Mittwoch, 7. Juni 2017

Bodyshaming für Dicke und für Dünne! Gleiches Recht für alle!

Vor einem Jahr war das absolute Lieblingsthema auf sämtlichen Boulevardseiten, Onlinemagazinen und Social Media der After Baby Body. Das Thema hat sich entweder (zum Glück) etwas totgelaufen oder ich muss einfach nur noch zwei bis drei Monate warten, da halten die Promis ihre frisch geschlüpften Babys vor ihrer 60 cm Taille und die Welle der Bewunderung schwappt wieder durch das Netz. 

Doch was immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rückt, ist Bodyshaming. Ja natürlich, es ist widerlich, was da für Kommentare von grenzdebilen Schwachmaten abgesondert werden. Doch so manchem scheint es auch zu schmeicheln. 


Denn die anorektisch durch Instagram staksenden Influencer möchten auch einen Stück vom Kuchen haben! Es gibt auch Bodyshaming gegen Dünne! 
Es ist schon ein gewaltiger Unterschied, ob jemand unter ein Bild, welches zu 80% aus hervorstehenden Knochen besteht, schreibt, dass das abgebildete Menschlein doch arg dünn sei, oder ob einer korpulenteren Person Beleidigungen wie „Fette Sau“ an den Kopf geworfen werden. Denn ich finde ehrlich gesagt, gibt es viel zu wenig junge Mädchen denen auffällt, dass ihr angehimmeltes Starlet schlicht und ergreifend untergewichtig ist. Klar gibt es von Natur aus sehr schlanke Menschen, an denen Kleidergröße 34 hängt wie ein Sack Kartoffeln. 

Doch ich meine diese Mädchen, die mit ihren hervorstehenden Rippen derart kokettieren, dass es einem schlecht wird. Deren Lieblingsessen ihre bescheuerte Wassermelone ist. Ehrlich, ich kann das nicht mehr sehen! Denn damit befeuert man doch wieder nur, dass es gesund und richtig sei, auf fast 1,80 m 48 Kilo zu wiegen. Dass Thigh Gap, Bikini Bridge und Ab Crack en vogue sind und man endlich mal aufhören soll, diese tollen, „schlanken“ Körper zu diskriminieren. Andererseits, ist es doch eine schöne Bestätigung zu hören, wie dürr man doch sei, oder?

Können wir nicht mal damit anfangen, eine halbwegs gesunde Beziehung zu unserem Körper und unserem Essverhalten zu entwickeln? 

P.S.

Ah, und noch was: jemanden Dickes, als dick zu bezeichnen ist zwar nicht wirklich nett, aber vielleicht noch unfreundlich wahr. Ein Mädchen mit Kleidergröße 36/38 als dick zu bezeichnen, entbehrt aber jeglicher Grundlage.

Mittwoch, 10. Mai 2017

Berlin, mach mich nicht mürbe...

Berlin, Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten gaukelst du uns vor. 
Sei jung, wild und frei! Auch wenn du schon 43 bist. 
Du lässt mich erlahmen. Du machst mich mürbe. 

Dein Lieblings-Lokal wechselt abrupt den Besitzer, die Sour Creme von Block House ist laut deiner Rewe-Mitarbeiterin nur ein Sommerprodukt  und das abgefahrene Street-Food-Mobil steht mal wieder an einem völlig unerreichbaren Ort. 
Du hast die Wahl: quälst du dich eine Stunde lang 10 km mit dem Auto durch die Stadt oder nimmst du die chronisch überfüllte S-Bahn. Hier blüht dir entweder eine in dein Gesicht gedrückte, bestimmt nicht frisch gewaschene Achsel oder der gut getarnte Mate-See auf dem letzten freien Sitzplatz.  
Wenn nicht der zugedrogte Hallodri mitten auf dem Gehweg einpennt oder der aufgeschwemmte Alkoholiker von der Parkbank kachelt, begegnet dir bestimmt der eine Obdachlose, der so gern seine Geschäfte auf dem Bahnsteig verrichtet. 

wikimedia.commons


Berlin, ich bin eine Quasseltasche, aber du schaffst mich und dass ich manchmal verstummt den Kopf schüttele. Dann will ich mich nur noch ins Bett legen, die Decke über meinen wummernden Kopf ziehen und von Gänseblümchen träumen. 

Doch dann haut der verrückte Nachbar unter mir auf den Gong und das Kind obendrüber spielt krakeelend Basketball.

Mittwoch, 8. März 2017

Froher Weltfrauentag! Warum es so wunderbar ist, eine Frau zu sein.

Ich liebe es eine Frau zu sein. Ich würde niemals tauschen. Ich bin nicht gender-neutral. Wenn du es sein willst, ist es deine zu respektierende Entscheidung. Aber ich bin eine Frau. Und es ist fantastisch. Natürlich bin auch ich schon mit Macho-Plattitüden und Testosteron-Arroganz konfrontiert worden. Aber ich lasse mir doch nicht die Butter vom Brot nehmen. Wo kommen wir denn da hin? 

Ich kann natürlich nicht für jede Frau sprechen, aber ich, ich fühle mich 
eins mit mir
mutig
stark
dickköpfig
in mir ruhend
konfliktbereit wenn es sein muss
harmonieliebend
verbunden mit anderen Frauen
bereit für die Zukunft
angekommen
kussecht
geliebt
wohl in meiner Haut
ja, auch sexy
manchmal auch unsicher (dank Photoshop und U8 in Berlin).

copyright: Franziska Runge


Feminismus bedeutet nicht den Mann zu verteufeln oder den BH in die Ecke zu feuern. Es heißt nicht Röcke zu meiden oder in jedem Satz die Herabstufung der Weiblichkeit zu suchen. Wir müssen auch nicht der Männlichkeit nacheifern! Eine 23-jährige Hausfrau und Mutter, die sich für den Playboy nackig macht und ihre Meinung und ihre Wünsche geraden Rückgrats vertritt kann genauso Feministin sein wie eine Hosenanzug-tragende Vorstandschefin eines DAX 30 Unternehmens. 

Feminismus bedeutet frei seine Entscheidungen treffen zu können. Wir sind keine machtgeilen Furien, wenn wir eine Karriere machen wollen. Wir sind keine gescheiterten Existenzen, weil wir einen Großteil unseres Lebens unseren Kindern widmen. Wir sind keine Schlampen, wenn wir unser Dekolleté gern in Szene setzen.

Wir verlangen diese Akzeptanz von Männern. Dann müssen wir das auch unter uns Frauen schaffen.

Lasst die Stutenbissigkeit und den Zickenkrieg im Streichelzoo. Neid und Missgunst bringen doch nun gar nichts. Klar, fühle ich mich neben Freundinnen mit 1,60 m wie ein Dragoner. Aber sie können doch nichts für meinen Wunsch auch einmal im Leben so eine kleine niedliche Elfe sein zu wollen. Und ich hab meine Brüste nicht um anderen sportlich-schlanken Frauen auf die Nase zu binden, dass nur ein D-Körbchen der einzig wahre Weiblichkeitsbeweis ist.


Seid stur und setzt euch für eure Rechte ein.

Wer für sich eintritt, tritt für jede von uns ein.




Für uns soll's rote Rosen regnen.

Freitag, 30. Dezember 2016

Fröhliches neues Jahr! Happy New Year! God fortsättning! Guten Rutsch!

Für viele ist Weihnachten bereits abgehakt. Endlich den Rotkohl-und-Klöße-Marathon überstanden, die Geschenkpapierberge erklommen und Einkaufsorgien hinter sich gebracht. Puh, endlich ist der Stress vorbei!

Ich finde das ganz schrecklich! Weihnachten ist in seinem wahrsten Sinne wundervoll. Ich mag nicht mehr an den Weihnachtsmann glauben, was ich persönlich sehr bedauere, doch ich glaube ganz fest daran, dass Weihnachten die Welt ein bisschen besser macht. Hat es nicht etwas heiliges, dass einmal im Jahr überall im Land und nicht nur in unserem Land, die Zeit langsamer läuft, die Luft ein bisschen flirrender ist und die Kerzen wärmer scheinen als sonst? Dass sich die Menschen auf ihre Lieben besinnen, das Jahr Revue passieren lassen und sich in ein wattiges Tuch aus Tannenduft, Lichterglanz und Vanillekipferln hüllen? Auch wenn die Aufregung auf den Weihnachtsabend mit den Jahren abnimmt, so verliert er trotzdem nicht seinen Zauber aus Glitzer, Lichterketten und großen glänzenden Kugeln. 



Weihnachten steht für die Liebe, die Freude, die Ruhe, das Insichkehren, für die Mitmenschlichkeit und den Anti-Egoismus. Und all das hat doch während des Jahres viel zu wenig Gewicht. Weihnachten ist ein Schnitt in dem nicht enden wollenden Rad aus Hektik und To-Do-Listen, der uns erinnert, was und wer uns wichtig ist. 


Auch wenn der Heiligabend vorbei ist, sollte man doch ein wenig von seinem Gefühl ins nächste Jahr hinüberretten. Wie könnte ein Jahr schöner anfangen?  

Fröhliches neues Jahr wünsche ich euch! 

Und lasst die Tannenbäume noch ein paar Tage eure Wohnungen mit Frohsinn füllen!

Donnerstag, 1. September 2016

Hallo Sigmund, kleiner Schmusekater! Du schlaues und süßes Tier ...

Mein Freund und ich haben vor drei Wochen eine sehr gute Entscheidung getroffen. Wir haben einem 12 Jahre alten Kater aus dem Tierheim ein neues Zuhause gegeben. Das kleine Wesen war bei den anderen Katzen-Interessenten nicht sehr beliebt, war seine Krankengeschichte doch eher keine Novelle. Diabetes, Nierenprobleme und ein bisschen kahl, ist scheinbar nicht das gesuchte Portfolio der Tierheimbesucher. Ich bin ehrlich, die ersten zwei Tage waren wirklich kein Zuckerschlecken. Da wurde gefaucht, einem der Zugang zum Flur versperrt und hinterm Sessel gegrummelt. Vor Staubsaugern und Stiefeln hat der Kleine immer noch panische Angst, doch ansonsten pest er gar nicht mehr über die Dielen rutschend durch die Wohnung. Nein. Er ist ein ganz besonderer Kater. So schlau und einfühlsam ist mir noch kaum eine Katze begegnet. Wenn mein Freund die Wohnung verlässt, sitzt er im Schnitt eine Stunde vor der Haustür und hat sie ganz genau im Blick. Könnte doch sein, dass sein Kuschelfreund gleich zurückkehrt!Schon am dritten Tag begriff der kleine Tiger, was das Klingeln des Weckers bedeutet und so werde ich ab jetzt um sieben von einem plüschigen Köpfchen wachgenuschelt. 



Doch eine Sache hat mich gestern Abend sehr gerührt. 
Ich erhielt eine Mail, die viel Unruhe für mein Leben ankündigte. Ich saß in meinem Bett und weinte. Da kam Sigmund, schaute mir in die Augen und legte ganz sachte sein Köpfchen auf meine Brust. Und dann, mir lief schon die erste Träne vor Rührung die Wange hinunter, legte er seine linke Pfote auf meine Hand. Er hatte die Krallen so weit eingezogen um mich nicht zu verletzen und doch ein Stückchen herausgefahren um meine Hand zu halten. 
Ich holte mir ein Taschentuch und als ich meine Hand wieder auf meine Brust legte, legte er sein Pfötchen ein weiteres Mal auf meine Hand. 

Vielleicht mögen einige mit den Augen rollen, aber ich wusste in diesem Moment ganz genau, dass er mich trösten wollte. Und für so eine tiefe Verbundenheit mir gegenüber, nach so kurzer Zeit, bin ich unendlich dankbar. 


Ich freue mich, dass Sigmund sich so wohl bei mir fühlt. Dass er meinen Freund so gern hat. Und dass er sich in meinem Zuhause zuhause fühlt. 










Donnerstag, 25. August 2016

Zehn Minuten Berlin

Der Wind weht lau an diesem Freitagmorgen. Die Sonne verheißt einen flirrendwarmen, sommerlichen Tag. Ich nehme den Weg durch den angrenzenden Park, denn ich möchte an diesem unschuldigen Morgen die mehrspurige Hauptstraße und das besetzte Haus auf der linken Seite umgehen. 




Auf dem Platz vor dem Park begegne ich einem Obdachlosen. In seiner Wange, seinem Kinn und seinen Nasenflügeln hat er münzgroße Löcher. Er liegt nicht auf sondern hinter seiner Stammparkbank auf dem steinigen Boden. Er beobachtet die vorbeiziehenden Wolkenfelder, doch sein Gesicht sieht man kaum, denn seine schwarzen Dreadlocks hängen ihm tief ins Gesicht. Trotz der milden Temperaturen hat er seine dunkle Wollmütze bis zu den Augen heruntergezogen. Auf andere wirkt er bestimmt ein wenig beängstigend, doch ich sehe ihn tagtäglich und habe mich an ihn gewöhnt.
by wikimedia
Ich lasse meinen Blick über den Teich des Parks schweifen. Der mir gut bekannte Graureiher ist zum Frühstück erschienen und begutachtet die Auslage des Buffets unter der Wasseroberfläche. Anmutig spannt er seine Flügel auf und beginnt seine Jagd. Die überquellenden Mülleimer neben der steinernen Uferbegrenzung täuschen den Umstand vor, im Park läge kein weiterer Müll. Doch die sich zu Ende neigende Woche war warm und zog dementsprechend viele Sonnenanbeter mit ihren to-go-Verpackungen auf die Wiese.
Ich passiere verschmutzte und mit Graffitis versehene Bänke, an der einen fehlt eine Strebe an der anderen ist das Holz gesplittert. Ich nähere mich dem sandigen Parkausgang und spaziere an den im französischen Café sitzenden und sich entblätternde Croissants essenden Touristen und Hipstern vorbei. Meine Tramhaltestelle ist nur noch wenige Meter entfernt. Laut des kornblumenblauen Himmels und der hochstehenden Sonne sollte ich besser noch einen Abstecher in den Kiosk machen um meinen Durst zu späterer Stunde stillen zu können. Ich folge der Empfehlung der Sommerboten und greife mir eine Literflasche Mineralwasser aus dem summenden Kühlgerät. Ich bezahle und vernehme Tumulte außerhalb des Kiosks. Vor dem Geschäft stehen einige dunkle Tische und Stühle aus Holz. Am Abend tummeln sich hier die Partygänger aus aller Herren Länder um noch ein Bier vor dem Clubbesuch zu trinken oder neue Begleiter für die Nacht zu finden. An einem Morgen wie diesem sitzen hier meist Männer und Frauen, ein paar Jahre älter als im besten Alter, und trinken ihr erstes oder letztes Sternburg für den Tag.
Ich trete aus dem Kiosk und erkenne den Grund für die Tumulte: ein Sternburg-Trinker im verwaschenen T-Shirt, welches in einer befleckten Jeans steckt, brüllt einen anderen an, der an einem der Tische sitzt und leer gen Boden sieht. „Das ist doch widerlich! Wieso machst du das? Spinnst du? Murat! Komm her! Der Assi hat hier einfach auf den Boden geschifft!“
Unter dem Tisch des Mannes ist ergießt sich ein See, seine Hand verschließt gerade den Reißverschluss seiner beigen Cargo.
Mit geschwellter Brust, verpackt in einem Ferrari-roten Shirt, stapft besagter Murat aus Richtung des angrenzenden Döners-Imbisses auf die Szenerie zu. Seine Arme berühren den Oberkörper nicht, als hätte er O-Arme statt O-Beine. Mit einem Schlag fegt er die vor dem Missetäter stehende Flasche Sternburg vom Tisch. Drei Meter im Flug nimmt sie bestimmt, bevor sie mit klirrender Melodie auf dem Asphalt zerbricht und ihre Scherben zwischen dem verschütteten Bier ein glitzerndes Mosaik bilden. Ich stehe dort wie erstarrt und mein Blick wandert zu Murat, der nun wenige Centimeter von dem sitzenden Mann entfernt steht und ihn mit Schimpfwörtern bedeckt. Ich kann nur noch die hilflos schauenden Augen des Mannes sehen, welcher scheinbar unter der Decke aus Hasstiraden völlig in sich zusammensackt. Mitleid kriecht in mir hoch. Wut kocht in mir auf. Meine eigene Hilflosigkeit in dieser Situation wird mir bewusst. Ich in Konfrontation zwischen einem betrunkenen, sich kaum noch selbst helfen könnendem Mann und einem Testosteron-Gorilla reitenden Murat, der das Schreien gar nicht mehr lässt?
Ich flüchte in die heranfahrende Tram und höre eine weitere Glasflasche auf dem Gehweg zerschellen.



Donnerstag, 21. April 2016

Ein Lächeln ist wertvoller als jeder Groll dich cool, tough und so Berlin machen kann.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Berliner genervt sein wollen. Dass sie denken, sie müssten sich diesen kosmopolitisch bewährten Stress aneignen um ein wahrer Großstädter zu sein.

Ich saß vor einer Woche in einer mäßig gefüllten S1, der nächste Halt: Potsdamer Platz. Eine Klasse Zweitklässler steigt mit mehreren Lehrerinnen in den Zug. Die bemühte Aufpasserin versuchte möglichst ruhig alle Kinder auf Sitzen zu platzieren, damit sie niemandem im Weg stehen und die Schüler beim Anfahren der Bahn nicht wie Lottokugeln durch den Waggon purzeln. Eine Mitte 40 Jahre alte Färbe-Blondine besetzte mit ihrer Handtasche einen freien Sitzplatz direkt am Eingang. Mit einem freundlichen Lächeln fragte die Lehrerin, ob sie den Platz für eines der Kinder frei machen könne, indem sie ihre Tasche hochnähme.
Doch anstatt dieser höflichen Bitte einfach nachzugehen, schlug die Mittvierzigerin verächtlich die Augen auf, grinste gehässig und hob im Schneckentempo mit den Worten: „Aaaaber natüürlich, kann ich meine Tasche hier wegnehmen.“ dieselbe an und legte sie kopfschüttelnd auf ihren Schoß.




Ich verstehe so etwas nicht. Warum versucht diese Frau auf Biegen und Brechen etwas negatives in einer nett formulierten Frage zu finden? Sie scheint doch förmlich Streit, Stress und ein schlechtes Gefühl zu suchen. Diese Begebenheit ist natürlich kein Weltuntergang, aber sie zeigt, dass viele Menschen überhaupt nicht darauf aus sind, einen angenehmen Tag zu erleben und ihrem Drumherum nicht die Laune zu verdunkeln.
Es ist gänzlich ohne Sinn sich das Leben schwerer zu machen, als es sein müsste. Außer man erhofft sich dadurch eine coole Berlin-Attitüde. Eine fass-mir-an-die-Füß-Aura, die niemandem etwas nützt, nur Unmut sät und den Alltag für jeden etwas schwerer macht.

Kann man das wirklich wollen? 

Wenn ich sowieso dazu bereit bin meine Tasche anzuheben, kann ich das doch auch mit einem Lächeln machen. Ein Danke tut einem nicht weh, wenn einem gerade der Weg zur U-Bahn erklärt wurde. Und das Aufhalten der Tür für eine weitere Sekunde erspart dem Nachbarn das mühselige Suchen nach dem Haustürschlüssel im Regen.
Ganz kleine Gesten können für einen anderen Menschen eine wahre Hilfe sein, die ihnen vielleicht die Stimmung rettet.  

Sozialsein beginnt nicht damit nach Südamerika zu reisen und dort in Kinderheimen zu arbeiten oder sich aktiv für den Mindestlohn einzusetzen. 
Das Fundament des Sozialseins liegt auf Herrn und Frau Alltags Grundstück.


Mittwoch, 9. Dezember 2015

Sag, Weihnachten: Verschwindest du nur von den Straßen oder auch aus unseren Gedanken?


Weihnachten ist das Fest das unsere Sinne in watteweiche Schneeflöckchen und knisterndes rotes Geschenkpapier verpackt. Die geschmückten Fenster und Läden strahlen in die eisige Nacht hinein und der Duft von Zimtplätzchen und Lebkuchen steigt uns in die Nase. Die Wohnungen sind erfüllt von dem erdigen Geruch der drapierten Tannenzweige und den Lichtschalter betätigen wir so gut wie gar nicht mehr; wir haben ja Kerzen. Flackernd betrachten wir ihren Schein, während wir Weihnachtskarten und -briefchen an unsere Lieben schreiben.



Doch Stopp. Ich bin in Berlin. Ich habe mir zwar eine kleine weihnachtliche Oase in meinen vier Wänden geschaffen, doch setze ich einen Fuß vor die Tür ist jeder Anflug von festlicher Stimmung dahin. Nicht ein Türkranz oder Tannenzweig ist in meinem Haus zu finden. Nicht einmal die (überaus anstrengende) Familie von oben drüber hat etwas schönes ins Fenster gehängt. Ein Blick in meinen Hinterhof verrät: keinen aus den fünf Hinterhäusern scheint ein gemütliches Weihnachten am Herz zu liegen. Wo sind all die Lichterketten und Nussknacker hin? 



In meinem Rewe ums Eck kaufen die Menschen fertigen Plätzchenteig und im Hoch ihrer Emotionen einen erschreckend hässlichen Fertig-Adventskranz. Die einzigen Adventskalender, welche den Weg auf das Laufband der Kassiererin schafften, waren Coca Cola Trucks mit besinnlicher Fanta im Innern. Wo im letzten Jahr noch gemahlene Haselnüsse und Vanillezucker ausverkauft waren, türmen sich noch immer, scheinbar unangetastet, die Lebkuchengewürze und die Kokosflocken.
Auch das Straßenbild lässt einen eher daran zweifeln als erahnen, dass in zwei Wochen das Christkind an die Türe klopft. Abgesehen von einem Lichterkettenteppich gespannt zwischen zwei Bürohochhäusern am Hackeschen Markt begegnet mir wenig schmückendes auf meinem Weg durch die Stadt. Im Gegenteil: die zusammengefegten Laubberge liegen seit drei Wochen in riesigen Plastiksäcken neben dem Postkasten mitten auf dem Gehweg. Seit genauso langer Zeit vegetieren die abgesägten Äste der Bäume aus dem Park auf dem Boden herum.

Selbst in den Geschäften wirken die verzweifelten Mini-Deko-Versuche wie eine Pflichtübung. „Irgendwas weihnachtliches müssen wir ja machen. Komm, stell mal so 'nen Zweig mit roten Beeren neben die Kasse. Das muss reichen.“

Ich will Weihnachten. Ich möchte dieses heimelige, entschleunigte Gefühl von Zuhause. Umhüllt von glänzenden Lichtern und Düften von Gewürzen, die nur zu dieser Jahreszeit schmecken. Ich will Geschenke nicht nur endlich abhaken, sondern mir Zeit nehmen, um das richtige Präsent für eine liebevolle Person zu finden. 

Ich weiß nicht, ob es ein Berliner Problem ist. Gestern ging ich an einem Geschäft vorbei, worüber in pinken Neonlettern „#Weihanchten am Arsch“ prangte. Das ist nicht lustig oder humorvoll. Das ist despektierlich. Es ist eine Abwertung eines Festes, dessen Gedanke so schön und faszinierend ist, dass wir es unter allen Umständen schützen müssen. Weihnachten darf für uns nicht an Bedeutung verlieren. Es geht nicht per se um die Lichter und den Schmuck an sich. Sondern dass wir damit Wertschätzung und ein Bewusstsein für diese zauberbringende Zeit zeigen. Dass wir Weihnachten zelebrieren, denn keine andere Zeit im Jahr rückt unsere Familie und Freunde so in den Vordergrund. Es ist für viele der einzige Anlass in diesen 12 Monaten nach heimzukehren, sich wirklich ganz und gar frei von der Arbeit zu nehmen und das Beisammensein zu genießen. Gerade in schnelllebigen Zeit haben wir das noch bitterer nötig als sonst.

Habt Weihnachten in euren Gedanken, Herzen und schmeißt die wunderschöne Tradition nicht einfach weg. Sie ist sehr wertvoll.

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Euer Hochmut steht euch genauso schlecht wie eure Kopfbedeckungen, liebe 1001 Modebloggerinnen.

Verzweiflung trieft aus ihren Kunstwimpernbeklebten Augenhöhlen.
„Nein, Pink Autumn, die Verlängerung war teuer, jede Flüssigkeit könnte das Ende dieser einzeln angebrachten Härchen sein.“ Hektisch blickend, angsterfüllt den nächsten Trend zu verpassen durchsuchen Pink Autumn und Fluffy White Trousers die On- und Offline-Boutiquen dieser Welt wie ein Eichhörnchen den angefrorenen Januarboden. Doch die Tarnung der Modebloggerinnen ist nicht halb so gut wie die von Erwin und Puschel. Denn mit übergroßen Kopfbedeckungen erinnern sie schon aus 200 Valentino-Rockstud-Schritten Entfernung an den verschrobenen Zauberer, der gleich ein zitterndes Karnickel aus dem Hut zaubert.



Aufgefallen ist mir das mehr denn je in Paris. Ich verbrachte vier wunderschöne Tage mit meinem Liebsten in Frankreichs Hauptstadt, leider ausgerechnet zu den Modeschauen. Mit etwas Geschick umschifften wir die größten Fashion-Victim-Rotten. Doch in der ein oder anderen Brasserie war es nicht zu leugnen: die selbst ernannten Fashion-Königinnen nahmen Paris unter ihre Schreckensherrschaft. Viel zu schmale Mädchen wurden von Elefantenkopf-großen Fedoras durch die Pariser Straßen getragen. Überall thronten diese überdimensionalen Pappkartons auf den frisch ombréierten Köpfen.

Quelle: asos.de


Dieser Hut ist ein Accessoire gewordenes Symbol für die Maskierung vieler Fashionbloggerinnen. Um ehrlich zu sein: Modeblogs interessieren mich einen feuchten Kehricht. Zu Recherchezwecken habe ich mich schon einige Stunden in diesen Klamotten-Tagebüchern herumgetrieben. Doch die meisten von ihnen demonstrieren nur minimale Interpretationen einer Trend-Tracht. Und auch in Realität sehen diese Mädchen wie kostümierte Kaufsüchtige aus. Sie degradieren sich zu Werbeflächen für vermeintliche It-Pieces um sie in der breiten Masse zu etablieren. Würden diese Mädchen nicht den Anspruch auf Innovation erheben, sehe die ganze Maskerade schon viel glaubwürdiger aus. Doch viele Modebloggerinnen spielen Fasching und verkleiden sich als modisches (angeblich-)Novum mit einer Prise zu viel Arroganz.


Quelle: https://www.ssense.com/en-us/women/product/acne-studios/gold-metallic-adriana-sneakers/597703



Habe Anstand Weib und blicke mit solchen güldenen, melancholischen Blechbüchsen an den Füßen nicht abschätzig auf eine junge Frau mit Baskenmütze herab. Natürlich lässt sich über Geschmack streiten (obwohl ich in den Raum werfen möchte, dass diese Außerirdischen-Vertreibungs-Treter in einem Jahr nicht mehr von seiner Besitzerin ausgeführt werden, weil sie ihr nach dem Trend auch nicht mehr gefallen werden). 

Man kann aber die Egozentrik und Selbstbeweihräucherung dieser Frauen diskutieren. Sie erfinden das Rad nicht neu. Sie tragen nur Kleidung, die meist weder schön noch faszinierend kombiniert wird. Schwingt euch von eurem meterhohen Fashion-Gaul und begegnet Menschen ohne Pharrell-Williams-Lookalike-Ambitionen auf einer Ebene. Räumt nicht Paris' oder Berlins Hip-Boutiquen leer. Versucht es doch mal mit Stil. Einer Prise Eleganz oder Natürlichkeit. Dann outet ihr euch auch nicht schon von weitem als jemand, der durch das Auftragen von Trends Anerkennung sucht.