntnisse über den Islam im Folgenden noch rasch aufbauen oder vertiefen möchten, macht dir hier nochmal mein Lieblingskonvertit Pierre Vogel den Islam in 30 Sekunden. Kann auch nicht jeder.)

Also alles ein muslimisches Problem?  Eines, dass sich nur daraus ergibt, weil der Islam unfähig ist, sich den Gegebenheiten der modernen Freiheitsgesellschaften anzupassen, selbst wenn das bedeutet, diverse Schmuddelfilmchen und nicht besonders witzige Karikaturen über sich ergehen lassen zu müssen? Dieses Argument hört man hierzulande sehr oft, gerade, aber beileibe und leider Gottes nicht nur aus der Obstabteilung der deutschen Politik. Der Erfolg des sturzlangweiligen Buchs von Dauer-Facepalm Sarrazin, das zum Bestseller avancierte, obwohl es keine Sau tatsächlich gelesen hat, beweist nicht etwa, dass er Recht hat, sondern nur, dass hier etwas deutlich im Argen liegt. Eine schier unüberbrückbare Kluft hat sich in den letzten elf Jahren aufgetan, zwischen dem ach so aufgeklärten Orient und dem ach so abgründig rückständigen Orient. Wirklich?

Naja. Zuerst einmal muss aller Fairness halber angemerkt werden, dass die westliche Kultur, die jetzt schön von oben herab den (600 Jahre jüngeren) Islam für seine Rückständigkeit verurteilt, Schmankerl und Bonmots wie Kreuzzüge und Judenhass in General erfunden hat und vielleicht, aber nur vielleicht, auch nicht alles kulturell richtig macht und man vielleicht, aber auch nur vielleicht, auf den verrückten Gedanken kommen könnte, andere Sitten und Kulturen zu respektieren statt wiederholt zu verletzen. Man kann sich also vielleicht gütlich darauf einigen, dass der Islam dann doch nicht an ALLEM Übel dieser Welt schuldig ist? Och Menno. Aber irgendjemanden wird man doch wohl noch verantwortlich machen dürfen!


Natürlich darf man. Der Doktor Faustus des 21. Jahrhunderts und der wohl ekelhaft selbstverliebteste Mensch seit Adonis himself, Richard Dawkins (schmeichelhaft von seinen Freunden auch Darwins Rottweiler genannt) ändert wenig an der Ausgangslage, geht aber direkt in die Oberliga. Islam, pff, Religion an sich ist das Problem, konstatiert er vollmundig in seinem Bestseller "Der Gotteswahn":



„Stellen wir uns doch mit John Lennon mal eine Welt vor, in der es keine Religion gibt – keine Selbstmordattentäter, keinen 11. September, keine Anschläge auf die Londoner U-Bahn, keine Kreuzzüge, keine Hexenverfolgung, keinen Gunpowder Plot, keine Aufteilung Indiens, keinen Krieg zwischen Israelis und Palästinensern."


Super oder? Klingt alles ziemlich logisch und ist auch ganz hübsch geschrieben, mit Lennon und so, voll poetisch und so, lalala imagine. Schade, dass es Bullshit Unfug ist. Dawkins suggeriert, dass eine Welt, in der die Religion (gerne auch zwangsweise) abgeschafft werden würde, automatisch eine friedliche seien werde, weil sich die Konfliktpotentiale erübrigen würden. Ach Richard, where art thou? Du bist doch so eine Art Biologe, dann müsstest du doch auch wissen, dass Menschen von Natur aus dämlich und habgierig sind und territoriale und ökonomische Konflikte sich mit Sicherheit einen anderen Deckmantel suchen würden, um ihr Pulverfass zu entzünden. Dann ists halt nicht mehr die Konfession, sondern die Intimhaarfarbe oder so. Und nur mal so ganz nebenbei: Der gute alte aufgeklärte Westen (ja, der mit dem Islambashing) hat die eine oder andere religionsfreie Gesellschaft hervorgebracht, die zwar von ganz schön coolen Schnurrbärten angeführt wurde (wieder voll im Trend!), die halt aber dafür irgendwie mehr Menschen auf dem Gewissen hat wie so manche vollwertige Religion.

Also was tun? Mit geht offensichtlich nicht, ohne aber irgendwie auch nicht. Staatsreligion? Religionsfreiheit? Laizismus? Atheismus? An dieser Stelle muss leider ein bisschen graue Theorie rein: Deutschland ist (noch) ein Staat mit sogenannter positiver Religionsfreiheit, das bedeutet prinzipiell sind Religions- und Glaubensgemeinschaften auch im öffentlichen Raum willkommen, aber - und jetzt kommt das aber, nur dann, wenn das Ringelreihentanzen, was sie veranstalten, mit dem Grundgesetz d'accord geht. Und das wars dann auch schon. So einfach ist das, würde es denn funktionieren. Der Staat und die Gesellschaft akzeptiert den Spleen von Jesus-, Mohammed- und Buddha-Freaks, während ebenjene halt den guten alten Staat akzeptieren. Diese Offenheit und beiderseitige Verpflichtung - und keine Intoleranz von privater oder staatlicher Seite aus (ja, auch du mein Sohn Frankreich) - macht eine moderne Gesellschaft aus.

Das war jetzt ein schwerer Brocken und naturgemäß kann man bei einem so diffizilen Thema nicht davon ausgehen, dass der gemeine Sprechgesangsartist dazu besonders viel intelligentes gesagt hätte. Haftbefehl zum Beispiel hat ein, wie soll man sagen... etwas simples Lied zum Thema Palästinakonflikt gemacht, das aber eine so uuuunglaublich gute Line enthält, dass man über alles andere gütlich hinwegsehen kann und sich das Lesen des ganzen oberen Textes eigentlich hätte sparen können:



"Mensch ist Mensch, egal ob Isaak ob Ismael."



In diesem Sinne ist dann eigentlich doch alles in Ordnung.




Hier gehts zum Sprechgesangsartisten der Woche:

Donnerstag, 30. August 2012

Dann geh doch mal rüber in die Favela



Deutschland, das ist ja nun auch kein Geheimnis, muss ein ganz und gar furchtbares Land zum Leben sein. Eines, in dem die Grauen Herren von Momo definitiv noch zu den cooleren Motherfuckern gehören würden. Eines, in dem das Wetter schlecht, die Frauen hässlich und das Essen mies ist. Kurz, ein Ort, wo kein vernünftiger Mensch jemals leben wollen würde, wenn er denn eine Wahl hätte. Und dummerweise hat man die in der Regel nun mal nicht. Also Frust rauslassen und klarstellen: Überall bitte - nur nicht hier. Wer das so sieht? Anscheinend alle, denn laut aktuellen Umfragen erreicht der Zufriedenheitswert der deutschen Bevölkerung auf einer Skala von 100 Punkten ernüchternde 42,4. Das ist dann natürlich schon ein vernichtendes Urteil, selbst in einer Liga, in der sich sonst nur noch auserlesene Länderperlen wie Kirgistan tummeln, wo das Schafeficken noch zum guten Ton gehört. (An dieser Stelle sei auch ein wenig Selbstkritik angebracht: Nicht einmal die von mir so verehrten Sprechgesangsartisten machen bei dieser allgemeinen Nörgelei eine Ausnahme, im Gegenteil gehören sie im Regelfall zu jenen, die alles und jeden hierzulande, besonders aber den Staat, die Polizei, die Politiker, die Frauen und die Spießerz außerordentlich beschissen finden. Allerdings mag man ihnen diese Verbissenheit nachsehen, kommen sie doch in der Regel aus beliebten Urlaubs- und Naherholungsgebieten wie Kurdistan, Iran oder Srebrenica - und dass Mitteleuropa im direkten Vergleich dagegen abstinkt, ist ja wohl mehr als nachvollziehbar.)

Warum aber finden es alle hier bloß so unlebenswert? Das lässt sich schnell beantworten. Das Leben hierzulande, das sei nunmal kein Leben, heißt es. Immer nur Arbeit, Arbeit, dabei weiß man doch nicht erst seit Deichkind, dass die volle Kanne nervt. Und es kommt ja noch schlimmer: Die Hälfte des erwirtschafteten Geldes kriegt Vater Staat, das Benzin wird immer teurer und ehe man sichs versieht steht man mit einem Bein im Grab und hat Rücken. Ein Leben, nein, dass ist das wirklich nicht. Wie viel besser haben es da unsere Freunde anderswo, in Spanien oder noch besser in Südamerika. Die (Achtung, geistreiches Bonmot!) leben nicht um zu arbeiten, sondern die arbeiten, um zu leben. Die lassen auch mal Fünfe gegen Willy Grade sein, die Stechuhr ausgestellt, das Mittagspäuschen ausgedehnt. Savoir Vivre, wie der Erbfeind de Franzos sagen würde. Im Ggegensatz zu uns wissen die einfach, wie man lebt. Und ach, wie schmerzlich wird uns das bewusst, wenn wir für zwei erbärmliche Wochen im Jahr an den Strand entfliehen, nur um uns selbst vor Augen zu führen, wie viel besser es der spindeldürre brasilianische Hilfsarbeiter in seiner Wellblechhütte hat, der "mit ganz ganz wenig zufrieden ist", während wir selbst vor Konsum und Materialismus ersticken. Oder wenn wir, abenteuerlustig wie Indiana Jones (und natürlich mit Reiserücktrittsversicherung ausgestattet) ein Jahr zwecks Selbstfindung nach Chile aufbrechen, um auf unserem Facebookprofilbild mit kleinen, putzigen Aidswaisen zu posieren und nach der Rückkehr feststellen, dass wir uns nicht mehr einfügen können in die Tristesse des Roboterlandes, denn man fühlt sich nun doch "jetzt mehr wie ein richtiger Chilene". Es ist dieser unschlagbare Reiz des Anderen, des Fremden, des Aufregenden, der uns stets aufs neue so klein und minderwertig fühlen lässt.

Diese romantische Verklärung von fremden Ländern und Kulturen ist nicht neu, denn schon unser liebster Kinderficker seit Wolfgang P. schöpfte einen Großteil seiner kreativen Schaffenskraft aus seinen berühmt-pornösen Italienreisen. Aber leider lässt sie einen klitzekleinen Aspekt außer Acht: Die Realität. Nur weil wir denken, der Südamerikaner an sich (es gibt doch keinen schöneren Rassismus als den ethnischen Singular) ist vollends zufrieden, wenn es bei der Grundversorgung etwas einfacher zugeht, heißt das nicht, dass er es auch ist. Vielmehr bedeutet das, dass er sich mit seiner Situation arrangiert hat und vielleicht, aber auch nur vielleicht, seinerseits neiderfüllt über den großen Teich blickt und sich nach Deutschland wünscht. Wenn in Spanien jeder zweite Jugendliche arbeitslos ist (und da gibts kein Hartz IV), dann hängen die nachmittags nicht savoir-vivre-mäßig auf der Straße rum und betrinken sich, weil sie "eben wissen wie man lebt", sondern, weil sie nichts anderes zu tun haben. Das sind Länder am wirtschaftlichen Abgrund und wenn man ein ganz klein wenig ehrlich ist, dann geht es Deutschland (und damit uns) auch deswegen so gut, weil hier eben alles ein wenig spießiger zugeht und Steuernzahlen nicht nur theoretisch praktiziert wird. Zugegeben, das klingt langweilig und ziemlich uncool. Das klingt nach dem dicken Jungen mit der Brille, der früher von den Footballspielern in den Spind gestopft und um sein Milchgeld erleichtert wurde. Und genau das ist es auch. Aber den Preis muss man für einen der höchsten Lebensstandarts überhaupt dann eben zahlen und wenn man sich so im Rest der Welt umschaut, dann muss ich sagen, hey, ist okay, den zahl ich. Gibt Schlimmeres. Es soll Leute geben, die würden dafür töten, unsere Probleme zu haben.

Aber bevor jetzt irgendjemandem einfallen sollte, gleich in tumbe Deutschtümelei zu verfallen, gilt es  klarzustellen: Nicht alles von drüben ist automatisch schlecht. Mir fallen mindestens fünf Millionen Dinge ein, die in besagten Ländern wirklich besser sind und es gibt keinen Grund, das zu verheimlichen. Denn nicht alles, was von hier kommt, ist natürlich automatisch geil (zum Beispiel dem guten alten Hitler seine Autobahnen, der nach neuesten Erkentnissen übrigens so krass inzestiös gezeugt wurde, dass er in jedem größeren europäischen Königshaus eine Traumkarriere hätte starten können). Und ja, ein bisschen mehr Lockerheit stünde uns auch ganz gut zu Gesicht. Aber wenn die bei der ständigen Nörgelei und Unzufriedenheit mit dem eigenen Schicksal anfangen würde, dann wäre das vielleicht nicht der dümmste Anfang.

Und bevor es jetzt zu schwul pathethisch wird, lassen wir es gut sein und überlassen die abschließenden Worte den großen deutschen Poeten und Sprechgesangsartisten der Woche, Sonny Black & Frank White, die vor fast zehn Jahren einen der besten Deutschrapklassiker aller Zeiten mit dem passenden Titel "Vaterland" geschaffen haben. Die inhaltliche Aussage ist zwar gleich null und der stinknormale Representertrack hat bis auf den Titel überhaupt nichts mit unserem Thema zu tun, aber leider Gottes gibt es dazu rapmäßig nur undifferenzierten Scheiß zu finden. Naja, auch Sprechgesangsartisten haben blinde Flecken.


Hier gehts zu den Sprechgesangsartisten der Woche:


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Sonntag, 19. August 2012

Vorsicht mit der Seife


Erst kürzlich verschreckte Präsident Osama in den Vereinigten Staaten einen nicht unbeträchtlichen Teil  der inzuchtgeschädigten Dorftrottel bibelfesten Patrioten im Mittleren Westen durch seinen Vorstoß in Sachen Legalisierung der Homo-Ehe ernsthaft (das sind aber auch zarte Pflänzchen, diese Kartoffelkrautfarmer). Zum Glück dauerte es aber nicht lange, bis einer der führenden Intellektuellen des Landes, Fastfoodkettenpräsident und hässlicher Glatzfink Dan Cathy seine Stimme erhob, um eines klarzustellen: Wer gegen Gottes ehernes Gesetz (Ehe = Mann und Frau und so) verstößt, indem er männerbasierten Analverkehr mit Steuererleichterungen kombiniert, der müsse sich auch nicht wundern, wenn Gottes biblischer Zorn mit voller Wucht zurückschlägt. Auf gut deutsch: Der alte Mann mit dem weißen Bart gibt dir richtig bös - der kommt mal eben mit dreihundert Kusengs aus Rüsselsheim und fickt dein Leben (Zum Glück, aber das sei hier nur am Rande bemerkt, ist Gott anscheinend toleranter, wenn Dan Cathy seine Hühner genmanipuliert und überzüchtet, damit seine Chickenburger schön billig unters Volk gebracht werden können).

Wenig überraschend sah ein beträchtlicher Teil unserer US-amerikanischen Freunde die komplizierte Sachlage ähnlich simpel wie Dathy und machte sich schon am Tag nach den kontroversen Aussagen des Konzernchefs zu den Filialen seiner Fastfoodkette Chick-Fil-A auf, um ihre Solidarität auszudrücken. Revolution per Drive-By-Schalter. Fünf Chickenburger, drei große Pommes mit Mayo und eine Cola Light bitte, man will ja schließlich abnehmen. Also das hat Stil. Nicht. Zu den Millionen Mongos Bürgern, die auf diese Weise ihre Solidarität bekundeten, gesellte sich übrigens auch eine begeisterte Sarah Palin, was eindrucksvoll illustriert, auf welchem intellektuellen Niveau man sich hier bewegt.

Nun hat man es bei solchen humanistischen Rückständigkeiten in Übersee als Mitteleuropäer ja ziemlich leicht. Enerviert kann man die Nase rümpfen über all das, was in den Vereinigten Staaten so schief läuft und übersieht dabei nicht nur, dass wir kulturell eine ziemlich billige Kopie von dem Amerika sind, dem wir uns überlegen fühlen, sondern auch, dass bei uns ebenfalls so einiges im Argen liegt. Denn Homophobie haben wir auch mehr als genug. Die wird zwar bei uns nicht biblisch begründet, dafür aber mit zwei durchdacht sauberen biologistischen Argumenten: Erstens ist schwuler Sex e-k-el-h-a-f-t und zweitens will jeder dieser bösartigen Schwulen sich an uns armen unschuldigen Hetero-Männern vergreifen. Das sind natürlich entwaffnende Einwürfe, mit denen wir uns einzeln auseinandersetzen müssen. (Nur falls sich jemand wundert, warum nur Schwule gehasst werden: Homophobe Männer finden Lesben in der Regel richtig geil. Zumindest die, die sie aus den Filmchen im Internet kennen. Die echten entsprechen ja leider eher selten Männerphantasien)

Aber der Reihe nach. Zu Punkt Eins, der Ekelhaftigkeit. Das stimmt. Wenn Detlef und Dieter sich im Bett vergnügen, dann will ich mir das nur bedingt vorstellen. Aber das gilt genauso für die faltige Kassiererin aus dem Supermarkt oder die Fette, Grobe von der Berufsschule. Was Menschen in ihrer Freizeit machen interessiert mich nicht und wie jemand sexuell orientiert ist noch weniger. Zumal, liebe Homophoboys, ihr und eure Freundinnen vom Dorffeschdle meistens auch nicht gerade Top-Models seid. Und wenn ich trotz aller Heterosexualität die Wahl hätte euch nackich sehen zu müssen oder zweimal Tom Hardy in Warrior-Form, dann definitiv Tom. Sorry. Das bringt uns direkt zu Punkt Nummer Zwei. Alte Legenden berichten von Fußballern, die nur mit dem Arsch zur Wand duschen (dabei gibt es laut Prof. Dr. Dr. h.c. Mario Basler doch gar keine schwulen Fußballer...) oder von brutalen Schwulengangs, die des Nachts durch San Francisco streifen, harmlose Passanten vergewaltigen und mit blutigem Anus bewusstlos im Rinnstein liegen lassen (kein Scheiß, so wurde ich original beim Betreten der Stadt von einem besorgten Bürger gewarnt). Aber, lieber Mann von der Straße, hier kann ich Entwarnung geben. Auch Homos besitzen Geschmacksnerven und nur weil sie potentiell auf Männer stehen, heißt das nicht, dass sie auf dich stehen, du hässlicher Sexbold. So verzweifelt sind sie dann doch nicht. Keine Gefahr, nirgends.

Insofern können wir uns alle ein wenig lockerer machen. Entweder jemand ist korrekt - oder eben nicht. Dass das etwas mit seiner Sexualität zu tun haben könnte, erschließt sich mir nicht. Und für alle, die das Ganze immer noch nicht verstanden haben, hat das japanische Schlitzauge der Sprechgesangsartist der Woche Blumio das schon vor zwei Jahren in ein paar scharfe Zeilen verpackt. Aber der sieht die ganze Sache ja schon aus biologischen Gründen etwas enger. In diesem Sinne kann man also ganz beruhigt sein.

Hier gehts zum Sprechgesangsartisten der Woche.






Mittwoch, 15. August 2012

Helmut und Abdi

"In einer Welt, in der man nur noch lebt, damit man täglich roboten geht..." wussten schon die Toten Hosen zu kritisieren, als sie noch ihre echten Zähne hatten und die billigen Touchpads von Star Trek noch nicht hart von ihren dreihundert Jahre zu früh erschienenen Apple-Konkurrenten durchgefickt wurden an technischer Finesse übertroffen wurden - und trafen damit den Nagel auf den Kopf. Eine Welt, gebunden an Normen und Regeln, versklavt von Gesetzen und Verboten, engstirnig im Kopf und duckmäuserisch vor sich selbst. Was für ein Glück, schreit da der Geknechtete, dass es Menschen gibt, die sich nicht mit Roboten gehen zufrieden geben, die die Revolution heraufbeschwören und sich nicht vom unsinnigen Paragraphen A38 leiten lassen, sondern nur von ihrem eigenen unantastbaren und über alles erhabenem moralischen Kodex. Nicht viele sind es, die uns dieses Licht in der Finsternis scheinen, aber umso klangvoller ihre Namen - der Zottelbart auf dem T-Shirt Che Guevara, Judge Dredd, Charles "Selbstjustiz" Bronson und natürlich, natürlich, natürlich und Gott sei Dank (immerhin lebt man ja als Deutscher im Roboterland schlechthin) Helmut Schmidt. Das Vorbild sämtlicher Mumien seit Ramses II., der Grund, warum Rollstühle wieder voll im Trend sind und der schärfste Kritiker von beinahe allem außer Seitenscheiteln wird in seiner Rolle als Querdenker, als Intellektueller und als Zombie landesweit als unabdingbar für den kulturellen Fortschritt gefeiert wie die Erfindung der Döner-Box. Zu Recht? Nun ja.

Bei genauerer Betrachtung setzen sich seine Fans aus zwei Gruppen zusammen. Die erste ist die der bemitleidenswerten Raucher, die betont uninformiert unpolitisch ist und ihn deswegen so verehrt, weil er als einziger Mensch im Land in Irrenanstalten Politischen Talkshows rauchen darf. Da ist dann auch das Thema der Sendung irrelevant, es zählt die Geste des Protests, es zählt der "freie Fahrt für freie Bürger"-Gedanke und es zählt die leise Hoffnung, dass es diesem Mann gelingen möge, die Hatz auf ihresgleichen zu beenden und sie nicht mehr zu zwingen, in Eiseskälte, Schnee und Regen vor ihrem Lokal zu stehen, während sich vorm wohlig warmen Kaminfeuer die verachtenswerten Nichtraucher orgiastischen Genüssen hingeben. Soll man ihnen ihr Vergnügen lassen. Wer zu einer derart rapide aussterbenden Spezies gehört wie ein Raucher, der braucht diese Art der Heldenverehrung. Zweifellos haben auch die Dinosaurier einen der ihren aus ihrer Mitte gewählt, damit er von seinem Rollstuhl aus den Meteoriten von paffenden Zügen begleitet hinwegsabbeln möge.

Nerviger ist da schon die zweite Gruppe, die sich aus denjenigen zusammensetzt, die tatsächlich auf das hören, was aus seinem alterszerfurchten Gesicht kommt und sich nicht damit zufrieden geben, ihn nur wegen seinem Tabakkonsum abzufeiern. Und Spaß macht es ja, ihm zuzuhören, zugegebenermaßen. Er hat ja auch für alles eine Lösung parat. Mit nur einem Wort, einer Geste, einem Silberblick gibt er so simple Antworten zu den Themen Eurokrise, Integration und Frauen abschleppen und man selbst sitzt vorm Fernseher und fragt sich: Scheiße, warum kommt da eigentlich sonst niemand drauf? Vielleicht deswegen, weil es oftmals doch nicht so simpel ist, wie es scheint und Politiker, die noch nicht in die Hand gespuckt haben um Petrus ein High Five zu geben aktiv sind sich (theoretisch) nicht nur auf salbungsvolle Worte beschränken können. Aber mit dem Ende seiner aktiven Karriere ist Helmut Schmidt zum Tupac Shakur der Politik geworden, mit einem Wort: Unfuckable. Er muss ja nichts mehr machen, ist eine unantastbare Ikone geworden und bringt alle zwei Jahre noch ein Album raus und kann zu allem und jedem seinen Senf abgeben, bevorzugt zu den gaaaaaanz großen Dingern (Gerechtigkeit, Zukunft, Guido Westerwelle no homo), denn "Tagespolitik" (Quote) interessiert ihn halt nicht. Da muss man dann doch sagen: Geiler Job. Würde ich auch gerne machen. Und das beste: Könnte ich doch auch. Sogar Celo&Abdi könnten das machen. Bei denen reimt sich das Gesabbel wenigstens und die haben hübsche Thug Life-Klamotten an, was sie im Tupac-O-Meter weit, weit an Schmidt vorbeiträgt. No Homo.

In diesem Sinne bleibt mir nur, eben jene großen deutschen Poeten und Sprechgesangsartisten Celo und Abdi zu zitieren, die schon letztes Jahr zu berichten wussten:

"Unser Auftrag ab in die Hauptstadt, weil ich draufkack, was die Ossi-Braut sagt." Na dann. Mehr Substanz hat Schmidt doch auch nicht.Und was öffentlich propagierte Drogensucht angeht, da bin ich mir ganz sicher, hat der Abdi auch noch einiges in Petto. In diesem Sinne kann man also ganz beruhigt sein.



Hier gehts zu den Sprechgesangsartisten der Woche: