Meine Hassliebe zu Game of Thrones

Quelle: Telltale Games

ACHTUNG SPOILER: Falls du Game of Thrones (Staffel 1 bis Staffel 7) noch nicht geguckt hast, dann könnte dich diese Kolumne spoilern. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass ich mich nur auf die TV-Serie und nicht auf die Bücher beziehe.

Game of Thrones und ich haben eine unausgesprochene, leidenschaftliche Hassliebe, die mit jeder Staffel neu entfacht. Ich weiß noch, als ich vor einiger Zeit Staffel 1 auf DVD gekauft hatte, weil damals alle über die Serie gesprochen hatten und wie cool sie doch war. Als der Serienliebhaber, der ich bin, konnte ich es mir nicht entgehen lassen, die Serie selber unter die Lupe zu nehmen. Und naiv wie ich war, dachte ich, dass die Gerüchte nur übertrieben sind. Eine Serie kann doch ihre Hauptcharaktere nicht einfach so kaltherzig ermorden, immerhin sind sie doch die Helden der Geschichte, mit denen der Zuschauer sympathisiert, mitfühlt und mitfiebert. Und Staffel 1 hätte es mich eigentlich schon lehren sollen, dass ich mir weitere Staffeln meiner Gesundheit zuliebe nicht antun sollte. Aber die Charaktere waren einfach zu interessant, die Unvorhersehbarkeit ihrer Zukunft zu fesselnd. Ich hatte schon damals für die herrische, selbstbewusste Drachenmutter Daenerys eine Schwachstelle und konnte es nicht auf mir sitzen lassen, nicht zu wissen, was die Zukunft für sie bringt und ob sie es schafft, den Eisernen Thron zu erobern. Aber ich hätte auf meine rationale Seite hören sollen, denn Game of Thrones hörte nicht auf, Charaktere zu ermorden, die mir lieb waren. Irgendwann nannte ich es zynisch den „Martin-Effekt“ (inspiriert vom Namen des Autors), dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Charakter stirbt, mit dessen wachsenden Sympathielevel steigt. Erinnert ihr euch noch an Robb Stark, der in der Nacht der Roten Hochzeit mitsamt Mutter, Ehefrau und Gefolge brutal ermordet wurde? Oder an die Rote Viper bzw. Oberyn Martell, der in Staffel 4 gegen den Berg kämpfte und aufgrund seines überdimensionalen Stolzes gnadenlos versagte? Oder den liebenswerten Riesen Hodor, der in Staffel 6 wie ein Held starb? Ich wette, vor eurem inneren Auge haben sich auch gerade ein paar andere Szenen abgespielt,die ihr zwischen Nervenzusammenbruch und Tobsuchtanfall – manchmal mit Tränen in den Augen? – ungläubig beobachtet habt. In solchen Momenten habe ich GoT gehasst, weil die Serie das tut, wofür sie nunmal bekannt ist. Allerdings gab es auch Momente, in denen ich GoT geliebt habe, weil diese Plottwists zwar unvorhersehbar waren, aber mich unglaublich glücklich gestimmt haben. Zum Beispiel der Tod von Joffrey Lennister und der von Walder Frey. Der Sieg in der Schlacht gegen die Boltons und der befriedigende Fall und Tod des wahnsinnigen Ramsay Boltons. Es sind Momente wie diese, in denen man eine Freude verspürt, als hätte man diesen Sieg höchstpersönlich errungen.

Der Grund für mein Hass für GoT ist der gleiche Grund wie meine Liebe zu GoT: Es sind die unvorhersehbaren Plottwists und die facettenreichen Charakteren, die manchmal hoffnungslos in die Mausefalle laufen. Eigentlich strebt jede Geschichte, die den Zuschauer oder Leser packen will, unvorhersehbare Plottwists an und ehrlich gesagt schaffen viele Geschichten dies nicht. Man muss GoT wirklich zu Gute halten, dass die Geschichte sehr oft sehr überraschende Momente für den Zuschauer bereithält. Allerdings muss ich sagen, dass es manchmal – ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen werde – zu viele Plottwists sind und diese eher erzwungen und willkürlich wirkten. Noch dazu die unangenehme Nebenwirkung, dass sie einen emotional aus der Bahn werfen, frustrieren und den Glauben an Gerechtigkeit, Moral und eine höhere Instanz verlieren lassen. Es sind diese Momente, in denen man sich schwört, die nächste (überteuerte) Staffel nicht mehr zu kaufen.

Und warum schaue ich es mir trotzdem an, obwohl jede Staffel neue Herzinfarktmomente für mich bereithält? Weil der Autor Martin eine spannende Welt voller interessanter, ungewöhnlicher Charaktere entworfen und zwischen ihnen ein feines Netz aus Beziehungen, Intrigen und Gefühlen gesponnen hat. Die Charaktere sind so gut ausgestaltet, sodass man einen Bösewicht wie Joffrey Lennister zum Beispiel abgrundtief hassen oder einen Kämpfer wie Jon Schnee gnadenlos lieben kann. Charaktere wie der zynische, wortgewandte Zwerg Tyrion Lennister oder die mutige, selbstbewusste Drachenmutter Daenerys Targaryen oder der selbstlose Jorah Mormont oder die starke Asha Graufreud lassen den Zuschauer einfach nicht los; ich kann diese Liste mit Charakteren, die ich cool finde, ewig weiterführen. GoT hat etwas geschafft, was ich an vielen Serien und Filmen bereits vermisst habe: Sympathische Charaktere, mit denen man kämpft und die einen nicht loslassen. Ich liebe und hasse es, dass die Serie einen immer wieder mitreißt, weil man zu den Charakteren eine so feste Bindung hat und mit ihnen dauernd mitfiebert. Und das ist es nun, was meiner Meinung letztendlich eine gute Serie ausmacht.

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