eine sammlung.

1953

Aus dem Leben eines Fauns

»Ich nickte nicht höhnisch; ich lächelte nicht bitter; ich nicht!«

„Mein Leben?!: ist kein Kontinuum!“ sagt Arno Schmidts Hauptfigur Heinrich Düring in seinem Kurzroman „Aus dem Leben eines Fauns“, der 1953 in der Nachkriegszeit erschien. Mit beißenden Kommentaren verfolgt der Gemeindebeamte Düring im Roman den Alltag des deutschen Kleinbürgertums in den Jahren 1939 bis 1944, äußert seine Abneigung gegen das NS Regime, die Religion, aber auch schlechte Literatur und fehlendes Kunstverständnis. „Farbenblindheit ist selten; Kunstblindheit ist die Regel“. Er führt dabei ein Doppelleben: auf der einen Seite die Ödnis seines Beamtenalltags, seine trostlose familiäre Situation und die untragbaren politischen Verhältnisse in der NS Zeit und auf der anderen sein Rückzugsort als „Faun“ in einer Hütte im Wald, in der er sich befreit von allen Zwängen der Einsamkeit und seiner jungen Geliebten hingibt.

Arno Schmidts expressionistische Erzählweise schildert eingehend Dürings Situation als kritischen, aber nicht öffentlich rebellierenden Intellektuellen, der als „Sehender, das Blinde-Kuh-Spiel werde mitmachen müssen.“. Dessen Haltung sich sehr gut in seiner folgenden Aussage zusammenfassen lässt: „‚HeilittlerSiewünschen?‘ (auch Bürger sein, gut, und das Land zusammenhalten; laß Deine Rechte nicht wissen. Also hob ich die leicht zum Deutschen Gruß, und ballte dafür die freie Linke: werde ich so mein Leben einteilen: in die offene staatserhaltenden Hälfte. Und die geballte Linke).“

Und so wie das Leben Heinrich Dürings kein Kontinuum ist, wie die Wahrnehmung unserer Gegenwart löchrig ist, zeigt sich auch Arno Schmidts Erzähltechnik im Faun als fragmenthaft, zusammengesetzt aus einer Reihe einzelner Momentaufnahmen. Das Leben als Zusammenspiel einzelner Fäden ohne Durchgängigkeit, wird im Roman durch einzelne Absätze widergespiegelt, deren Anfang kursiv geschrieben ist, während die folgenden Zeilen eingerückt sind. Das Layout gibt die inhaltliche Strukturierung vor, der Leser wird zum ergänzenden Mitdenken gezwungen.

Der ganze Roman ist eine Aneinanderreihung von Gedanken und Geschehnissen. Der Gedankenfluss und der Fluss des Geschehens, die Geschwindigkeit werden gesteuert durch Gedankenstriche, Strichpunkte und Doppelpunkte. Wortneuschöpfungen unterstreichen das Spiel Schmidts mit der Sprache und lassen „Eine alte Frau, auf ein Fahrrad gestülpt [durch Schulkinder unsichern]“.

Der Roman endet in einem Inferno aus Flammen, „eine Feuermorchel (…), dann eine Giralda, dann viel Apokalyptisches“, aus dem Düring mit seiner Geliebten zu seiner Hütte im Wald entflieht. „‚Wie lange bist du noch genau hier?‘. ‚Zehn Tage.‘, und unsere Mienen entspannten sich herrlich: Wer denkt heute noch 10 Tage voraus?!“.

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