Die Vorweihnachtszeit ist für Viele eine der schönsten Zeiten im Jahr. Hier darf bei Kerzenschein zuhause auf der Couch entschleunigt werden, unzählige Süßigkeiten, von Schokolade bis köstlichen, selbstgebackenen Plätzchen, vernascht und völlig ungeniert uralte Volkslieder gesungen werden. Wann im Jahr ist das sonst noch möglich? In Regionen um den Rhein herum gibt es für ungeniertes "Volkslieder" singen und den Konsum von Genussmitteln noch den Karneval - oder auch Fastnacht, aber alles andere bekommt man nur in der Vorweihnachtszeit geboten. Eine Zeit, in der das Wetter draußen immer ungemütlicher wird und die Sehnsucht nach Geborgenheit und Besinnlichkeit wächst. So feiern wir 4 Wochen lang im Dezember den Advent. Doch seit einiger Zeit wird da nicht mehr die Ankunft unseres aller Erlöser und Herrn gefeiert, sondern vielmehr die Ankunft gelber Laster mit völlig ausgelaugten Fahrern, die einem nette Pakete nach Hause bringen.
Der Einzelhandel stöhnt und beschwert sich über leere Innenstädte, was aber angesichts der immer größeren und gut besuchten Weihnachtsmärkte im Land, nur eine Fehlinformation sein kann. Lässt man sich alles schicken, hat man in der Stadt zudem viel mehr Hände für das erhitzte Weinchen und Essen frei.
Nun habe ich als Faultier mit Religion so viel Berührungspunkte wie der Papst erotische Beziehungen mit Frauen hat, dennoch finde ich die Idee der besinnlichen Weihnachtszeit eine sehr reizvolle. Auch das Weihnachtsfest, als Grund und Möglichkeit wieder mit der Familie zusammen zu kommen und Zeit miteinander zu verbringen, sei es in diesem Fall auch ein extrinsisch motivierter Grund, empfinde ich als sehr schön. Nur habe ich das Gefühl, dass mir die Zeit davor - der Advent - seit Jahren immer mehr entgleitet.

Freude und Genuss

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Es gibt viele Dinge auf der Welt, die durch Kinderaugen betrachtet einfach viel schöner sind. In diese Kategorie würde ich im Rückblick auch die Adventszeit einordnen.
Es fängt im Frühherbst an, wenn im Kindergarten die ersten Geschichten über einen Mann mit einem Umhang, den er dann zerschneidet, erzählt und Laternen gebastelt werden. Mit vollem Eifer und leuchtenden Augen erklingen nun aus Kinderkehlen Klassiker wie "Ich geh mit meiner Laterne" und "Martin war ein frommer Mann". Hier wird man als Kind jeden Tag mit Geschichten, Basteln und Gesang auf ein Ereignis eingestimmt: den Martinstag. Masrtinsumzüge finden statt, an denen die Kinder ihre selbst gebastelten Laternen tragen dürfen und die gelernten Lieder singen. Und was machen derweil die Erwachsenen an diesem Tag? Die treffen sich in den Hochburgen am Rhein um sich dort ordentlich einen hinter die Binde zu kippen, der (an diesem Tag scheinbar akzeptierten) sexuellen Belästigung zu frönen und die Innenstädte mit ihrem Urin zu schwemmen.
Der Martinstag hat aber noch eine andere Bedeutung. Er leitet die Weihnachtszeit ein. Ab jetzt wird sich auch wieder in Kindergärten und Schulen auf Weihnachten eingestimmt. Es wird gebastelt, gesungen, gelesen und es werden Kerzen angezündet. Ich erinnere mich da an meine Schulzeit. Wir hatten eigentlich jedes Jahr einen Adventskranz auf dem Pult stehen und jeden Tag wurden die Kerzen angezündet. Da ich im Chor war, wurden auch hier jetzt verstärkt Weihnachtslieder für das Weihnachtskonzert geprobt. Das Weihnachtskonzert der beiden Gymnasien in meiner Heimat waren viele Jahre mein Highlight des Schuljahres. Als nach ein paar Jahren jedes Gymnasium glaubte sein eigenes Süppchen kochen zu müssen und das Weihnachtskonzert bei uns in kleinem Rahmen und in einer wenig festlichen und akustisch desolaten Aula stattfand, war der Reiz für mich verflogen. Man war aber immer noch jeden Tag mit geschmückten Klassenzimmern und einer freudigen Stimmung ausgesetzt. Das alles stimmt einen selber natürlich auch festlich. Dann gab es noch das alljährliche Weihnachtsplätzchenbacken bei meiner Oma. Wenn das stattfand, wusste man, dass es jetzt so richtig los geht.

Weihnachtsverdruss?

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Aber diese Stimmung ist seit einigen Jahren bei mir verloren gegangen. Ich nehme mir jeden Herbst vor, wieder etwas bewusster durch die Weihnachtszeit zu laufen, aber es gelingt mir einfach nicht. Vielleicht sind meine Erwartungen durch die Kindheitserinnerungen zu hoch, sodass der Versuch nur scheitern kann.
Während meiner Schauspiel - und Gesangsausbildung wurde ich recht schnell auch Tontechniker und später Aufnahmeleiter im angeschlossenen Tonstudio. In meinem ersten Semester nahm ich dort bereits die Kollegen auf, die sich im zweiten oder dritten Jahr befanden und das Studio für eine Weihnachts - CD Aufnahme buchten. Das zog sich über mehrere Wochen, in denen ich abends die Kollegen aufnahm, die Aufnahmen bearbeitete und sie zu einer CD zusammenstellte. Auch hier waren die Räumlichkeiten geschmückt und durch die allabendlichen Weihnachtsaufnahmen stellte sich auch hier ein Gefühl von Vorfreude ein. Kurz vor Weihnachten fuhr ich noch mal in das Studio und nahm mich selbst auf um die CD meiner Familie zu schenken. Das tat ich im übrigen ein Jahr darauf noch einmal und der Unterschied(der gesangliche Fortschritt) ist verblüffend. Auch war es alljährliche Tradition, kurz vor Weihnachten in einem nahe gelegenen Krankenhaus für psychisch Erkrankte, ein Benefiz Konzert zu geben. Das alles viel mit dem Abschluss mit einem Mal weg und die Tristesse des "normalen" Alltags erhielt Einzug.
Seitdem vergeht die Vorweihnachtszeit wie im Flug und ich selbst bin nicht mehr in der Lage diese Zeit aufzusaugen und zu genießen. Die Zeit verging aber nicht immer wie im Flug.
2015 verging sie quälend langsam, während ich in meinem Bett lag, die Decke anstarrte und mir wünschte am nächsten Morgen einfach nicht mehr aufzuwachen. Ich fürchtete mich vor den Weihnachtsfeiertagen. Was mir ansonsten so gefällt an Weihnachten, dass viele geliebte Menschen der Familie zusammen sind, machte mir Angst. Ich wusste nicht, wie sie reagieren würden, oder wie ich reagieren würde. Gespräche strengten mich an. Ich erkannte den Sinn vieler Unterhaltungen nicht mehr und klinkte mich komplett aus. Jede Konversation oder jeder Aufenthalt außerhalb meines Bettes war eine noch größere Qual, als in meinem Bett.
Letztes Jahr, nach meiner Genesung, hatte ich ein mulmiges Gefühl, als auf den Herbst und auf Weihnachten zuging und ich versuchte mich so gut es ging abzulenken. Ich war viel unterwegs und versuchte trotzdem die Weihnachtszeit mal wieder zu genießen. Dabei hatte ich aber so meine Schwierigkeiten zu begreifen, dass Weihnachtszeit genießen und der großer Genuss von Glühwein, jeden zweiten Tag auf dem Weihnachtsmarkt, zwei Dinge sind, die nicht unbedingt deckungsgleich sein müssen. Das habe ich dieses Jahr drastisch gezügelt, habe aber auch wieder sonst nicht wirklich etwas von der Vorweihnachtszeit mitbekommen.
Vielleicht klappt es ja nächstes Jahr, oder das Jahr darauf.

 

Es grüßt herzlich

Das Faultier

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