Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Und Wasser wurde Bier

Die regionale Note in Schmuckers Meister Pils
Und Wasser ward zu Bier

Wenn es um die Zutaten des Bieres geht, reden alle von Gerste oder auch mal vom Hallertauer Hopfen, aber Bier besteht je nach Sorte etwa zu neunzig Prozent aus Wasser. Und das kommt üblicherweise aus der Region, in der die jeweilige Brauerei ansässig ist.

Es ist noch ziemlich früh an diesem Sonntagmorgen. Ich stehe am Fenster und sehe zu, wie es regnet. Irgendwie passt das gerade. Denn ich arbeite an einem Artikel über Wasser. Genauer gesagt über das Brauwasser der Schmucker Privat-Brauerei. Aus deren Brunnen direkt neben der Brauerei in Ober-Mossau quillt nämlich das optimal weiche Wasser zur Herstellung eines milden Bieres nach Pilsener Brau-Art, hier Schmucker Meister Pils genannt.

Im Gespräch mit Alexander Limp, Marketing-Referent der Brauerei, habe ich erfahren, dass die Wasserqualität hier so gut ist, dass lediglich durch Filtrierung die Schwebstoffe entfernt werden; wer will auch schon Sand in seinem Bier. Ansonsten bleibt das Brauwasser für das Pils absolut naturbelassen. Das heißt also, wir reden über ein Lebensmittel (im nahen Bayern zählt es ja auch tatsächlich zu diesen), das zu rund neunzig Prozent aus einem purem regionalen Grundstoff besteht.

Aber ist das etwas Besonderes? Das frage ich mich während der Regen in Bahnen an meinem Fenster nach unten rinnt. Und der Artikel über das Wasser aus Ober-Mossau wird zu einem Gedankenspiel über das Echte, das Ursprüngliche. Doch beginnen wir von vorn.

 

Ohne regionale Wasserqualitäten gäbe es nicht die Sortenvielfalt an Bieren

Selbstverständlich waren es die Fähigkeiten und Ideen der Braumeister (schaut euch unseren Beitrag zum Eisbock an) und die Qualität der Zutaten, die den Brauern zur Verfügung standen, die zu unterschiedlichen Bieren geführt haben. Aber zu den Zutaten zählt eben auch das Wasser. Und tatsächlich hat die Wasserqualität in hohem Maße zur Entwicklung der Sortenvielfalt des Bieres beigetragen. Denn je nach Region kann das Wasser in seiner Zusammensetzung sehr unterschiedlich sein. Und das wirkt sich maßgeblich auf den Brauprozess aus. Deshalb sind an unterschiedlichen Orten ganz charakteristische Biere entstanden – wie das milde Pils in Pilsen, kräftige Lager in München oder das Dortmunder Export. 

 

Von Mineralien und der Härte des Wassers

Calcium, Magnesium, Chlorid, Carbonat, Hydrogencarbonat und Sulfat – das sind die entscheidenden Ionen, die aus reinem H2O ein regionaltypisches (Brau-) Wasser machen. Sie verursachen während des Brauprozesses komplexe Reaktionen in der Maische und in der Würze, die zu beschreiben diesen Rahmen sprengen würde. Winzige Mengen von Spurenelementen wie Zink und Kupfer beeinflussen schließlich auch noch die Gärung. Um das alles zu vereinfachen beschränke ich mich hier auf die leicht nachvollziehbare Härte des Wassers.

Gemessen wird die Wasserhärte in °dH (Grad deutsche Härte). Sie definiert im wesentlichen den Calzium- und Magnesiumgehalt des Wassers. Dabei entspricht 1°dH einem Gehalt von 10 mg Calciumoxid pro Liter Wasser. Die durchschnittliche Wasserhärte liegt in Deutschland bei 16°dH, in Hessen bei 15°dH und in Darmstadt bei 23°dH (die Werte sind der Website wasserhaerte.net entnommen) und in Ober-Mosssau bei 1°dH. Das ist optimal, um ein Pils zu brauen.

Die Auswirkungen der Wasserhärte kennt jeder aus der eigenen Wohnung. In einigen Gegenden Deutschlands, wie in Darmstadt mit höherer Wasserhärte, muss man den eigenen Wasserkocher jede Woche entkalken, in anderen fast nie. In einigen Regionen hat Dieter Bürgi jahrelang Waschmaschinen mit Calgonit gerettet, in anderen fragt man sich noch heute, was der Kerl eigentlich will.

Wie für den Haushalt ist auch für das Brauwasser die regionale Wasserhärte von großer Bedeutung. Stark vereinfacht ausgedrückt lässt sich sagen, dass je härter das Brauwasser ist, desto kräftiger ist das Gefühl, welches das Bier im Mund hinterlässt. Und so ein Pils ist ein zartes Pflänzchen, das seinen milden Geschmack eben besonders weichem Wasser verdankt. Kräftige englische Stouts erfordern da schon eine wesentlich härtere Gangart des Wassers.

 

Und jetzt?

Gesetzlich vorgeschrieben ist heute Trinkwasserqualität zum Brauen von Bier. Ansonsten hat die Beschaffenheit des vorhandenen Wassers für den Brauvorgang längst nicht mehr die Bedeutung, die es einst hatte und die zu den unterschiedlichen Sorten führte. Heute beginnt das Bierbrauen in High-Tech-Betrieben in der Regel damit, „das optimale Brauwasser herzustellen“. Das heißt: Je nach Biersorte wird dem Wasser entzogen, was es nicht braucht oder zugefügt, was ihm fehlt.

Auf der einen Seite dient das einer durchaus wünschenswerten Qualitätssicherung und ermöglicht den Brauereien, die Erzeugung einer marktgerechten Produktpalette, die in einem Wettbewerb bestehen kann, der von großen überregionalen Brauereien mit massentauglichen Bieren dominiert wird.

Aber auf der anderen Seite wird auch der Geschmack der Region rausgespült, Ecken und Kanten werden geglättet – vielleicht mit ein Grund für den anhaltenden Erfolg kleiner Craft-Beer-Brauereien.

Wie dem auch sei; es stellt sich die Frage, welche Bedeutung das regionale Wasser denn nun hat, wenn man nahezu überall nahezu alles machen kann – und das in wirklich hoher Qualität.

 

Der Versuch einer Antwort

Während ich mich durch Bücher und Websites gewühlt habe, um die Bedeutung des Wassers für ein Bier wenigstens Ansatzweise zu verstehen, hat draußen mal die Sonne den Regen verdrängt, mal der Regen die Sonne. Es ging hin und her wie in meinem Kopf. Doch dann hat sich das Wetter entschieden. Und meine Antwort ist genau so trocken wie die Straße vor meinem Fenster.

Aus der Sicht des Brauhauses liefert die Marketing-Strategie die Antwort. Eine überregional orientierte Brauerei wird ihr Bier – ob es Pils, Weißbier oder Export ist – so produzieren, dass es in Posemuckel genau so gern getrunken wird wie in Hintertupfingen. Was ursprünglich drinsteckt? Das spielt eigentlich keine Rolle. Wo es herkommt? Auch nicht. Na vielleicht in Bayern, weil die glauben, dass es so etwas wie „Heimat“ nur dort geben kann. Aber sonst? Nö.

Eine kleine Brauerei mit einer regionalen Strategie kann da schon ganz anders vorgehen. Die kann ihr Produktportfolio so gestalten, dass es ein regionales Herz hat, aber durchaus mit bestimmten Sorten auch die Fremdgänger unter den Biertrinkern bedienen kann – hat ja schließlich auch etwas mit dem persönlichen Geschmack zu tun. Doch das regionale Herz bestimmt die Wahrnehmung der Marke und die Verbundenheit der Ortsansässigen zu ihr.

 

Alle Biere sind gleich, aber einige sind gleicher

„Wherever I lay my hat, that’s my home.“ Das hat mal Paul Young gesungen. Und ich füge hinzu: „But it’s nowhere the same. And it shouldn’t be, should it?“

Ich persönlich ziehe meinen Hut vor dem Ursprünglichen. Als gebürtiger Niedersachse erwarte ich in Mossautal nicht das Bier aus dem Weserbergland, das ab einem bestimmten Punkt die Muttermilch für mich ersetzt hat. Ich erwarte einen ehrlichen, möglichst einzigartigen Charakter, den ich mit der Region verbinde. Etwas Echtes eben.

Ich will ja auch keine Wurst, die kein Fleisch enthält. Ich will keine hessischen Tapas, sondern Häppchen oder Reiterchen. Ich will ja auch nicht den Mercedes unter den BMWs, sondern den besten BMW. Ich will ein ehrliches Pils, das seine Herkunft nicht verleugnet. Und deshalb ist es mir wichtig, dass eine Zutat im Bier, die etwa neunzig Prozent ausmacht, eine regionale Note behält. Es ist mir wirklich wichtig. Denn sonst geht etwas verloren, das einzigartig ist. Und das würde mir schon rein gedanklich nicht schmecken.

So. Wie gesagt, draußen ist es inzwischen trocken. Und in mir auch. Zeit für ein Bier nach Pilsener Brau-Art, gemacht mit weichem Wasser aus dem Odenwald. Und auf das etwas kräftigere Pils meiner Jugend freue ich mich bei meinem nächsten Besuch im Weserbergland.

In diesem Sinne: Prost! Slàinte! Salute! Cheers! Santé! Na zdraví! Skål! Und so.

Das Titelbild hat Aziz Wakim fotografiert. Es entstand exklusiv für diesen Artikel. Dafür waren fünfundzwanzig Liter Wasser, sechs Liter Bier und 24 Tropfen Lebensmittelfarbe sowie zwei Männer im dunklen Studio und ein paar Stunden Photoshop notwendig. Danke dafür.

(Beim Schreiben u.a. gehört: „Black Water“ von Apparat)

1 Kommentar zu “Und Wasser wurde Bier

  1. Und Prost! Danke für diesen Artikel, den ich im fernen Bologna ganz ohne regionales Bier, aber dafür mit vielen anderen Regionalen Leckereien geniesse. Und ich freue mich aufs Heimkommen jetzt umso mehr…

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