Zwei einfache Fragen,
die fast jeden Konflikt entschärfen

VON Axel Maluschka
16. Juni 2017

Ein glückliches Paar gerät in Streit.  

Die beiden steigern sich so sehr hinein, dass ihre Beziehung gefährdet ist. Es gelingt ihnen nicht, den Konflikt zu entschärfen.

Als Außenstehender fragst du dich, wie es so weit kommen konnte. Doch wenn du in deiner Vergangenheit forschst, bemerkst du, dass du dich schon ähnlich unnachgiebig verhalten hast, wie die beiden im Beispiel.

Auch du hattest kein Werkzeug, einen aufziehenden Konflikt rechtzeitig zu entschärfen.  

Heute erfährst du:

  • Mit welchen zwei einfachen Fragen du fast jeden Konflikt entschärfen kannst.
  • Warum Konflikte normal und sogar gut sind.
  • Warum sich die meisten Erwachsenen wie Kinder verhalten.
  • Warum dein Gehirn oft übertrieben reagiert und was du gegen diese Angst tun kannst.
  • An welchen Kampfsportlern du das Prinzip erkennen kannst.

Viel Spaß beim Hören!

Shownotes


Alle Folgen von „Konflikt-Power aufs Ohr“ findest du hier.


Transkript

Guten Tag! Ich bin Axel Maluschka. Du hörst den Podcast „Konflikt-Power aufs Ohr“.

Du erfährst hier ganz nebenbei, wie du das Bedrohliche aus beinahe jedem Konflikt herausbekommst. So kannst du gelassen nach einer Lösung suchen, mit der möglichst alle zufrieden sind.

Musik macht ja auch zufrieden. Deshalb lauschen wir zunächst einmal.

[Musik]

Beispiel: Konflikt in der Beziehung

Stell dir mal vor, Anna und Julius sind ein Paar. Die beiden sind seit etwa zwei Jahren zusammen und wirken sehr glücklich. Sie scheinen füreinander geschaffen zu sein. Die meisten in ihrem Freundeskreis halten sie für das Vorzeige-Paar.

Doch in der Beziehung wird es bald brodeln. Und das scheinbar aus heiterem Himmel heraus.

Anna und Julius wohnen zusammen. Er ist vor einem Jahr in ihr Apartment gezogen. Das besteht aus zwei Zimmern mit Küche und Bad. Es ist bezahlbar, obwohl es relativ zentral in einem guten Viertel der Stadt liegt.

Julius fühlt sich dort rundum wohl. Doch Anna spürt den Wunsch aufsteigen umzuziehen.

Sie surft immer wieder auf Wohnungsportalen. Sie blättert im kostenlosen Anzeigenblättchen immer wieder zu den Wohnungsangeboten. Und am Schaufenster bei der Bank bleibt sie immer wieder verträumt stehen vor den Anzeigen der zum Verkauf stehenden Häuser.

Julius bekommt davon nichts mit. Für ihn ist die Welt in Ordnung. Zwei Zimmer für zwei Leute – das reicht vollkommen.

Eines Tages nimmt Anna ihren Mut zusammen und spricht Julius an.

„Ich habe eine superschöne Wohnung in einer Anzeige gefunden. Hast du Lust, dass wir uns die mal anschauen?“

Julius schaut sie irritiert an. „Warum sollen wir uns eine Wohnung anschauen? Gefällt es dir hier nicht mehr?“

„Doch! Aber das hier ist mein Studenten-Apartment. Meinst du nicht, dass wir uns nach etwas Größerem umsehen sollten?“

Julius fühlt sich überrumpelt und willigt ein, um Streit zu vermeiden.

Erfreut vereinbart Anna mit dem Makler einen Besichtigungstermin für drei Tage später. Allein die Aussicht auf ein schöneres Zuhause elektrisiert sie. Sie schwebt durch den folgenden Tag und ist bester Laune. Am Abend jedoch erfolgt der Dämpfer.

„Freust du dich auf die Besichtigung?“, fragt Anna ihren Freund hoffnungsfroh.

„Ich weiß nicht genau“, gesteht Julius, „ist das nicht verschwendete Zeit, wenn wir die Wohnung sowieso nicht nehmen?“

„Woher willst du wissen, dass sie uns nicht gefällt?“

„Natürlich weiß ich das jetzt noch nicht“, stellt Julius klar, „aber selbst wenn sie uns richtig gut gefällt, können wir uns die überhaupt leisten?“

„Ja, die ist deutlich teurer als die kleine Bude hier“, erklärt Anna. „Dafür ist sie jedoch was für die Zukunft. Wir haben viel mehr Platz. Wir können leichter Ordnung halten. Und wenn wir irgendwann mal ein Kind haben, hat das von Anfang an sein eigenes Zimmer.“

„Über eine teure Wohnung und Kinder sollten wir doch noch nicht nachdenken, solange wir beide im Job befristete Verträge haben. Oder?“ Julius wirkt genervt.

Anna setzt ihm noch einige Minuten lang ihren Optimismus und ihren Traum entgegen. Doch Julius beharrt auf Realismus und Zurückhaltung.

Nach einer Weile kippt Annas Stimmung, und sie wird lauter: „Du mit deiner langweiligen Zurückhaltung! Ich dachte, zusammen könnten wir alles schaffen. Das haben wir doch immer gesagt.“

„Ja, wir können alles schaffen. Aber wir müssen es auch beide wollen“, erwidert Julius ebenfalls lauter.

„Willst du etwa keine Zukunft mehr aufbauen? Willst du dich nicht verbessern? Willst du ewig in der kleinen Studentenbude schmoren?“

„Das ist wieder typisch!“, ruft Julius. „Du übertreibst total und hast dich nicht mehr unter Kontrolle. Wenn du deinen Willen nicht bekommst, schreist du rum und unterstellst sinnloses Zeug!“

„Ich übertreibe?“ Annas Blicke gleichen tödlichen Blitzen. „Wenn alle so langweilig wären wie du, würden wir alle noch in Höhlen leben und wären vor Sinnlosigkeit gestorben.“

Ohne ein weiteres Wort schnappt sie ihre Jacke und verlässt das Appartement.

Sie schaut sich die größere Wohnung alleine an, hat jedoch keinen Spaß an der Besichtigung. Am Abend des Streits war sie nach einem Wut-Marsch ins Appartement zurückgekehrt und kommentarlos ins Bett gegangen. Julius war so schlau gewesen, sie nicht noch mal anzusprechen.

Die Beziehung hat einen Riss bekommen. Der nächste Streit ist vorprogrammiert. Und er wird sicher nicht minder heftig sein.

Richtig gefährlich wird es dann, wenn die beiden eines Tages gar nicht mehr streiten. Denn dann ist der Partner dir plötzlich gleichgültig. Und dann verdient die Beziehung ihren Namen nicht mehr.

Hast du solch einen Konflikt-Werdegang schon einmal beobachtet? Oder vielleicht sogar selbst erlebt?

Dann hast du dich sicher nach einer gewissen Zeit oder eben als Zuschauer gefragt, wie es soweit kommen konnte. 

Warum ist dieser Konflikt so weit eskaliert, dass er wehgetan hat? 

Warum haben es Julius und Anna so weit kommen lassen, dass ihre Beziehung darunter gelitten hat?

Und die allerwichtigste Frage wollen wir auch stellen: Was hätten die beiden anders machen können?

Ich biete dir heute – wie der Titel schon sagt – zwei Fragen an, die du dir stellen kannst, wenn eine Disharmonie auftaucht. Wenn du spürst, dass Streit in der Luft liegt.

Bevor wir zu diesen zwei Fragen kommen, erkläre ich dir, wie ich sie entwickelt habe.

Konflikte generell entschärfen: sie müssen nicht schmerzen

Für mich ist es eine ganz grundsätzliche Wahrheit: sobald Menschen aufeinandertreffen, entstehen Konflikte. Sie gehören zum Leben dazu. Das habe ich schon mehrfach im Podcast gesagt und auch schon in einem älteren Blogartikel geschrieben.

Die nächste wichtige Wahrheit ist für mich: Konflikte sind nichts Schlimmes! Im Gegenteil.

Sie sind notwendig für deine persönliche Entwicklung, für deine Entfaltung. Und für die Gruppe und deren Wachstum.

Erst, wenn du dich im Miteinander verbunden fühlst, wirst du persönlich wachsen. So sagt der hier schon häufig zitierte Hirnforscher Gerald Hüther.

Die meisten Erwachsenen verhalten sich wie Kinder

Konflikte schmerzen auch nicht von Anfang an. Sie tun erst dann weh, wenn du deinem Ziel oder deinem Plan sehr große Bedeutung beimisst. Und wenn der andere dabei – verdammt noch mal! – Nicht erkennen will, dass du recht hast. Dass du der größere Planer bist.

Dann eskalieren Konflikte. Die Beteiligten verbeißen sich in das, was sie konkret wollen. Und natürlich wollen sie nur das Beste und das einzig Wahre. Wenn nur der andere das auch endlich erkennen würde!

Hast du schon mal ein bockiges Kind vor dem Süßigkeitenregal gesehen?

Im Grunde verhalten sich die meisten Erwachsenen in Konflikten nicht viel anders.

„Ich will! Ich will! Ich will!“ Und dann geht das Geschrei los.

Wenn dem Konfliktverhalten eines Kindes entwachsen möchtest, dann hilft dir vielleicht folgende Erklärung.

Was Hirnforscher sagen

Dein Gehirn bewertet deine Umgebung permanent. Dabei ist es eine Gefahrensuchmaschine, die extrem effektiv arbeitet. Letztlich ist das unserer evolutionären Entwicklung geschuldet.

Als unsere Vorfahren noch in Höhlen lebten, waren sie auf ein extrem achtsames Gehirn angewiesen.

Stellte man vor, einer unserer Urahnen von vor 2000 Generationen wollte einen trinken gehen. Der konnte dann nicht einfach um die Ecke in die nächste Kneipe gehen oder zum Supermarkt. Der konnte auch nicht zum Wasserhahn in der Küche schlendern. Der musste zum Wasserloch.

Schon auf dem Weg dorthin war er jedoch nicht alleine. Hier kreuchte tödliches Getier: Skorpione, Spinnen und Schlangen. Überall lauerte der Tod in Form hungriger Geparden, riesiger Mammuts und tödlicher Bären.

Hätten unsere Vorfahren da nicht extrem aufgepasst, wäre ihre Rolle auf Erden nur eine gewesen: die der Mahlzeit.

Nun haben wir dankenswerter Weise ein Gehirn, das bei der kleinsten Gefahr mit einem Fluchtreflex reagiert. So bekamen wir, die wir heute leben, überhaupt erst die Chance, geboren zu werden.

In unserer heutigen Welt hier in Deutschland gibt es kaum noch Lebensgefahren, auf die unser Gehirn so stark geeicht ist. Im Grunde könnten wir alle uns sehr entspannt zurücklehnen. Denn unser Überleben ist gesichert.

Doch wir können nicht aus unserer Haut. Ständig suchen wir nach Gefahren.

Wo deine Macht liegt

Und jetzt kommt das Heftige: 

Was eine Gefahr ist, entscheidest du ganz allein.

Du bewertest dein Leben, deine Umgebung und alle Konstellationen permanent. Diese Bewertung findet in deinem Großhirn statt.

Nun stellt dein Großhirn fest, dass etwas nicht in Ordnung ist oder eine Gefahr droht. Dann funkt es das an dein limbische System und dein Reptilienhirn. Die beiden letzteren, evolutionären älteren Teile deines Gehirns kennen jedoch dummerweise nur zwei Zustände:

  • alles ist in Ordnung, dann machen sie dir neutrale oder gute Gefühle oder
  • etwas ist nicht in Ordnung, dann „denken“ sie, es bestünde Lebensgefahr.

Und wenn Lebensgefahr besteht, beginnen bei dir ganz alte Programme zu laufen, gegen die du dich kaum wehren kannst. Der Kampf-oder-Flucht-Reflex ist so ein Programm.

Nun stell dir vor, bei unserem Beispielkonflikt zu Beginn wird Anna komplett auf „Fight or Flight“ eingestellt, nur weil Julius ihre Begeisterung für eine größere Wohnung nicht teilt. Ist es nicht wünschenswert, wir könnten ruhig und gelassen bleiben, wenn der Liebste nicht so reagiert wie erwartet?

Falls du sagst: ja, das wäre toll, dann befolge die Konflikt-Regel:

Entscheide, warum du kämpfen willst!

Die zwei helfenden Fragen

Und um diese Entscheidung zu treffen, kannst du dir zwei Hilfsfragen stellen.

Die erste Frage lautet:

Geht es um Leben und Tod? Oder zumindest um die Gesundheit?

Wenn du die diese Frage stellen kannst, dann hast du die Antwort direkt. Denn sie lautet: Nein.

Falls es um Leben und Tod oder die Gesundheit geht, merkst du das. Dann hast du keine Zeit, dir irgendwelche Fragen zu stellen. Dann ist die Gefahr übermächtig.

Halten wir fest: du willst etwas von einem anderen Menschen, doch er will nicht so wie du. Du spürst dein Blut in Wallung geraten. Du weißt, dass du gleich aufbraust.

Das ist der richtige Moment innezuhalten. Halte dich zurück und frage mich ernsthaft, ob der Konfliktgegenstand lebensbedrohlich ist. Ob es sich wirklich zu kämpfen lohnt.

Denke immer daran: wenn du kämpfst, riskierst du, verletzt zu werden oder dein Gegenüber zu verletzen. Und jegliche Verletzungen trüben oder gefährden gar die Beziehung.

Nun folgt Frage 2:

Warum willst du dann kämpfen, wenn es doch nicht um Leben und Tod geht?

Worum geht es wirklich? 

Und wie kannst du das auch auf anderem Weg erreichen?

Meist geht es um eines von zwei Dingen:

  • entweder befürchtest du, dass dein Leben schlechter wird als im Moment oder
  • du wünschst dir, dass dein Leben schöner wird.

In beiden Fällen geht es nicht ums Überleben. Und es geht auch nicht um körperliche Versehrtheit. Und bitte bring jetzt nicht das Argument, dass es um psychische Gesundheit ginge. Das ist fast immer eingebildet und nur von deiner Angst gesteuert.

Angst ist immer ein schlechter Berater, wenn es nicht um Leben und Tod geht.

Was dir hilft, deine Angst zu überwinden

Und wenn du willst, dass dein Leben schöner wird, dann schätze zunächst das, was jetzt schon schön ist. Eine glückliche Beziehung aufs Spiel zu setzen für ein vermeintlich schöneres Leben, ist meiner Meinung nach nicht gerade schlau!

Schlau hingegen ist es, gelassen zu bleiben. Auch wenn du den anderen überzeugen möchtest. Anna wird Julius nicht überzeugen, indem sie ihn bedrängt und beleidigt. Andersherum tut Julius sich selbst keinen Gefallen, wenn er Annas Ideen nicht ernst nimmt, sondern lediglich abblockt.

Wenn du dich nun entscheidest zu kämpfen und du dabei gewinnen willst, dann denke daran:

Die höchste Kunst des Kampfes ist das Spiel.

Und hier bin ich wieder bei meiner Leidenschaft, dem Karate oder den Kampfkünsten allgemein. 

Schau dir mal Kämpfe von Mohamed Ali oder auch Bruce Lee an. 

Beide zeichnet aus, dass sie ungemein leichtfüßig und schnell unterwegs waren. Es schien, als hätten sie mit ihren Gegnern gespielt.

Das gelingt genau dann, wenn du den Kampf als Spiel betrachtest. Ein Spiel kannst du verlieren, doch das Leben geht weiter. In diesem Sinne:

Spiele deine Konflikte! Spiele dein Leben.

Natürlich hat das Spiel auch Grenzen. Natürlich funktionieren die zwei Fragen nicht immer.

Dort, wo beispielsweise Hass über Generationen gepredigt wird wie im Nahostkonflikt, nutzen auch zwei einfache Fragen nichts. Und wenn es zu spät ist, weil der Konflikt schon eskaliert ist, kommen die Fragen ebenfalls zu spät.

Doch rechtzeitig gestellt – zu Beginn des Konflikts – können Sie wahres Wunderwerk vollbringen.

Was hältst du von den beiden Fragen? Findest du sie doof oder sind sie eine Überlegung wert?

Lass mich an deinen Gedanken dazu teilhaben! Schreib mir einen Kommentar in meinem Blog oder schick mir eine Mail! Ich freue mich auf den Austausch mit dir.

Kommentieren, die Show Notes und die komplette Transkriptionen lesen zu diesem Beitrag kannst du unter Konflikt-power.de/015. Denn dies war schon die 15. Folge.

Ich wünsche dir noch einen schönen Tag. Ciao!


Bild: Jonathan Bean on Unsplash

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