Im Glaspalast Sindelfingen habe ich als Kind und Jugendliche zahlreiche packende Sportveranstaltungen erlebt. Wer sich damals im Großraum Stuttgart für Sportevents interessierte, kannte den Glaspalast mit seiner markanten Optik. Nach 40 Jahren wurde der ausgezeichnete filigrane Bau mit viel Glasflächen so saniert, dass seine Charakteristik erhalten blieb. Gelungen, wie ich finde.
Sindelfingen, ca. 15 Kilometer von der Landeshauptstadt Stuttgart entfernt, galt in den 70ern als eine der reichsten Städte des Landes. Mit dem Glaspalast setzte man ein selbstbewusstes architektonisches Zeichen. Architekt Günter Behnisch und Partner planten und realisierten den markanten Bau als reine Sportstätte. Und er wurde mit Leben erfüllt: Zahlreiche sportliche Großereignisse mit klingenden Namen der Top-Athleten wurden ausgetragen, fulminanten Siegen gefeiert und spektakuläre Weltrekorden aufgestellt. Ereignisse wie beispielsweise der Weltrekord von 7,3 Sekunden über 60 Meter Hürden 1994 von Colin Jackson verleihen diesem Ort etwas magisches. Das schafft eine Verbindung zu diesem besonderen Bauwerk.
Gerne erinnere ich mich daran, wie ich mit meinen damaligen Hochsprung-Idolen Carlo Thränhardt und Dietmar Mögenburg mitgefiebert habe und dann doch zu schüchtern war, um ein Autogramm holen. Erfahrbare Geschichte, gelebte Zeit – Gebäude sind mehr als ein umbauter Raum. Umso wichtiger, dass solche besonderen Bauwerke erhalten und gefühlvoll saniert werden. Ich freue mich, dass ich “meinen” Glaspalast aus meiner Jugend immer noch erkenne, obwohl er in neuem Glanz erstrahlt. Schön, dass die Geschichte im Falle des Glaspalastes in Sindelfingen weiter geschrieben wird.
Der Glaspalast in Sindelfingen wurde von den Behnisch Architekten saniert. Klick um zu Tweeten40 Jahre nach der Eröffnung des Glaspalastes in Sindelfingen nimmt sich das Architekturbüro Behnisch Architekten der Sanierung an. Beste Voraussetzungen, da der Sohn Stefan Behnisch und seine Partner das Architekturbüro im Geiste seines 2010 verstorbenen Vaters Günter Behnisch führen. Denn solch ein besonderer Bau darf ohne die Zustimmung des Architekten oder dessen Erben nicht so einfach verändert werden. Das prägnante Erscheinungsbild sollte erhalten bleiben. Dabei galt es, die aktuellen Anforderungen an Wärmeschutz und Brandschutz zu erfüllen und der heutigen erweiterten Nutzung als Veranstaltungshalle gerecht zu werden. Übrigens wurde die Bezeichnung “Glaspalast” erst später zur Marke, anfangs war dies nur eine umgangssprachliche Bezeichnung.
Energetisch gesehen, herrscht heute gegenüber den 70er-Jahren ein neues Zeitalter – doch gute Architektur hat immer Bestand. Es gilt also, das eine zu erfüllen, ohne das andere zu zerstören. Wirschaftlich sollte sich das Ganze dann auch noch darstellen lassen. Besondere Herausforderung: Die ästhetischen Qualitäten wie das gläserne und metallische Erscheinungsbild mit den filigranen gras- bis türkisgrünen Tragkonstruktionen des Glaspalastes zu wahren. Angesichts der aktuellen baurechtlichen und klimatischen Anforderungen keine leichte Aufgabe, die die Behnisch Architekten da stemmen mussten.
In Sachen Glas hat sich in den letzten 40 Jahren sehr viel getan. Ein wahrer Quantensprung sorgt dafür, dass Fensterflächen heute hochmoderne Teile der Fassade sind. Beim gläsernen Hallendach setzten die zweistufigen Sanierungsarbeit auch an. Energetische Aspekte standen aufgrund der gestiegenen Energiekosten besonders im Fokus. Diese Anforderungen konnten mit dem Einsatz neuer Glastechnologien erfüllt werden. Und manches ist auch einfacher geworden – auf den außen liegenden Sonnenschutz konnte verzichtet werden.
Glaspalast Sindelfingen: Erscheinungsbild blieb trotz energetische Anforderungen erhalten. Klick um zu TweetenAufgrund altersbedingter Abnutzungen und einer erweiterten Nutzung als Veranstaltungsort wurde das 2.500 Quadratmeter große Spielfeld umgebaut. Es ist jetzt nicht nur für Sportveranstaltungen ausgelegt, sondern auch besser für Messen, Kongresse und Konzerte geeignet. Zudem wurde der Brandschutz gemäß den heutigen Anforderungen erweitert.
Es bedarf immer einer Portion Fingerspitzengefühl, wenn ein besonderes, das Stadtbild prägende und als Wahrzeichen in den Köpfen verankerte Bauwerk saniert werden muss. Die Außenansicht und die Charakteristik gilt es zu erhalten und gleichzeitig soll der aktuelle Standard erreicht werden. Beim Glaspalast Sindelfingen ist dies gelungen. Das zeigt, dass es sich lohnt, solche Bauwerke zu erhalten und zu sanieren. Ein neuer Bau ist immer auch eine neue Ära, bei der die Geschichte neu geschrieben werden muss wie das Wembley-Stadion in London beispielsweise zeigt. Manchmal geht aber auch beides: Altes bewahren und Neues schaffen. Ein weiteres beeindruckendes Beispiel wie man bei Sanierungsmaßnahmen eines Hochhauses den Spagat zwischen der zu erhaltenden Optik und neuer technischer Anforderungen gemeistert hat, zeige ich hier.
Fakten zum Glaspalast Sindelfingen auf einen Blick:
⇒ 1977 Eröffnung
⇒ Bauherr: Stadt Sindelfingen
⇒ Architekt: Günter Behnisch & Partner
⇒ 1977 BDA-Preis Baden-Württemberg
⇒ 1978 Hugo-Häring-Preis
⇒ 2016 unter Denkmalschutz gestellt
⇒ bis 2016 energetische Sanierung erste Stufe: Behnisch Architekten, Stuttgart
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