Mittwoch, 24. Februar 2016

Die Vögel



Eckdaten:
Der längst als Klassiker geltende Spielfilm Die Vögel (Originaltitel: The Birdsaus dem Jahr 1963 markiert nach Der unsichtbare Dritte (1959) und Psycho (1960) einen weiteren Höhepunkt im Spätwerk des britischen Filmregisseurs Alfred Hitchcock. Basierend auf Daphne du Mauriers gleichnamiger Kurzgeschichte, verfasste Evan Hunter das Drehbuch. Hitchcock verzichtete auf eine musikalische Untermalung im herkömmlichen Sinne. Stattdessen wurde der Film mit künstlichen Vogelstimmen und anderen Geräuscheffekten unterlegt, welche mittels eines Trautoniums unter der Aufsicht von Komponist Bernard Herrmann aufgenommen wurden. Die weibliche Hauptrolle des Horrorthrillers konnte der Regisseur nicht mit Grace Kelly besetzen, da diese sich kurz zuvor aus dem Schauspielgeschäft zurückgezogen hatte. So machte man sich auf die Suche nach einer Darstellerin ähnlichen Typs und fand letztlich die Spielfilm-Debütantin Tippi Hedren. Die männliche Hauptrolle wurde mit Rod Taylor, welcher durch den Vorjahreshit Die Zeitmaschine bekannt wurde, besetzt. 

Handlung:
Der Rechtsanwalt Mitchell "Mitch" Brenner und Melanie Daniels, Tochter eines millionenschweren Medientycoons, begegnen sich in einer Tierhandlung in San Francisco. Dort bekommt Melanie im Rahmen eines Streiches, der ihr gespielt wurde, mit, dass Mitch seiner Schwester zwei Sperlingspapageien zum Geburtstag schenken möchte. Sie bestellt die Vögel in der Zoohandlung und beschließt, sie nach Erhalt unbemerkt vor Mitchs Wohnung abzustellen. Dort angekommen erfährt sie allerdings von einem Nachbarn, dass Mitch das Wochenende bei seiner Mutter und seiner Schwester in Bodega Bay verbringt. Kurzerhand schwingt sie sich in ihren Sportwagen und fährt in die Bucht. 

Erneut stellt sie den Käfig unbemerkt ab: Im Wohnzimmer des Familienanwesens. Nachdem Mitch - welchen Melanie aus der Ferne beobachtet - die Vögel entdeckt hat, vereinbaren die beiden nonverbal ein Treffen. Auf dem Weg zum Zentrum des Ortes, wird Melanie von einer Möwe angegriffen und leicht verletzt. Mitch verarztet sie und lädt sie auch gleich zur Geburtstagsfeier seiner Schwester Cathy ein. Dort greifen scharenweise Vögel an, sodass Melanie und die Brenners sich ins Haus zurückziehen. Doch später, am Abend, dringen hunderte aggressive Haussperlinge durch den Kamin ein. Am darauffolgenden Morgen stößt Mitchs Mutter auf die Leiche eines bekannten Farmers, welchem Vögel die Augen herausgepickt haben. Voller Sorge bittet sie Melanie, zur Schule zu fahren und nach Cathy zu sehen. Dort kommt es zu einem weiteren Angriff der Vögel: Auf die Schulklasse. Ein Kind wird ernsthaft verletzt, die anderen können sich jedoch in Sicherheit bringen. Auf der Flucht vor den Vögeln trennen sich die Wege von Melanie und Cathy. Erstere flieht in ein Auto und geht daraufhin ins Restaurant, wo sich die aufgebrachten Bürger versammeln. Dort wird sie Zeuge eines erneuten Angriffs. Cathy dagegen kommt bei ihrer Lehrerin Annie Hayworth unter, die es zwar schafft, das Kind vor den Vögeln zu retten, dabei aber - wie sich herausstellen sollte - selbst um kam. 

Um vor weiteren Angriffen sicher zu sein, verbarrikadieren sich die Brenners und Melanie im Haus. Sie vernageln Fenster und Türen mit Brettern, was die Vögel fürs Erste aufhält. Jedoch hört Melanie - als die anderen bereits eingeschlafen waren - merkwürdige Geräusche vom Dachboden, weshalb sie mit einer Taschenlampe ausgerüstet nach oben geht. Dort wird sie von hunderten Vögeln angegriffen. Keine Sekunde zu früh gelingt es Mitch, sie zu retten. Doch sie ist bereits schwer verletzt. Sie braucht ärztliche Hilfe und im Haus ist nun ohnehin niemand mehr sicher. Die Brenners beschließen daher, das Haus mit Melanie zu verlassen. Draußen lauern unzählige Vögel, doch sie greifen nicht mehr an. Den Vieren gelingt es, das Anwesen zu verlassen. 

Kritik:
Nicht umsonst nennt man ihn den Master of Suspense: Alfred Hitchcock schuf mit Die Vögel einen hochspannenden Vertreter des Horror-Genres. Während die Exposition noch recht humorvoll, beinahe wie eine nicht ganz klischeefreie Liebeskomödie, abläuft, verdichtet sich der Streifen ab dem ersten Angriff der Vögel zunehmend zu einem beunruhigenden Albtraumszenario. Der Regisseur legte sehr viel wert auf die Figuren und nahm sich genügend Zeit, diese einzuführen. Zwar wirken die Ängste, Wünsche und Sehnsüchte der Protagonisten oftmals belanglos, für diverse Versuche den Film zu deuten sind sie aber relevant. Dreidimensional, vielschichtig und schreiberisch konsequent getroffen sind sie aber alle Mal. Auch die Dialoge sind hervorragend geschrieben und werden von den Darstellern auch bestens rübergebracht. Gerade Hauptdarstellerin Tippi Hedren, welche zuvor ausschließlich in einem Werbespot zu sehen war und ansonsten als Fotomodell arbeitete, spielt so ausdrucksstark, dass die Mimik allein oftmals Bände spricht. Generell kann man den Cast nur loben, obgleich die Vögel die eigentlichen Stars des Filmes sind. 

Um die Trickaufnahmen mit eben diesen realisieren zu können, wurde auf nahezu alle verfügbaren Filmtechniken der 1960er Jahre zurückgegriffen. Dazu zählen Matte Paintings, Rückprojektion, Yellowscreen und Rotoskopie. Somit durchlebte der Film eine für die damalige Zeit ungewöhnliche lange Postproduktionsphase. Obwohl man den Spezialeffekten ihr alter durchaus anmerkt, haben die Verantwortlichen hervorragende Arbeit geleistet. Einige der Trickeinstellungen sind - bedenkt man die Möglichkeiten - sogar richtige Meisterstücke. Da man die Vögel nicht nur sehen, sondern auch hören sollte, ließ Hitchcock unter Aufsicht seines bevorzugten Komponisten, Bernard Herrmann, mittels eines Trautoniums, quasi dem Vorläufer des Synthesizers, künstliche Vogelstimmen erzeugen. Diese ersetzen die Filmmusik und verstärken somit auf ihre ganz eigene Art die klaustrophobische Atmosphäre des Filmes. 

Warum die Vögel nun die Menschheit angreifen, bleibt ungeklärt. Dies spiegelt sich auch im offenen Ende wieder. Dennoch bietet der Film ein paar Anhaltspunkte für eine Interpretation. Mitchs Mutter, Lydia, vermutet im Zusammenhang ihrer Hühner, welche seit geraumer Zeit nichts mehr fressen, eine Seuche. Dies kann als Hinweis für das Angreifen der Vögel gedeutet werden. Auch die hysterische Frau im Restaurant liefert eine mögliche Erklärung. Sie machte Melanie für die Geschehnisse verantwortlich, da die Angriffe sich um Bodega Bay konzentrieren und begannen, als sie dort auftauchte. Die ebenfalls im Restaurant anwesende Ornithologin gab auch zu verstehen, dass sich ein solches Verhalten der Vögel mit ihrem Dissertationsgebiet widerspricht. Möglicherweise also sind die Ursachen von mystischer oder gar übernatürlicher Natur. Die ungelösten Matheaufgaben an den Tafeln im Klassenraum dagegen unterstreichen nochmal die Ungeklärtheit des Ganzen.

Fazit:
Die Vögel ist vielleicht nicht der beste Film von Alfred Hitchcock - was bei dessen Filmographie auch nicht verwunderlich ist - aber zweifellos steht er in Sachen Spannung und visuellen Reizen mit an der Spitze. Zudem bietet er zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten. Die unkonventionelle akustische Untermalung durch künstlich erzeugte Vogelstimmen verstärkt hervorragend die klaustrophobische Atmosphäre und die Effektszenen sind äußerst gelungen. Zudem sind sämtliche Figuren hervorragend geschrieben und wurden erstklassig dargestellt. 


80%
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