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Feine Weine im Januar

24. Januar 2017
Feine Weine im Januar

ZAHRIS und Madame Bovary

Die Protagonisten:

„Zahris – Syrah“ 2013 von Borsao Bodegas und Alto Moncayo (Saragossa/Spanien)
„Madame Bovary“ 1857 von Gustave Flaubert

Diese Zwei müssen sich einfach verstehen. Wahrscheinlich hätte Monsieur Flaubert höchstselbst für die Lektüre seines Romanes keinen anderen Wein gewählt als diesen: Ein 100%iger Syrah, von Rebstöcken, die vor mehr als 16 Jahren am Fuße des Moncayo gepflanzt wurden. Der Cierzo weht hier 200 Tage im Jahr und kühlt die Reben von der Blüte bis zur Ernte. Die Sonne tut Ihr übriges und den Rest erledigen José Luis Chueca (Bodegas Borsao) und Chris Ringland (Alto Moncayo).

Sie haben sich Zeit gelassen mit ihrem Gemeinschaftsprojekt – Geerntet und gekeltert wurde der Wein 2013 und nach langer Reife erst im September 2015 in Flaschen abgefüllt. Erst im Mai 2016 wurde der Syrah für den Verkauf freigegeben, und doch glänzt – schwups – bereits die erste Goldmedaille um seinen hübschen Flaschenhals: „Bester Syrah Spaniens“ + „TOP10 International“

Gustave Flaubert hat sich mit seinem Roman über eine unterpuschelte Arztgattin noch zwei Jahre mehr Zeit gelassen als das Winzerduo. Tagelang konnte der stattliche Schnautzbartträger über einem einzigen Satz brüten und dabei literweise süßen Kaffee trinken. Die Vorlage für seinen Roman liefert, wie so oft, die Realität, genauer gesagt ein Zeitungsbericht von 1848 aus dem Journal de Rouen, der über den Selbstmord der Arztgattin Delphine Delamare aus Ry bei Rouen berichtete.

Fünf Jahre süsser Kaffee haben sich gelohnt

Nach fünf Jahren also erscheint in einer Zeitung sein Roman „Madame Bovary“ mit dem Untertitel „Sittenschilderung aus der Provinz“ und sorgte für einen Skandal.
Als lüstern, gottlos und verderblich wurde sein Roman bezeichnet und Flaubert muss sich gar vor Gericht verantworten. Wo soll das auch hinführen, wenn junge Mädchen (bald selbst gelangweilte und sexuell unterforderte Ehefrauen) einen Roman läsen, in dem die Heldin schon im Beichtstuhl unreine Gedanken hat, die sich dem ersten Burschen im Wald und dem zweiten im Fiaker hingibt?

Gustave schrieb Mme Bovary sei nie schöner als nach dem Ehebruch! Donnerlüttchen, wer ist das nicht? Vor allem nicht bei einem sooooo langweiligen Ehemann, der an Einfalt kaum zu überbieten ist, wie dem Kleinstadtdoktor Charles Bovary, der seine Gattin zwar mit braver Bürgerlichkeit liebt aber …. na ja… sie hört halt nicht die Engelchöre singen. Jedenfalls nicht im heimischen Ehebett?!
Es muss ihr so vorkommen, als zöge das Leben ohne um Einlass zu bitten an ihr vorbei. Die Bauerstochter Emma ist eine junge, lebenshungrige Frau. Die Ehe mit Charles bedeutet zwar gesellschaftlichen Aufstieg, aber ihr Alltag ist ungefähr so aufregend wie ein Aprilgewitter durch Doppelglasscheiben betrachtet. Emma beschreibt Charles art zu sprechen als so „…platt wie das Trottoir auf der Strasse.“

Wie schön, dass der Notariatsgehilfe Léon der Langeweile etwas Abhilfe schaffen kann. Er bleibt nicht der einzige Gefährte. Emma verstrickt sich in ein Netz aus Lügen und später auch Schulden. Es kommt wie es kommen muss – nämlich raus. Die junge Frau findet ihre persönliche Lösung im Selbstmord durch eine tüchtiger Dosis Arsen. Aber….

selbst als sie sich das Leben nimmt (entschuldige, Spoileralarm!) tut sie unsittliches mit einem Kruzifix.

Der biedere Charles ist bis zum Ende versöhnlich. Als Grabsteininschrift wählt er die Worte

Sta viator! Amabilem coniugem calcas!

Was soviel bedeutet wie: Halt ein Wanderer! Du stehst vor einer liebenswerten Ehefrau.

Ok, heute haut die Geschichte der kleinen Partymaus keinen mehr vom Hocker. In Zeiten von Snapchat und Tinder haut wohl wahrscheinlich niemanden mehr irgendwas von irgendwo runter. Jedoch damals, als Flaubert die Ehetragödie der Bovarys nach einer wahren Begebenheit schrieb, lag über unbefriedigtem Begehren der Ehefrau noch der Schleier des Tabus.

Gustave Flaubert… führt seine Feder wie andere das Seziermesser.

Ob das an seinem Vater liegt, der Arzt war? Ob Gustave in seiner Kindheit vielleicht vor dem Seziersaal gespielt und mal einen neugierigen Blick durch das Schlüsselloch auf die Leichen werfen konnte? Seine Sprache ist für damalige Verhältnisse sehr deutlich:

wenn Madame Bovary „sich brutal entkleidet, sich blaß und ohne zu sprechen mit einem langen Schauer an die Brust des Geliebten wirft“ und „mit kalten Schweißtropfen auf der Stirn, mit wirr flackernden Pupillen“ ihre Arme um ihn schlingt..wenn der Priester bei der Letzten Ölung mit seinem Daumen „die Augen berührt, die so sehr nach irdischem Luxus verlangt; die Nase, die es nach liebesschwangeren Düften gelüstet; den Mund, der in Hoffart gestöhnt und in Wollust geschrien; die Hände, die sich an sinnlichen Berührungen gefreut haben“

Es wundert mich fast, dass Gustave solche Ferkeleien zu Papier bringen konnte, wo Frauen in seinem Leben kaum eine Rolle spielten….

Das Gericht stellte Ihn auf eine Stufe mit einem Pornographen und hatte für diesen Realismus wenig Verständnis. Der Schriftsteller hat mit seiner Geschichte die damalige französische Bourgeoisie mitten ins Herz getroffen. Letztendlich wurde Flaubert freigesprochen, war aber trotzdem beleidigt und wollte seine Geschichte erstmal nicht als Buch herausgeben. Gott sei Dank hat er seine Meinung später noch geändert.

Sonst könnte ich mich nicht mit einem zwei drei Gläsern einer Flasche einem großem Glas Zarihs und einer schon etwas zerlesenen Ausgabe von Madame Bovary auf mein Sofa begeben und mich in eine Zeit entführen lassen in der es kein Iphone, Facebook und Weissgottwas gibt. Flaubert treibt ein raffiniertel Spiel mit seinem Leser. Und genau das tun die Winzerbuben mit ihrem Zarihs auch:

Zahris ist selbst ein wenig wie Madame Bovary

Auf den ersten Schluck kommt er noch ganz brav daher und dann – zehn Sekunden später – Bang! Brombeeren, Rauch, Vanille, dunkle Schokolade, Pflaumen und Espresso!! Alles was das Herz begehrt. Zahris ist selbst ein wenig wie Madame Bovary. Die Präsenz und eine dunkle Leidenschaft tanzt auf meinen Geschmacksknospen. Es ist fast so als ob sich der Wein auf meiner Zunge ebenso bereitwillig hingeben möchte wie Mme Bovary ihren Geliebten. Dicht und vielschichtig ist der Wein, der dunkel im Glas schimmert und mich immer wieder zu einem kleinen Schluck auffordert wie ein alter Tanguero ein seine Tänzerin in einer versteckten Tangobar in Buenos Aires. Und ich leihe dem Wein genussvoll meine Zunge und lasse ihn tanzen…tanzen bis die Musik aus Aromen verstummt und wir wie das Tanzpaar auseinandergehen, jeder an seinen Platz, um uns bereits zum nächsten Schluck wieder auf der Tanzfläche zu finden…. Hach, schön!

Hast Du jetzt auch Lust auf eine besondere „Weinlese“?

Alles was Du dafür brauchst ist ein gemütliches Plätzchen, genügend Licht zum lesen, in meinem Fall auch eine Lesebrille, eine Ausgabe von Gustave Flauberts „Madame Bovary“ und eine Flasche Zarihs.

Ich persönlich kenne nur zwei Übersetzungen. Eine davon ist das Buch auf dem Foto; was wahrscheinlich ein Exemplar aus den 70ern ist, übersetzt von Arthur Schuhrig und bereits durch die Hände meiner Eltern gewandert ist.
Es ist ein so zerlesenes Buch, voller Notizen und Randbemerkungen (hast Du nicht immer gesagt, man solle nicht in Bücher schreiben, Mama?).
Richtig großes Kino ist, finde ich, die Übersetzung von Elisabeth Edl. Wer sich also eh eine Ausgabe kaufen müsste, bitte, bitte die von Frau Edl.

Den Wein habe ich (wie kann es anders sein) bei meinem Weintherapeuten (WEINGEIST) in Eutin gekauft.

BOOM BOOM / ICH BIN DIE ANGST

Die Protagonisten:

„BOOM BOOM – Syrah“ 2013 von Charles Smith Wines (Washington State/USA)
„Ich bin die Angst“ 2014 von Ethan Cross

Mr. Smith hat hier eine echte Bombe gebaut. Eine Syrah-Fruchtbombe! Der ganz ganz dunkellila Wein explodiert förmlich vor lauter Kirsch- und Brombeeraromen, Granatapfel, weisser Pfeffer steigt in die Nase, eine Ahnung an rohes Fleisch… ROHES FLEISCH??? Ja genau und Veilchen (fast ein bisschen medizinisch) und etwas würziges erinnert mich an Thymian.

Wenn Poesie verdichtete Sprache ist, dann ist dieser Wein keine Prosa. Zu intensiv sind die tiefe, blutige Frucht und reife, weiche Tannine.

Feine-Weine-boom-boom

Wer wie ich häufig den Wein nach dem Etikett kauft (ich weiß, eine Unart!) kommt an den Weinen von Charles Smith sowieso nicht vorbei. Rockmusiktitel standen Pate bei der Namensgebung – wie Kung Fu Girl (Riesling) und Velvet (Devil Merlot) – und auch die Label sind echte Hingucker: schwarzweiß und wie aus einem Manga Comic, sind sie gestaltet. Da wundert es nicht, daß Charles Smiths in seinem ersten Leben als Manager einer Rockband durch die Lande tingelte.

Kung Fu Girl Riesling
Boom Boom Syrah
Velvet Devil Merlot

Boom Boom und ein gutes Nervenkostüm

Boom Boom ist definitiv aus der Pubertät heraus. Eigenständig und kraftvoll sind Begriffe die ihn beschreiben. Aus der Pubertät sollte man auch heraus sein, wenn man Ethan Cross Thriller „Ich bin die Angst“ lesen möchte. Aber das reicht nicht…ein gesundes Nervenkostüm hilft auch.

Ein mysteriöser Killer, verbreitet in Chicago Angst und Schrecken. „Der Anarchist“ der von sich selbst glaubt, er sei ohne Seele geboren, zwingt seine Opfer ihm in die Augen zu sehen, während er (Achtung! Zartbesaitete bitte weghören!) ihr Blut trinkt bevor er sie dann anzündet. Er will sich so die Seelen seiner Opfer zueigne machen. So! Jetzt isses raus.

Sein wahres Gesicht sollen sie sehen. Nicht das des liebevollen Ehemannes des treusorgenden Familienvaters, der sich lieber nicht ausmalen will, was seine Familie erleiden müsste, sollte die Wahrheit über ihn ans Licht kommen. Für seine Frau und seine Kinder würde er alles tun – nur leider, leider kann er das Morden nicht aufgeben. Schuld daran ist (wie immer…!) das, was ihm in seiner Kindheit widerfahren ist…grusel…

Um den Anarchisten zu fassen, muss der Ermittler, Marcus Williams, sich an seinen Todfeind wenden: Francis Ackerman junior, selber ein Serienkiller vom Allerfeinsten.

Für mich erschreckend und faszinierend zu gleich, welch gruselige Einblicke man in die Tiefen der menschlichen Natur bekommt. Ich habe mitgfiebert und gerätselt was die nächsten Schritte sein könnten und war am Ende doch immer vollkommen ahnungslos. Überraschende Wendungen vom feinsten, Schlag auf Schlag… also BOOM BOOM!…die einem nicht nur einmal den Atem stocken lassen.

„Fram“ 2013 von Thinus Krüger (Stellenbosch)
„Auf See“ 1883 von Guy Montpassant

Feine Weine fram

Leinen Los! die Segelgesetzt! Und das Abenteuer kann beginnen. Der Wind bläst von Achtern und salzige Gischt spritzt mir ins Gesicht. Wieder ein Shiraz…diesmal aus Südafrika. Thinus Krüger ist ein Lausbub in der südafrikanischen Winzer-Szene und lieferte mit seinem Jungfern-Jahrgang 2013 direkt einen beeindruckenden, 100% Shiraz!

Die Fram, gab es wirklich. Es war ein Expeditionsschiff, gebaut um durch das Packeis zu driften. Kein geringerer als Fridtjof Nansen gab den Auftrag die Fram zu bauen. Kein Holzschiff davor und danach fuhr auf höheren Breitengraden als die Fram. Der Name kommt aus der norwegischen Sprache und bedeutet Vorwärts. In diese Richtung bewegt sich auch Things Krüger – er hat sich auf die Fahnen geschrieben neue, bislang unentdeckte Weinberge anzulegen. So kommt auch Fram nicht von Stellenbosch, dort ist nur das Büro des Winzers, sondern vom Westkap.

So werden Attacken geritten Regatten gesegelt

…über die trockenen Böden Swartlands an der Westküste Südafrikas. Sandstein, Schiefer, Meeresablagerungen, Graniteinschlüsse sorgen zarte Minaralik, die afrikanische Sonne schenkt den Shiraztrauben köstlich-toastige Aromen von Pflaumen und Lakritz.

Wer jetzt noch kein Fernweh hat und fremde Länder erobern entdecken will, lässt noch ein wenig von dem dunklen Rebensaft ins Glas fließen, schließt die Augen und träumt sich auf ein Segelboot…vielleicht auf die Bel Ami aus der Erzählung von Monpassants „Auf See“.

Schiffstagebuch der besonderen Art

Sein Bericht über eine zehntägige Kreuzfahrt mit der Jacht Bel Ami von Antibes bis Saint Tropez ist gleichermaßen eine Reise durch Geist und Seele des Schriftstellers. Er philosophiert in seinem Schiffstagebuch nicht nur über Kunst und Gesellschaft, Krieg und Liebe, Glück und Einsamkeit, sondern lästert auch leidenschaftlich über die Oberflächlichkeit der Reichen und Schönen in Cannes.

Doch erstmal führt uns Montpassant vor Augen was es bedeuten kann die Meeresstille im Gemüt zu spüren:

„Ich spüre, wie der Rausch des Alleinseins in mich eindringt, der süße Rausch der Ruhe, die nichts stören wird, kein weißer Brief, kein blaues Telegramm, nicht die Klingel meiner Tür, noch das Bellen meines Hundes. Ich bin allein, wirklich allein, wirklich frei.“

So ganz allein ist er nicht. Zwei Matrosen hat er am Start, aber die lassen den Philosophen in Ruhe und zanken sich höchsten mal über die Windrichtung. Währen das Schiff Kurs auf den umtriebigen kleinen Hafenort an der Côte d’Azur nimmt, sinniert er über die Oberflächlichkeit der Welt des Geldes in Cannes und ihr Verhältnis zur Kunst .

Das Vorwort ist ebenso schön wie kurz und deshalb kommt es hier in voller Länge:

„Dieses Tagebuch enthält keine interessante Geschichte und kein interessantes Abenteuer. Als ich im letzten Frühjahr eine kleine Kreuzfahrt entlang der Mittelmeerküste machte, habe ich mich damit vergnügt, jeden Tag aufzuschreiben, was ich gesehen und was ich gedacht habe. Kurz, ich habe Wasser, Sonne, Wolken und Felsen gesehen – anderes kann ich nicht erzählen -, und ich war einfach in Gedanken, wie man sie spinnt, wenn die Wogen einen wiegen, einlullen und hier- und dorthin tragen.“

Zu Beginn verlaufen die Dinge tatsächlich so, wie der Meister des Spotts sie sich vorgestellt hat, doch dieses Glück währt, kaum überraschend, nur kurz.

Während die Jacht ihn mit der einen Welle in schier endlose Weiten der Gedanken trägt, katapultiert ihn die nächste auf einen der kurzen Landgänge, in die Gegenwart zurück. So wechseln sich philosophische Gedanken mit kritischen Betrachtungen über seine Zeitgenossen ab. Und so und lese ich unter anderem von einer Trauung, der Scheinwelt der reichen Kurorte und von der Verderbtheit der Casinos…Die Texte laden zum Nachdenken ein und sind ganz hervorragend zum Vorlesen geeignet.

Schon beim ersten Anblick von Cannes lästert Guy leidenschaftlich über die Gesellschaft an der Küste und die Künstler, die sich in deren Salons aushalten lassen. Und, wo er sich schonmal warmgewaldorftundstatlert hat, auch über den Menschen an sich:

„Wir wissen nichts, wir erkennen nichts, wir können nichts, wir ahnen nichts, wir erfinden nichts, wir sind in uns gefangen, eingesperrt. Und man bricht über das menschliche Genie in Begeisterung aus!“

Hätte Monsier Montpassant „ich packe in meinen Koffer“ gespielt, wäre eine zwei drei Flaschen eine Kiste Fram das erste auf seiner Packliste!

Certainement, cher lecteur!

…in diesem Sinne, sehr zum Wohle!

Eure Anne

 

 

  • Beantworten
    Robert
    3. Februar 2017 at 13:14

    Liebe Anne,
    ein hinreissender Artikel! Die Weine + Bücher habe ich direkt nach der Lektüre bestellt und freue mich schon auf meine persönliche Weinlese. Deine Beschreibung war so eindrücklich, dass ich den Geschmack des jeweiligen Weines förmlich auf der Zunge spüren konnte. Ich freue mich schon auf die nächste „Lese“.
    Viele liebe Grüße aus Frankfurt,

    Robert

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