Gedanken der Woche: Scott Pilgrim und die Unfähigkeit ‚Ich liebe dich‘ zu sagen

“Ich sehe die Haltung der Postmoderne ähnlich der eines Mannes, der eine sehr gebildete Frau liebt, wobei er sich jedoch bewußt ist, daß er nicht zu ihr sagen kann: “Ich liebe dich bis zum Wahnsinn”, weil er weiß, daß sie weiß (und daß sie weiß, daß er weiß), daß dieselben Worte schon vorher von Barbara Cartland gebraucht wurden.“

-Umberto Eco

Das zitierte Problem von Umberto Eco, dass jede Aussage in der Postmoderne nur ein Zitieren einer anderen, vorher bereits da gewesenen Aussage darstellt, kennen wir Film-Nerds doch alle aus unserem Alltag. Ständig macht man Witze aus Filmen, die die Freunde hoffentlich kennen, um mitlachen zu können. Neben Witzen sind es aber vor allem die berühmten drei Worte, die in allen Graden des Kitschs aber auch des guten Geschmacks von den unzähligen Filmen in unseren Köpfen erprobt wurden. Was tun also, wenn man sagen will, was schon unzählige Male vorher gesagt wurde, obwohl die Liebe natürlich zu den privatesten und eigensten Gefühlen zählt? Kopiert man einfach eine Filmszene und hofft einfach darauf, dass der Partner sie nicht kennt, um nicht der Unoriginalität und des geistigen Diebstahls bezichtigt zu werden? Ziemlich schwierig. Wenn beide Partner von der Referenz wissen, dann steht ihre Liebe plötzlich unter dem Schutzpatronats eines Films und welcher ist schon so gut, dass er das wirklich leisten könnte? Und wenn beide das Spiel konsequent weiterspielen, würden fortan so alle weiteren Ereignisse in der Beziehung die Anlehnung des Films bestehen müssen.

Ein ziemlich lustiger Fall, in dem versucht wird, dieser Misere von vorgefertigter Liebe zu entgehen ist der Song ‚Garbage Truck‘, den Scott Pilgrim mit seiner Band spielt. Normalerweise handeln Liebessongs doch von zwitschernden Vögeln und Schmetterlinge im Bauch, Garbage Truck handelt stattdessen von der ‚coolen‘ Karre des Lovers, der seine Angebetete mit Abkehrarbeit und Müllhalden beeindrucken möchte.

Auch wenn Scott den Song nicht selbst singt, kann er als Liebesbotschaft an Ramona Flowers gelesen werden, weil gleich danach die Serie von Kämpfen mit ihren Ex-Freunden initiiert wird. Scott’s Beziehung zu Ramona ist zu diesem Zeitpunkt wohl doch schon fester, als er sie sich ausmalt. Was kann man von einem Jungen erwarten, der seine kurzen zwanzig Lebensjahre ausschließlich mit Animes, Games und Comics verbracht hat? Zum Glück benutzt er nicht irgendwelche Anime-Anspielungen, das wär ja Fremdscham pur. Aber vielleicht ist der Song über die Liebe des Abfalltransporters letzten Endes doch mit einer Prise zu viel Augenzwinkern und Selbstironie geschrieben, dass er doch mehr zur Selbstdarstellung des Singenden als zu einem richtigen Lovesong für die Angebetete taugt. Ich find‘ ihn jeweils einfach super witzig und daneben noch ziemlich originell, weil er grade das beim Wort nimmt, was Eco so zu schaffen macht, wenn er sich fürchtet angesichts seiner gedanklichen Zitatfülle ‚aus der Konverse‘ zu lieben. Sex Bomb-Omb erobert die Meta-Ebene, indem sie sagen: Liebe ist unser Schrottplatz, um seine Trümmer können wir herum fahren und in ihm können wir uns besudeln, richtige Love-Songs sind nicht mehr als Heuchelei.

„I’ll take you for a ride
on my Garbage Truck
oh no!
I’ll take you to the dump
Cause you’re my queen.
[…]
I’ll never throw you away
when you’re old and grey
Just roll it away.“

(zu den vollen Lyrics gehts hier)

Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. Zu diesem Thema möchte ich folgende Folge einer meiner Lieblings-Comedyserien in die Kommentarspalte werfen:
    King Of Queens 7×13: Gorilla Warfare – Kein Mann der großen Worte

    „Du hast nicht nur mein Leben gerettet, Braunauge, du hast mein Leben erst lebenswert gemacht:“

    Der Satz hat dafür gesorgt, dass sich Carrie in Doug verliebt. Jetzt erfährt sie, dass er aus einer Fernsehseries stammt und zu einem Affen gesagt wurde. Ein Klassiker.

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