Die Stille nach dem Danach.

Liebe Meike,

vor einigen Wochen setzte sich eine Frau zu mir in den ICE in Köln auf dem Weg nach Berlin. Ehrlich gesagt, ist sie mir schon am Bahnsteig aufgefallen. Gut sitzender dunkelblauer Hosenanzug, modischer Kurzhaarschnitt und eine stilvolle Brille. Irgendwie ein bisschen Pariser Chic.

Nun ja, es dauerte nicht lange und wir kamen ins Gespräch. Ich kann das schlecht beschreiben, aber manchmal gibt es diese Menschen zu denen man direkt eine engere Bindung spürt. Diese Frau gehörte auf jeden Fall dazu. Unser Gespräch wurde schnell intensiv. Sie erzählte mir von ihrer hohen Position in der Kölner Kulturszene, die sie Jahre ausübte, von ihrem Jetset-Leben in London, Los Angeles, und Amsterdam, die vielen interessanten Künstler, die sie traf, von Begegnungen und ausschweifenden Abenden. „Mein Job war mein Leben. Ich liebte diese Abwechslung, das Streben nach Neuem, interessante Projekte, tolle Menschen, wechselnde Städte…“ Oh, ich fühlte so mit ihr. Ihre Augen funkelten, während sie sprach. Da war immer noch so viel Begeisterung.

Männer – ja, einige, und einmal auch in London verlobt. Dann brach sie ab. Stille. Ein kurzes zur Seite blicken. „Seit März bin ich nun pensioniert.“ Wieder schweigen. „Seit dem ist es um mich herum still. Ja, ich mache noch kleinere Projekte und gehe aus. Versuche mir einen Alltag zu erhalten… Aber wer bleibt am Ende? Vereinzelt ein paar Kollegen vielleicht. Nicht viele.“

Ihre Worte haben mich noch länger verfolgt. Hat diese Frau irgendwann verpasst zu hinterfragen, was im Leben bleiben soll? Ein Mann? Familie? Menschen, die einen lieben, weil man der ist, der man ist?

Wie oft sollte man sich eigentlich hinterfragen, wie viel von dem was man tut noch das Eigene ist? Und wann ist es dann Zeit, wie du immer so schön sagst, vom Karussell abzuspringen? Und warum springen letztendlich die Wenigsten ab, obwohl sie eigentlich wissen, dass der Zeitpunkt des Loslassens gekommen ist? Ist es die Angst vor dem Fall? Angst vor fehlender Struktur? Dabei ist es doch oft die Struktur, die Einen daran hindert, einen anderen Weg zu gehen.

Ja, wir drehen uns oft im eigenen Dunstkreis. Werfen immer wieder die gleichen Fragen auf. Suchen nach Antworten, die wir aber vielleicht auch gar nicht finden können, bevor wir nicht losgelassen haben. Eine andere Perspektive einnehmen. Die eigene Sicherheitszone verlassen.

„Nächster Halt: Duisburg.“ Die Frau erhebt sich. Packt ihr Sachen zusammen. Bedankt sich für das offene Gespräch und verabschiedet sich mit den Worten: „ Bewahre dir deine Offenheit für das Strukturlose.“

Ich schicke dir Küsse von der französischen Atlantikküste. Dort, wo die Gedanken freien Lauf haben.

Deine Katha.

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