Sonntag, 16. Oktober 2016

Vergleich von "Shonen" und "Magical Girl"

 Heute möchte ich mich mit den Genres „Shonen“ und „Magical Girl“ beschäftigen und diese unter bestimmten Gesichtspunkten vergleichen. Einige werden jetzt fragen: Wie jetzt? Wie kann man die beiden denn miteinander vergleichen? Die haben gar nichts miteinander zutun! Im Laufe meiner Analyse wird sich aber herausstellen, dass dem so nicht ist.

Zunächst einmal folgt eine kurze Beschreibung beider Genres.

Shonen bedeutet zu Deutsch „Junge“ oder „Jugendlicher“ und umfasst eine Kategorie von Manga und Anime, die sich mehr an ein junges bzw. jugendliches männliche Publikum richtet. Das Gegenstück stellt demnach „Shojo“ eher für junge Mädchen dar. Wir haben es hier primär mit einer demographischen Kategorie zutun, was bedeutet, dass eine bestimmte Altersgruppe angepeilt wird. Darüber hinaus auch ein bestimmtes Geschlecht. Shonen sollen also heranwachsende Jungen im Alter von 9 bis 18 Jahren ansprechen. Doch die Realität zeigt, dass darüber hinaus Leser verschiedener Altersgruppen und auch nicht nur männliche Rezipienten „Shonen“ konsumieren.

Magical Girl ist ein Genre des Shojo Manga/Anime. Genau genommen kann man das Magical Girl Genre als eine Abwandlung des amerikanischen Superheldencomics bezeichnet, in dem im Gegensatz dazu ein durchschnittliches Mädchen mit anderen Mitstreiterinnen die Welt vor dem Bösen rettet. Wie der Name schon impliziert bedarf es dazu aber magischer Kräfte, die aus dem normalen Mädchen ein Magical Girl machen. Das Genre spricht vor allem junge Mädchen im Alter von 10 bis 14 Jahren an, wird aber genauso wie „Shonen“ auch von anderen Lesergruppen konsumiert.


Typische Elemente aus Shonen und Magical Girl im Vergleich


Themen und Inhalte

Thematisch orientieren sich Shonen besonders auf Elemente wie Action und Abenteuer sowie Krieg und der Kampf gegen das Böse. Darum verwirrt es, dass auch viele Werke nicht aufgrund der Zielgruppe (also Jungen) der Kategorie Shonen zugeordnet werden, sondern weil ihr inhaltliche Fokus auf Action liegt. Ich habe auch vor kurzer Zeit daran festgehalten, dass man mit Shonen wirklich nur die Werke meint, in denen es nur um das Kämpfen und den Konflikt Gut versus Böse geht, aber Shonen umfasst eindeutig mehr und bietet eine große inhaltliche Vielfalt: Neben alltäglichen Komödien, Liebesgeschichten, wie romantischen Komödien, lassen sich auch Kriminalgeschichten wie auch Storys um bestimmte Hobbys (u.a. Sport) hier verzeichnen. Allen gemeinsam ist jedoch das Motiv der Rivalität zwischen dem Protagonisten und anderen Figuren. Das Action-Genre zeigt außerdem viele Facetten, wenn es in verschiedene Settings eingebaut wird. So finden wir Action nicht nur in Fantasy sondern auch in Science-Fiction. Problematisch ist die Darstellung von Kriegen und Schlachten in einigen Vertreten, die nicht selten glorifizierend wirken.

Die Kategorie Magical Girls zeichnet sich dadurch aus, dass die Figuren durch Zufall oder durch Absicht mysteriöse, mit magischen Kräften verbundene Gegenstände erhalten, die ihnen besondere Fähigkeiten verleihen. Das erklärt also auch den Titel dieses Genre, Magie ist hier also das Zauberwort. Durch Aneignung dieser besonderen Kräfte sind sie eigentlich dazu verdammt fortan gegen böse Mächte zu kämpfen und die Welt zu retten. Meist haben sie auch einen übernatürlichen Gehilfen zur Seite, der ihnen Ratschläge gibt oder einfach als Sidekick dient. Die thematische Vielfalt ist hier eher weniger gegeben, was aber damit zutun hat, dass Magical Girl sozusagen ein Untergenre des Shojo darstellt und allein schon durch „Magical“ natürlich eine spezielle Ausrichtung besitzt. Action spielt weniger eine Rolle, bzw. wird anders konzipiert als in Shonen. Eindeutig findet man aber bei diesen Werken das große Thema Magie und Fantasie.


Aufbau der Handlung

Die Heldenreise stellt im Genre Shonen ein wichtiges Thema dar. Zu Beginn wird uns zugleich der Protagonist vorgestellt, der ein Problem oder eine wichtige Aufgabe zu bewältigen hat, dafür seinem Zuhause den Rücken kehren muss und sich auf eine große Reise begibt. Bevor er jedoch sein großes Ziel erreichen kann, begegnet er unzähligen Freunden wie Feinden, erlebt viele Abenteuer und Hindernisse. Im Shonen wird sehr stark die Weiterentwicklung des Helden thematisiert, nimmt eigentlich den Großteil der Handlung ein. Es ist ein fortwährender Prozess, in dem sich der Held befindet, mit sich selbst ringt, über sich hinaus wachsen muss, Herausforderungen besteht, immer stärker wird, aber auch wichtige Erkenntnisse fürs Leben gewinnt. Anfangs fängt die Hauptfigur als ein Niemand seine Reise an, entwickelt sich immer weiter bis er schließlich zu einem wahren Helden heranwächst. Bei vielen längeren Serien (One Piece, Dragon Ball, Naruto etc.) wird dieses Muster fast in die Unendlichkeit gezogen, man versucht immer wieder Spannung hinein zu bringen, indem man neue Herausforderungen und Probleme schafft. Das klappt ganz gut, denn es finden sich immer wieder neue und mächtigere Gegner, die es zu besiegen gilt. Die äußere wie auch innere Entwicklung werden bei Shonen stark verknüpft. Das meint, dass jeder Sieg über einen mächtigen Gegner gleichzeitig auch zum inneren Wachstum des Helden beiträgt.


Der Ausgangspunkt bei Magical Girl Geschichten ist ein ganz anderer: Sie suchen nicht aktiv nach Aufgaben oder legen keine Ziele fest. Sie sind ja durch Zufall erst an die magischen Kräfte gekommen, teilweise wurden sie auch vom Schicksal auserwählt. Insofern haben sie gar keine andere Wahl, als gegen Bösewichte zu kämpfen. Mag es anfangs so sein, dass sie es eher unfreiwillig tun, gewinnen sie später die Einsicht, dass sie Verantwortung tragen müssen und gehen freiwillig auf Konfrontationskurs. Im Shonen steht nicht immer die Rettung der Welt im Mittelpunkt, es sind meist doch eher individuelle Sehnsüchte und Ziele, die sich die Helden erfüllen wollen. Doch beim weiblichen Pendant steht der Welt bereits von Beginn an großes Unheil bevor. Es geht also um das große Ganze und nicht um persönliche Belange der Figuren. Hier sieht man die Parallele zu den amerikanischen Superheldengeschichten.

Inhaltlich konzentrieren sich die typischen Geschichten des Magical Girl Genre um die Bewältigung des normalen Alltags dieser Mädchen. Es wird erzählt, wie sie trotz ihrer übernatürlichen Kräfte ein normales Leben führen bzw. wie sie aber dennoch immer wieder in Schwierigkeiten geraten. Allein schon die Aneignung dieser Fähigkeiten ist ein Problem an sich, doch hinzukommt, dass sie das auch alles geheim halten müssen. Ähnlich wie auch in Shonen entwickeln sich die Hauptfiguren während ihrer Abenteuer und Kämpfe weiter. Anders als in Shonen werden sie nicht unbedingt physisch stärker, eher gelangen sie durch intensive Emotionen zu größeren magischen Kräften, was aber vergleichbar wäre. Das emotionale Wachstum wird aber auch hier behandelt. Daneben geht nicht nur im die Vertiefung von Freundschaften, sondern auch die Erfüllung der großen Liebe, die in Shonen so gut wie nie thematisiert wird. Freundschaft wird bei letzterem viel höher gestellt, bei Magical Girls eher die Liebe. Zu erklären ist das natürlich anhand der Zielgruppenorientierung, denn Shojo richten sich ja primär an Mädchen, die sich ja für Liebe interessieren (sollen).

Es gibt so gut wie keinen Shonen Manga/Anime, in dem es nicht ein Happy End gibt, insofern teilt sich dieses Genre auch eine Gemeinsamkeit mit dem typischen Märchen. Dies trifft ebenfalls auch auf Magical Girl Werke zu.


Setting

Im Magical Girl Genre führen die Mädchen im Gegensatz zu den Shonen Helden eine Art Doppelleben, pendeln immer wieder zwischen normalem Alltag und magischer Welt. In Shonen dagegen werden besondere Kräfte ähnlich wie im Märchen nicht hinterfragt, sie sind Teil des Settings. Wir haben es hier also mit verschiedenen Erzählwelten zu tun. Die typischen Shonen mit Schwerpunkt Action verfügen immer über fantastische Welten, während Magical Girls immer eine Vermischung der realen mit der fantastischen Welt vorzeigen. Daher ist auch der normale Schulalltag ein wichtiger Bestandteil.


Hauptfiguren

Der Protagonist zeichnet sich durch ein spezielles Aussehen aus, so lässt er sich leicht von anderen Figuren unterscheiden. Meist sind die Persönlichkeiten der Helden widersprüchlicher Natur und sie verfügen über besondere Fähigkeiten. Weiterhin stellt sich in vielen Werken die Hauptfigur als ein Außenseiter heraus, der im Zuge seiner Entwicklung über sich selbst hinauswächst und sich einen Platz in der Gesellschaft erarbeitet.

Im Genre Magical Girl steht meist eine gewöhnliche Schülerin im Vordergrund, das durch viele Fehler gekennzeichnet ist. Am Beispiel von Bunny Tsukino aus „Sailor Moon“ lässt sich das gut verdeutlichen. Sie ist sehr zerstreut, neugierig und naiv und unglücklich in der Liebe. Darüber hinaus hat sie mit den üblichen Problemen einer Jugendlichen im Alltag zu kämpfen.

Man erkennt also einen deutlichen Unterschied zwischen den Protagonisten. In Shonen sind es also besondere Figuren, die darüber hinaus von den restlichen durch ihren Außenseiter-Status abgegrenzt werden, während die Magical Girls eher normale Mädchen sind, die keine Probleme haben sich zu integrieren. Doch beiden ist gemeinsam, dass sie doch irgendwie etwas Besonderes an sich haben. Bei beiden ist dies Ausgangspunkt für viele Konflikte mit ihren Mitmenschen und ihrer Umgebung.


Emotionen und Handlungen

Während im Shojo Emotionen eine wichtige Rolle spielen, sticht das bei diesem Genre nicht so sehr heraus, eher sind solche Geschichten von einem schnellen Erzähltempo durch viel Action geprägt. Das bedeutet jedoch nicht, dass Gefühle komplett ausgeblendet werden, im Gegenteil: in wichtigen Situationen, in denen es beispielsweise um Leben oder Tod geht, reflektieren die Figuren, sind emotional überwältigt und schöpfen daraus wieder neue Kraft um den Kampf zu gewinnen. Diese emotionalen Höhepunkte haben beide Genre gemeinsam.


Fähigkeiten

Eine grundsätzliche Differenz ist die Art von Fähigkeiten: in Shonen gibt es eine große Bandbreite an verschiedenen, teils sehr absurden Kräften, hier sind keine Grenzen gesetzt. Darüber hinaus besteht eine enge Verbindung zwischen den Kräften und den Körpern der Figuren. Im Magical Girl Genre dagegen haben wir ausschließlich magische Kräfte und keine direkte Verbindung zwischen Magie und Heldinnen. Besonders ist hier, dass die Mädchen ihre Kräfte durch Zufall erhalten und dann auch meist in Form von feminin typischen Gegenständen wie Broschen, Lippenstiften und Ähnlichem. Das zeigt nochmal die starke Zielgruppenorientierung: in Shonen wird der Körper als besonders stark und maskulin dargestellt, in der Sparte Magical Girl dagegen ist der Fokus auf materielle Konsumgüter, die typisch weiblich sind, tragend.

Ein typisches Element in Magical Girl Geschichten ist, dass sie diese Kräfte von Anfang an besitzen, aber keinerlei Anstalten machen, sich bewusst damit auseinander zu setzen. Im Gegensatz zu den Shonen Helden trainieren sie ihre Kräfte nicht bewusst, sondern setzen sie immer nur in Ausnahmesituationen, also im Kampf gegen unerwartete Angriffe des Bösen ein. Sie schließen sich auch in Teams zusammen und lernen dann gemeinsam wie sie mit vereinten Kräften gewinnen können. Obwohl die Mädchen unabhängig erscheinen, gibt es hin und wieder Situationen, in denen sie hilflos sind und dann von mysteriösen, übersinnlich begabten Jungs und Männer gerettet werden, in die sie sich auch verlieben.

Woher die Kräfte der Magical Girls stammen, bleibt eigentlich so gut wie immer unklar, nur in einigen Ausnahmefällen (wie z.B. Card Captor Sakura) werden die Ursprünge erklärt. Die Kräfte sind anders als beim Genre Shonen sehr eng mit Emotionen verbunden. Zwar kann es durchaus sein, dass im Shonen Genre starke Emotionen ebenfalls verstärkend auf Kräfte wirken können. Doch bei Magical Girl Werken können die Mädchen selbst kaum Einfluss auf ihre Zauberkräfte haben, sondern werden stets von Emotionen geleitet. Dennoch muss man bei beiden Genre feststellen, dass sehr häufig „deus ex machina“-Momente greifen, in denen die Figuren durch Zauberhand unglaublich stark werden und im letzten Moment doch noch gewinnen können, obwohl es für sie auswegslos erschien.


Die Kämpfe


Die Einstellung zu Kämpfen ist bei Magical Girl Werken grundsätzlich eine andere. Während in Shonen Kampf und Krieg praktisch heroisierend dargestellt wird, sind die Mädchen doch eher friedlicher Natur und kämpfen wirklich nur, wenn es sein muss. Die Kämpfe selbst gestalten sich auch optisch ganz anders. Während es in Shonen doch eher physische Kämpfe sind, die auch Blut wie Gewaltszenen und Verstümmelungen nicht ausschließen, ist bei Magical Girl das ästhetische Prinzip dominant. Das meint, dass Verletzungen wenn möglich nur leicht ausfallen bzw. nicht wirklich gezeigt werden. Sie kämpfen ja auch nicht wirklich mit ihrem Körper, sondern eben mit ihren besonderen Fähigkeiten, die jedoch keinen ganz so offensichtlichen Schaden zufügen. Der weibliche Körper wird idealisiert und muss auf jeden Fall geschützt werden. Das unterstützt auch die These, dass es verpönt ist sich als Mädchen körperlich mit anderen zu vermessen und Verletzungen davon zu tragen. Der Körper ist heilig und darf demnach nicht verschmutzt werden.

Üblich sind auch in Bezug auf das Doppelleben der Magical Girls die Verwandlungsszenen, die regelrechte Riten darstellen. Hier findet sich also der außergewöhnliche Wechsel von der „normalen“ Gestalt in die übernatürliche Form und zeigt, dass beide eng voneinander getrennt werden. Daraus ergibt sich auch ein Wechselspiel verschiedener Identitäten. Das magische Ich kann gänzlich ein anderes sein als das Alltags-Ich der Heldinnen. Diese fehlen im Shonen komplett, denn da sind die besonderen Kräfte eng mit den Figuren verbunden.

Bösewichte

Gemeinsam ist beiden, dass die Bösewichte nach den typischen Zielen streben: Sie wollen stärker und mächtiger werden und die Welt beherrschen. Dazu bedienen sie sich verschiedener Methoden und fordern damit die Protagonisten heraus.


Botschaften und Werte

Wichtige Werte, die durch Shonen transportiert und behandelt werden sind Freundschaft, Ausdauer, Sieg, Zusammenarbeit, Persönlichkeitsentwicklung, Kämpfe, Mut, also typische Themen, die vor allem Jungs und junge Männer angehen.

In Magical Girl Anime wie Manga werden gänzlich andere Werte herausgestellt, die auch zur Zielgruppe passen: Die Mädchen kämpfen für bestimmte Ideale, wie Liebe, Frieden Hoffnung wie auch Schönheit. Freundschaft scheint aber auch hier sehr wichtig zu sein.


Zeichenstil

Äußerlich zeichnet sich die Optik der „Kampfshonen“ durch einen kantigen fast schon schmutzigen Stil aus. Die Figuren haben meist eher kleine Augen, es dominieren eher grobe und raue Linien. Im Vergleich zum Genre Shojo liegt der Fokus mehr auf Handlungen, Nahaufnahmen von Gesichtern finden sich äußerst selten.

Da das Genre Magical Girl zu Shojo zählt, ist auch hier der Zeichenstil deutlich von Shonen zu unterscheiden. Es dominieren schöne Mädchen und schöne Jungen, große Augen, starke Emotionen, Handlungen sind nicht ganz so dominierend wie die inneren Einblicke in die Gefühlswelt der Figuren. Ganz im Gegensatz zu Shonen ist der Zeichenstil von einer Weichheit und ästhetischen Angemessenheit geprägt, weiche und saubere Linienführung dominiert, es finden sich die typischen Arrangements der Hintergründe wider.



Fazit

Auf den ersten Blick dominieren die Unterschiede zwischen Shonen und Magical Girl, doch schaut man sich die inhaltlichen Aspekte, besonders die Entwicklung der Figuren an, zeigt sich, dass beide im Kern doch auf das Gleiche verweisen: Der Kampf des Guten gegen das Böse und die Entwicklung der Hauptfiguren sind zwei sehr wichtige gemeinsame Plotpunkte. In der Analyse haben sich natürlich sehr viele Differenzen aufgetan und es ist interessant zu sehen, wie das Kämpfen auf männliche und weibliche Art mit Geschlechtervorstellungen einher gehen. Wie man sieht kann man die beiden Genres durchaus miteinander vergleichen, da sie schon ähnliche inhaltliche und strukturelle Gemeinsamkeiten aufweisen und doch sind sie sehr verschieden.



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