Kulinarische Abenteuer im Odenwald und an der Bergstraße

Zum Löwen

Regional? Saisonal? Bio? (Folge 06)

Regional. Saisonal. Bio. Das findet jeder gut. Und jeder redet darüber. Und doch meint jeder etwas anderes und handelt – wenn auch in bester Absicht – entsprechend individuell. Michael Frank hat einige Gastronomen in der Gegend dazu befragt. Begleitet ihn auf seiner Tour, lernt die Leute kennen und das, was dort auf den Tisch kommt.

Wie der Name schon sagt, Langen-Brombach zieht sich. Und zwar dreikommadrei Kilometer entlang einer Straße, welche die B 47 mit der B 45 verbindet. Die Straße wechselt mehrfach ihren Namen. Doch das kann euch egal sein, denn von welcher Seite ihr auch kommt – irgendwann entdeckt ihr das Gasthaus „Zum Löwen“ direkt an dieser Straße.

 

49.72264600618091, 8.951548057395113

Über sieben Generationen betreibt die Familie Löw das traditionsreiche Gasthaus in Langen-Brombach. Hier serviert Gastgeber Thomas Löw deftige Odenwaldküche mit viel „Schmackes“, wie in der Karte zu lesen ist. Lamm – die Leidenschaft des Hauses – ist über das ganze Jahr fester Bestandteil der Löwenküche. Michael Frank hat Thomas Löw unsere fünf Fragen zum Thema gestellt.

 

Frage 1:
Was verstehen Sie unter dem Begriff „Regionale Küche“?

 TL: „Da wir im Odenwald sitzen, ergibt sich der Begriff von alleine. Wir sind in der Region und nehmen aus der Region. Regionalität ist ja so ein Überbegriff für das alles. Ich würde es Heimat nennen … das Ganze. Weil ich einfach alles, was rund ums Haus wächst – zum Beispiel die Kräuter – verwende. Und alles, was nächste Nähe ist, das ist für mich Regionalität. Nicht dass das (die Produkte … Anm. des Verfassers) noch Gott weiß woher geschickt wird. Wenig Transportwege gehören bei mir zur Regionalität. Also das alles.“

 

Frage 2:
Beschränkt sich „Regionale Küche“ für Sie auf die regionaltypische Zubereitung regionaler Produkte?

 TL: „Also ausschließlich kann ich nicht sagen. Es gibt schon mal – wie soll ich denn sagen – Gemüse oder so etwas, dass ich nicht von einem bestimmten Acker bekomme. Das ist dann vom Markt von Mannheim, kann man da sagen. Da hört die Regionalität ein bisschen auf.

Ich sag mal, jede Äppelwein-Kneipe oder kleine Kochkäs-Kneipe bietet mehr Regionalität als ein Restaurant – weil ein Restaurant muss ja immer eine breitere Palette füllen, um die Gäste zufriedenzustellen und da ist es dann irgenwann mal nicht mehr regional … Wenn ich nur meinen Handkäs, meinen Kochkäse drauf habe … mein Schnitzel, das ich noch beim Metzger hole, dann bin ich regionaler, als würden noch Broccoli, Blumenkohl, frisches Gemüse dazu kommen. Denn das klappt nicht immer – dafür gibt es bei uns zu wenig Gemüsebauern.

Im ganzen Mümmlingtal gibt es keinen mehr, der Kartoffeln anbaut. Also holen wir die dann aus der nächsten Region. Aber wichtig sind die Bausteine: Das Lamm, das Fleisch, die Kräuter, alles das muss von hier sein – daher haben wir auch unseren Namen (gemeint sind die Odenwaldgasthäuser … Anm. des Verfassers).“

 

Frage 2a:
Und wie steht es mit regionaltypischen Zubereitungsmethoden?

TL: „Ja gut, also der Odenwald ist ja Arme-Leute-Küche. Ich mach manchmal so einen Abend, einen Apfelweinabend, wo es dann um „Riwwelsupp“ oder gebackene „Arme Ritter“ geht. Aber die Rezept-Kultur, die wir jetzt haben, versucht immer moderne Sachen einfließen zu lassen und mit den Produkten aus der Region verschmelzen zu lassen.

Riwwelsuppp: das ist Milchsuppe und da sind dann so Riwwel drin, also so Mehl-Riwwel, die hat man da reingemacht. Eine gehaltvolle Suppe ist das, aber die braucht man hier gar nicht anzubieten. Aber vielleicht könnte ich die mal wieder machen, so im Winter kommt das vielleicht ganz gut. Aber das ist halt eine sehr arme Küche, da waren nicht so viele Zutaten da. Mehl, Ei, was man selber gehabt hat, und dann Fleisch – muss ja auch nicht immer sein. Also ich bin kein Vertreter, der sagt, es muss so viel Fleisch gegessen werden. Das ist nämlich das nächste, was wir haben. Würde weniger Fleisch gegessen werden, wäre es gesünder für die Menschheit und die Massenbetriebe würden vielleicht auch weniger werden. Und da sind wir Köche mit in der Verantwortung.“

Ich habe aber jetzt so ein Rezept. […] Das nenne ich die „Einigkeit“, die „Rehbacher Einigkeit“ … weil die Nudeln aus Rehbach und das Schaffleisch aus Rehbach kommt, also das Lammfleisch. Mit dem Heist, da mache ich viel. Da kriege ich die Nudeln her. Ich bereite das alles zusammen in einem Wok zu. […] Das habe ich mal für mich selbst in der Pfanne gemacht und gedacht: Moment mal …“

  

Frage 3:
Handelt es sich dabei ausschließlich um saisonale Produkte?

TL: „Ja gut, ganz klar, auch das muss man berücksichtigen. Und das findet sich dann auch auf der Karte wieder. Es gibt keinen Kürbis das ganze Jahr – den gibt es im Herbst. Es gibt Pflaumengerichte bestimmt auch nur im Herbst … den Apfel kann man das ganze Jahr über anbieten. Aber die meisten Sachen kommen im Herbst.

Die ersten frühen Kräuter, die müssen natürlich auch auf den Tisch, wenn die im Frühjahr kommen. Darin spiegelt sich Regionalität. Kräuter – alle ums Haus. Letztens hatte ich die in die Wiese eingepflanzt, aber das war nicht so das Richtige. Jetzt habe ich so Speiß-Töpfe (Zement-Wannen … Anm. des Verfassers), also so eine Art Hochbeet für meine Kräuter.

Das ist mir ganz wichtig (gemeint sind Kräuter … Anm. des Verfassers). Wenn auch nur ein Blatt Kapuzinerkresse auf dem Teller liegt – dann schmückt das schon, aber auch der Geschmack kommt rüber. Ob das jetzt Oregano ist, ob es Salbei ist, Spitzwegerich oder Pimpernelle im Salat: Das macht alles ein bisschen was aus. Und die Leute nehmen das auch an. Die merken das. Und das finde ich auch wichtig, dass das saisonal ist. Und Regionalität ist ja dann der Überbegriff für alles.

McDonalds wirbt mit Regionalität, ne? Aber wo, möchte ich wissen, haben die ihre Regionalität? Doch so kriegt man die Leute. Das Bewusstsein ändert sich. Und das ist ja nicht verboten. Deshalb muss man auch selbst immer ein bisschen einen Schritt vornedran sein. Das ist wichtig.

 

Frage 4:
Gibt es „das“ regionale Gericht schlechthin?

 TL: „Ja das ist die „Einigkeit“, ganz klar.“

 

Frage 5:
Welche Bedeutung messen Sie „Bio“ bei?

 TL: „Da haben wir ja jetzt wieder ein Problem. Weil wir ja jetzt aus der Region kommen, meint jeder gleich, das wäre Bio.

Wir hatten mal Bio-Pils. […] Hatte uns die Brauerei untergejubelt. Wir sollten das dranhängen (an die Zapfanlage … Anm. des Verfassers) –das echte Bio-Pils. Was aber ist Bio-Pils? Ja, das ist zertifizierter Weizen, zertifizierte Gerste … was man alles so zertfiziert. Das interessiert doch nicht. Das andere ist Brauwasser von hier: Hopfen und Malz kommen noch dazu. Und ob das jetzt aus der Holledau (Hallertau) kommt oder von sonstwo, das interessiert nicht, das ist „daheim“ – fertig. Also das haben wir hier nicht gebrauchen können.

Bio verlangt bei uns jeder. Aber jeder vermischt das irgendwie, Regional und Bio. Also in Frankfurt und Darmstadt ist das ein Renner: Bio. Hier erwartet man das, dass es Bio wäre, aber es ist nicht alles Bio. Wenn man hier rausfährt und guckt: Da sind die Äcker noch nicht so riesengroß. Da sind Schäfchen, da sind Kühe draußen auf der Weide. Da stellt man eine Verbindung her. Da sagt man: Ei ja, das ist ja alles Bio hier. Aber – die meisten Bioprodukte kommen ja noch aus dem Ausland, weil es hier zu wenig Biobetriebe gibt.

Aber ich kann natürlich auch sagen, dass ich die Käserei gut kennen (gemeint ist die die Weiße Hube … Anm. des Verfassers). Das ist meine Cousine in Momart. Und die haben unheimlich viel Geld in die Hände genommen. Und diese Zertifizierung! Sie dürfen keine Kräuter aus dem Garten nehmen, sondern müssen sich irgendwo Kräuter bestellen. Und da hört es bei mir auf. Und alles zertifiziert und zertifiziert. Irgendwo finde ich das auch ein bisschen fehl am Platz. Ich würde mir wünschen – was natürlich nicht mehr geht – dass einfach diese Landwirtschaft, die ihr Futter selbst macht und nachhaltig arbeitet, das Geld bekämen, das jetzt die großen Betriebe für die Flächen kriegen, die sie haben. Dann gäbe es auch wieder mehr mittelständische Bauern und nicht nur Großbauern. Und deswegen hoffe ich, dass es irgenwann mal Klick macht, aber ich glaube, der Zug ist einfach abgefahren. Genauso wie der Zug für so Wirtschaften vielleicht abfährt wie diese hier. […] Aber die Schwierigkeiten werden immer größer durch die Bürokratie, durch alles was man so … das ist nicht schön. Aber ich schwätz zuviel, ich weiß.“

 

Vielen Dank für ihre Zeit Herr Löw


Ein Danke, das nicht nur einfach so daher gesagt ist. Schließlich schmecken offene Worten zu einem Themenkreis, der durchaus kontrovers diskutiert wird, nicht jedem. Das muss man sich schon trauen, genau wie ein klares Bekenntnis zur Region. Weit weniger Mut erfordert es übrigens, sich der Lammkarte des Löwen hinzugeben. Also gehet hin, ihr Leserinnen und Leser, und gebt euch hin.

Ausgelassen haben wir übrigens am Ende die interessanten Aussagen von Thomas Löw zu dem ebenfalls wesentlichen Thema „Nachfolge“ in der ländlichen Gastronomie. Die werden wir euch aber nicht vorenthalten und in anderem Zusammenhang in einer Serie präsentieren, die für das nächste Jahr geplant ist.

Odenwald Gasthaus Zum Löwen
Zellerstraße 2
64753 Brombachtal

Tel. +49 6063 2485
info@odenwaldgasthaus-zumloewen.de

Montag, Mittwoch, Mittwoch, Donnerstag, Freitag ab 16:00 Uhr
Samstag und Sonntag ab 11:00 Uhr
Dienstag ist Ruhetag

www.odenwaldgasthaus-zumloewen.de

 

Das Interview führte Michael Frank. Die Aussagen der Befragten sind inhaltlich unverändert, jedoch der hochdeutschen Schriftform angepasst. Für eine bessere Vergleichbarkeit entspricht die Reihenfolge der Fragen und Antworten dem Konzept und deshalb in Ausnahmefällen nicht dem Interviewverlauf. Auslassungen, die zu unnötigen Längen führen oder die Leser in der geschriebenen Form verwirren würden, sind gekennzeichnet.

Fotografiert haben Michael Frank und Thomas Hobein.

(Unterwegs im Auto u.a. gehört: „Harm’s Way“ aus dem Album „Sackcloth ‚N‘ Ashes“ von 16 Horsepower)

 Nächste Woche: 49.70801919999999, 9.122505584655748

 

Weitere Beträge der Serie „Regional? Saisonal? Bio?“:
Folge 01: Einleitung
Folge 02: Hotel Waldesruh und Restaurant Pichlers
Folge 03: Zur Schmelz
Folge 04: Labsal
Folge 05: Treuschs Schwanen und Johanns-Stube
Folge 07: Geiersmühle
Folge 08: Zum Hirsch – Fürstengrund
Folge 09: Zum Rebstock
Folge 10: Dornrös’chen
Folge 11: Alte Dorfmühle
Folge 12: Heiping
Folge 13: Zum Kreiswald
Folge 14: Heimkehr und Schluss

Kommentar hinzufügen

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wo wir weitere kulinarische Abenteuer erleben