Ratgeber: 10 Todsünden der Grundrissplanung

Todsünden Grundriss

Ich komme morgens ins Bad – nachdem ich mehrfachgeklopft habe und mir endlich aufgeschlossen wurde. Leider ist das eine vorhandene Waschbecken besetzt, und als ich dann an die Reihe komme, stoße ich – auch weil es in dem kleinen Raum ziemlich düster ist – versehentlich eine Reihe von Kosmetiksachen klappernd unters fließende Wasser. Die Toilette? Ist frei, aber in diesem Augenblick kommt halt schon die dritte Person rein in unser Familienbad. Ein Tag der so beginnt, kann nur übel enden…

 

Form should follow Function

Die Geschichte ist zwar erfunden, also rein fiktiv, aber wenn es im neuen Haus so laufen würde, hättet ihr so richtig was falsch gemacht. Soll heißen: Für ein funktionierendes Alltagsleben ist nicht die Optik, sondern die zur individuellen Lebenssituation passende Funktionalität des Hauses wichtig. Und die hängt ganz entscheidend vom Grundriss ab. Das heißt, von Lage und Größe der einzelnen Räume, ihrem Zuschnitt und der Erschließung. Weil Fehler bei der Hausplanung oft kaum zu korrigieren sind, listen wir euch hier zehn Todsünden bei der Grundrissplanung auf.

 

1. Große Verkehrsflächen

Klar muss man im Haus von Zimmer zu Zimmer gehen und sich überhaupt bewegen können. Doch allzu üppig bemessene, so genannte reine Verkehrsflächen in Form von Fluren und Gängen (siehe Grundriss Bild oben) verschlingen wertvollen und schließlich auch teuren Wohnraum.

Ein langer, ansonsten nicht nutzbarer Flur hin zu einem Raum oder Hausbereich macht eigentlich nur Sinn, wenn es ganz bewusst auf eine separate Erschließung ankommt; zum Beispiel eines Gästetrakts, eines Home-Office etc.

Wer darauf verzichten kann, und stattdessen auf ein offenes Wohnkonzept setzt, kommt mit viel weniger Hausgrundfläche aus. Inspirieren lassen kann man sich in dieser Hinsicht von manch sehr gut gelungenem Reihenhausgrundriss.

Ausgehend von einem offenen Wohn-Ess-Bereich und der darin integrierten Innentreppe zum Beispiel, kann selbst eine vierköpfige Familie mit runden 120 Quadratmetern Wohnfläche auf zwei Geschossen auskommen. Das lässt sich mit kompakten Einfamilienhäusern von vielleicht 9,50 mal 9,50 Metern Außenmaß gut realisieren, wie man sie in den Hauskatalogen der Fertigbaufirmen findet.

 

2. Schlechte Zuordnung

Unnötig lange Wege muss man tagtäglich gehen, wenn die Zuordnung der Räume nicht stimmt.

Das gilt insbesondere für die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten. Da führt nicht selten der Weg mit vollen Einkaufstaschen durchs Wohnzimmer in die Küche. Wenn dort dann auch noch die Speisekammer fehlt, muss man nach dem Einkauf auch gleich noch jedes Mal in den Keller rennen. Mit dem Waschen ist es ebenfalls so eine Sache, wenn die Waschmaschine im hintersten Kellereck steht und man weit und breit keine Möglichkeit hat, die Wäsche aufzuhängen, zu bügeln und zu verräumen.

Die Kür der Hauswirtschaftsplanung stellt der sinnvoll platzierte Hauswirtschaftsraum nebst Speisekammer dar – mit Abstellflächen für die Einkäufe, mit Waschmaschine und Platz zum Bügeln sowie zum küchenahen Lagern von Vorräten.

Dazu kommen Dinge wie der kurze Weg vom Gemüsewaschbecken zum Komposthaufen im Garten und anderes mehr. Denken Sie bei der Planung an Ihre Wunsch-Abläufe!

3. Fehlende Blickachsen

Wer Kinder hat, wird an einer separaten Mini-Küche und vielen kleinen Einzelzimmern kaum große Freude haben.

Wichtig sind in diesem Fall nämlich gemeinsame Bereiche und so genannte Blickachsen auf dem Stockwerk. Konkret: Im Erdgeschoss ist eine Wohnküche mit Tisch bzw. eine offene Küche hin zum Ess- und Wohnbereich besonders kinder- und damit auch familienfreundlich. Dann können Kinder am Tisch Schularbeiten machen, mal mit Wasserfarben oder Knete werkeln und die ganz Kleinen spielen auf dem Boden nebenan – sodass Mutter oder Vater alle Sprösslinge im Blick behalten und betreuen können, während sie das Eine oder Andere im Haushalt erledigen.

Prächtig macht sich auch in diesem Zusammenhang ein Gartenausgang in der Küche; als kurzer Weg zur Biotonne und für die problemlose Beaufsichtigung der Kinder im Garten. Außerdem können die dann auch mal mit Gummistiefeln in die – geflieste – Küche marschieren…

 

4. Kleine Diele

Ein zu kleiner Windfang bzw. die fehlende Diele ärgern praktisch jeden Tag! Da fehlt dann der Platz für den Garderobenschrank, und jedes Mal, wenn die Familie gemeinsam das Haus verlässt oder heimkommt, gibt´s ein Gedränge an der Haustür. Ganz zu schweigen davon, dass man sich und seinen Gästen hier auf den Zehen steht – und wenn jemand mit Kinderwagen kommt, oder man gar selbst einen hat, findet sich dafür null Stellfläche.

Auch bei einer großzügigen Dielenplanung gilt es auf ein paar Punkte zu achten. Beispielsweise darauf, dass die Treppe zum Dachgeschoss bzw. deren erste Stufe nicht – wie leider so oft – viel zu dicht an der Haustür sitzt.

Auch die Kellertreppe stört in der Diele oft gewaltig. Wer einen reinen Nutzkeller plant, kann sogar darüber nachdenken, ob ihm nicht ein Außenabgang ins Untergeschoss reicht.

In jedem Fall sollte eine ausreichend große Stellwand für Garderobe und/ oder Garderobenschrank oder noch besser eine zweckmäßige Nische dafür eingeplant werden.

 

5. Fehlendes Gäste-WC

Das fehlende Gäste-WC, das vielleicht aus Platz- oder Kostengründen beim Hausbau weggelassen wurde, fehlt – so die Erfahrung vieler Eigenheimbesitzer – mit jedem Tag mehr.

Überlegen Sie also, ob Sie, wenn es sein muss, nicht vielleicht eher auf etwas anderes verzichten können; oder ob sich eine Wunschausstattung zeitlich etwas zurückstellen lässt.

Kosten kann man sparen, wenn dieser vergleichsweise kleine WC-Raum geschickt platziert wird, sodass die Wasser- und Abwasserrohre auf kurzem Wege zu verlegen sind. Das geht zum Beispiel, wenn das WC direkt neben dem Badezimmer oder genau unter dem Dachgeschoss-Bad liegt.

Übrigens: Vielen Hauseigentümern stinkt es hinterher gewaltig, wenn der Architekt das WC-Fenster direkt neben Haustür und Klingelknopf geplant hat… Da lassen sich bessere Lösungen finden.

 

6. Unpraktisches Bad

Mehr als unpraktisch ist ein Badezimmer, das keinen Platz für die notwendigen Möbel und Ablageflächen bietet.

Um das hinzukriegen, bedarf es nicht unbedingt einer großen Fläche, gefragt ist vielmehr Planungsgeschick. Die meisten Sanitärhersteller bieten sogar ganz spezielle Lösungen für kleine Bäder – oft sogar inklusive Planungsvorschlag.

Wo möglich, sollte unbedingt an ein zweites Waschbecken gedacht werden. Ansonsten kann sich der Kampf ums Waschbecken in der allmorgendlichen Familien-Rush-hour schnell zum echten Problem auswachsen. Ablageflächen kann man elegant schaffen, indem die Sanitärobjekte an Vorsatz-Installationswänden montiert werden. Allerdings kostet diese Variante etwas mehr Geld.

Einen anderen planerischen Kunstgriff, gibt´s zum Nulltarif: Wenn sich die Badezimmertür nach außen öffnet, steht drinnen meist mehr Nutzfläche zur Verfügung, und nicht zuletzt ist diese Lösung auch sicherer. Denn falls mal jemand im Badezimmer ohnmächtig werden sollte oder schwer stürzt, kann er nicht mit seinem Körper die Tür von innen blockieren.

 

7. Fehlende Stellwände

Wer Ordnung haben möchte, braucht Schränke. Wenn dafür keine Stellwände zur Verfügung stehen, gibt´s ein Problem.

Gerade im Dachgeschoss werden häufig zu wenig Geschoss-hohe Wände eingeplant, sodass sich die Bewohner nachher mit unpraktischen Kleinmöbeln oder sündhaft teuren Spezial-Einbauschränken behelfen müssen.

Ein Hauptproblem ist dabei auch oft, dass die Türen zu dicht an der potenziellen Stellwand sitzen. Ideal ist es, wenn hinter der geöffneten Tür mindestens 70 Zentimeter „Luft“ ist, damit der Schrank dahinter stehen kann.

Eine weitere Möglichkeit ist, die Wand zwischen zwei Räumen mit einem Versatz einzuziehen. Auf diese Weise entsteht auf beiden Seiten ein Rücksprung mit einer Nische für einen Schrank oder eine einfache Einbaulösung.

 

8. Niedriger Kniestock

In einzelnen Musterhäusern kann man auch erleben, wie wenig Raum ein  Dachgeschoss ohne Kniestock bietet – beziehungsweise, wie wertvoll im Vergleich dazu ein Kniestock ist.

Dieses Thema gehört zwar nur mittelbar zur Grundrissplanung, doch handelt es sich bei Kniestockhöhe und Dachneigung um zwei ganz elementare Punkte der Hausplanung, die die Nutzungsmöglichkeit der Räume mit  Dachschräge ganz wesentlich bestimmen.

Generell gilt: Ein möglichst steiles Dach auf möglichst hohem Kniestock bringt maximale Raumausnutzung. Sofern es der Bebauungsplan zulässt, empfehlen sich Dachneigungen ab 38 Grad aufwärts sowie ein Kniestock von 80 bis 100 Zentimetern. Bei einem noch höheren ergibt sich fast schon ein zweites Vollgeschoss mit all seinen räumlichen Vorteilen.

 

9. Dunkle Enge im Dachgeschoss

Beklemmend wirkt der kleine, dunkle Verteilerflur, der sich bisweilen im Dachgeschoss direkt an die Treppe zwischen den Einzelzimmern anschließt. Wenn dazu aus der Planungsnot geborene Galerie-Winkel und sonstige kaum nutzbare Nischen kommen, ist das mehr als unelegant.

Viel besser machen kann man es mit Dachflächenfenstern oder gar Gauben, die von oben viel Licht in den Wohnraum unter Dach bringen. Wenn schon Gaube, dann schafft natürlich eine möglichst hoch angesetzte und breite Schleppgaube weit mehr Bewegungsraum als eine kleine Spitzgaube mit einem deutlich schlechterem Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Statt des Mini-Flurs und zusätzlichen Winkeln lässt sich in vielen Fällen ein Spielflur oder ein Bereich für ähnliche Nutzungen unterbringen. Gelungene Beispiele finden sich auch in Musterhäusern der Fertighausausstellungen.

 

10. Fehler im Detail

Grobe Fehler werden leider immer wieder bei scheinbaren Details gemacht, die ebenfalls in engem Zusammenhang mit der Grundrissplanung stehen. Beispiel Schornstein: Der durch alle Wohnebenen führende Betonklotz macht sich – zumal, wenn es ein zweizügiger Schornstein ist – natürlich nicht gut, wenn er unmotiviert mitten an einer Stellwand steht oder man im Dachgeschoss von der Treppe aus direkt draufläuft.

Ein dickes Planungsding stellt auch der Wasserhahn dar, der auf der Küchenspüle stehend, das Öffnen des Flügelfensters blockiert. Dabei lässt sich auch dieses viel zu oft vorkommende Problem denkbar einfach lösen: Mit einem festverglasten unteren Fensterteil oder einem weniger tief reichenden Fenster. Es muss halt nur daran gedacht werden.

Letztes Beispiel Türen: Da gibt es die Terrassentür beim Esszimmertisch, die einfach falsch herum angeschlagen ist und deshalb zum ständigen und leidigen Stühlerücken Anlass gibt. Oder auch die viel zu schmale Tür hinunter zum Wohnkeller.

All die häufigen Pannen im Detail sind letztlich auf eine nicht sorgfältig genug ausgeführte Grundrissplanung zurück zu führen – und leider wie andere Planungsfehler nur sehr schwer auf den üblichen Plänen im Maßstab 1:100 zu erkennen. So kann unser Tipp nur lauten: Augen auf bei der Grundrissplanung und jedes Detail lieber zwei Mal anschauen.