Mittwoch, 2. März 2016

Der unsichtbare Dritte



Eckdaten:
Beim 1959 erschienenen Spielfilm Der unsichtbare Dritte (Originaltitel: North by Northwest), handelt es sich um einen der ersten Actionfilme der Filmgeschichte. Die unter der Regie von Alfred Hitchcock entstandene US-Produktion spielte weltweit etwa 9,8 Millionen Dollar ein und stellt die letzte Zusammenarbeit mit dem Regisseur und Hauptdarsteller Cary Grant dar. Für die weibliche Hauptrolle wurde Eva Marie Saint verpflichtet, den Schukren gab James Mason und dessen Handlanger Martin Landau. Die Filmmusik steuerte Hitchcocks bevorzugter Komponist Bernard Herrmann bei und das Drehbuch schrieb Ernest Lehman. Der unsichtbare Dritte ist die erste und einzige MGM-Produktion des Master of Suspense und mit einer Laufzeit von 136 Minuten sein längster Spielfilm.

Handlung:
Der ironische Werbefachmann Roger O. Thornhill wird während eines Geschäftsessens von zwei wortkargen, bewaffneten Männern gegen seinen Willen zu einem Landhaus gebracht. Fälschlicherweise, denn sie halten ihn für einen gewissen George Kaplan, den sie auf ihre Seite ziehen wollen. Thornhill kann die Männer nicht davon überzeugen, von diesem Mr. Kaplan noch nie etwas gehört zu haben. Nach wie vor im Glauben, den richtigen Mann entführt zu haben, zwingen sie ihn unverträgliche Mengen Alkohol zu trinken um ihn danach - mitsamt eines Sportwagens - eine Klippe hinab zu schieben. Natürlich mit dem Ziel, dass es für die Polizei wie ein aus Trunkenheit am Steuer resultierender Unfall ausschaut. Doch die Ganoven machen ihre Rechnung ohne Thornhill. Ihm gelingt im letzten Moment die waghalsige Flucht. Leider schenken die Polypen den Worten des Marketingexperten keinen Glauben, weshalb er sich auf eigene Faust auf die Suche nach der Wahrheit begibt.

Unglücklicherweise gerät Thornhill im Verlauf seiner Ermittlungen unter Mordverdacht, weshalb er nun nicht nur vor seinen Entführern, sondern auch vor der Polizei flieht. In einem Zug lernt er die hübsche Blondine Eve Kendall kennen, welche für ihn die Gesetzeshüter anflunkert und ihm sogar Unterschlupf in ihrer Kabine gewährt. Sie arrangiert für Thornhill sogar ein Treffen mit diesem ominösen George Kaplan: Mitten in der Prärie. Doch Kaplan soll dort niemals aufkreuzen, stattdessen wird der Protagonist unter Kugelhagel und mit Einsatz von Insektenvernichter von einem Flugzeug gejagt. Nur knapp entgeht er dem Tod. Mit einem gestohlenen Wagen in die Stadt geflohen, trifft er sich erneut mit seiner vermeintlichen Freundin Eve, von welcher er nun weiß, dass sie für seine Entführer arbeitet. Auf einer Kunstversteigerung wird der Werbefachmann ein weiteres Mal mit seinen Feinden konfrontiert, sodass er eine Schmierenkomödie abziehen muss, um nicht mit seinen Kidnappern, sondern der Polizei den Saal verlassen zu können. 

Die Gesetzeshüter erhalten die Anweisung, Thornhill beim Flughafen abzuliefern, wo ihn jemand erwartet. Verwundert befolgen die Beamten diesen Befehl. Der Mann stellt sich als Geheimdienstmitarbeiter heraus, der für Aufklärung sorgt: Einen George Kaplan hat es nie gegeben. Er wurde lediglich erfunden, um die Ganoven auf den falschen Mann zu hetzten, während der tatsächliche Agent unverdächtigt bleibt. Thornhill wurde also nur durch unglückliche Umstände für diesen Mr. Kaplan gehalten. Doch nun soll er die Rolle weiterspielen. Er soll sich vom richtigen Agenten zum Schein erschießen lassen, damit Phillip Vandamm, der Schurke, sich in Sicherheit wiegt. Dieser Agent ist keineswegs ein Unbekannter oder besser gesagt: Keineswegs eine Unbekannte. Es ist Eve Kendall. Vandamm versprach, sie mit ins Ausland zu nehmen. Großes Glück für den Geheimdienst. Doch nach dem vermeintlichen Mord an Roger Thornhill, entwickelt Vandamms Handlanger Skepsis. Er findet heraus, dass in ihrer Waffe lediglich Platzpatronen waren und lässt dies seinen Vorgesetzten wissen. Zur gleichen Zeit macht Thornhill sich auf den Weg, Eve zu retten, denn er will auf keinen Fall, dass sie mit diesem Scheusal ins Ausland geht und weiter in ihrer Rolle bleiben muss. Die Rettungsaktion endet in einer waghalsigen Flucht über den Heiligenschrein der Demokratie: Das Mount-Rushmore-Nationaldenkmal. Dem Tod knapp entkommen, finden sich Eve Kendall und Roger Thornhill in der folgenden Einstellung als Ehepaar im Schlafwagen eine Zuges wieder. 

Kritik:
Aufwendiger denn je, wendete sich Alfred Hitchcock mit Der unsichtbare Dritte erneut seinem Lieblingsthema des unschuldig Gejagten zu. Der Film gilt als eine Art Kompilation aller amerikanischen Filme des Regisseurs, da dieser mit nahezu sämtlichen Elementen, die in seinen vorherigen Werken Verwendung fanden, jonglierte. Mit reichlich Action, zahlreichen Ortswechseln und einem Protagonisten mit ironisch, lockerem Mundwerk, nahm Hitchcock den ersten aller James Bond-Filme um vier Jahre vorweg. Kein Wunder also, dass Harry Saltzman und Albert R. Broccoli zuerst Cary Grant für die Rolle ihres Superagenten gewinnen wollten. Auch das Verbrechersyndikat, angeführt von einem charismatischen Bösewicht, beeinflusste die spätere Darstellung der Organisation S.P.E.C.T.R.E (in den deutschen Fassungen anfangs Das Phantom) in den 007-Filmen nachhaltig. Der unsichtbare Dritte darf aber nicht nur als Wegweiser für die Bond-Reihe angesehen werden. Tatsächlich ist der Streifen - neben Stanley Kubricks Die Rechnung ging nicht auf - sogar einer der ersten Actionfilme der Filmgeschichte. 

Doch der Streifen ist nicht nur einer der ersten Actionfilme. Er ist auch einer der besten. Und das nicht zuletzt wegen Hauptdarsteller Cary Grant. Kaum ein anderer Filmstar bekam über einen Zeitraum von etwa dreißig Jahren fast ausschließlich Hauptrollen. Er hatte beim Publikum einfach stets einen Stein im Brett. Die Leute mochten seine Art, sie mochten diesen warmherzigen, humorvollen Gentleman, der niemals zynisch oder arrogant wirkte. Diesem Image blieb er auch in seiner Rolle als Roger O. Thornhill treu. Interessant ist auch, dass Jessie Royce Landis, welche die Mutter des Protagonisten spielte, nur sieben Jahre älter war, als der damals 55-Jährige Cary Grant. Dabei sah sie nicht ungewöhnlich alt aus und Grant auch nicht ungewöhnlich jung. Durch die Spielweise der beiden, insbesondere aber durch den Charakter der Hauptfigur, funktioniert es einfach. Auch Hauptdarstellerin Eva Marie Saint leistete hervorragende Arbeit, doch vor allem James Mason begeistert mit seiner enormen Leinwandpräsenz als Bösewicht Phillip Vandamm. Den Geheimdienst-Chef besetzte Hitchcock mit Leo G. Carroll, mit dem er zuvor bereits fünf Mal zusammenarbeitete. Seine Figur stellt eine Parodie des FBI-Chefs J. Edgar Hoover dar, die wirklich ein kleines Highlight des Filmes ist. Oscar-Preisträger Martin Landau weiß in seinem Hollywood-Debüt als Vandamms Handlanger ebenfalls zu gefallen.

Inszenatorisch ist Der unsichtbare Dritte schlichtweg atemberaubend. Sämtliche der wahrlich beeindruckenden Schauplätze wurden perfekt in Szene gesetzt und jede einzelne Kameraeinstellung mit Bedacht gewählt. Des Erzähltempos wegen entsteht in keiner Minute Langeweile, die 136 Minuten vergehen regelrecht wie im Flug. Trotz einigen Thriller-Elementen bleibt der Film in seiner Grundstimmung positiv. Nicht unentscheidend tragen dazu die humorvollen Kommentare des Protagonisten bei. Der Streifen enthält auch einige der populärsten Szenen aller Hitchcock-Filme. So etwa das Flugzeug, mit welchem Thornhill inmitten der Prärie angegriffen wird oder die waghalsige Flucht über das Mount-Rushmore-Nationaldenkmal. Beide Szenen sind visuell höchst beeindruckend und lassen sich ihr alter in keinster Weise anmerken. Der unsichtbare Dritte ist ohnehin ein zeitloser Film, was im Hinblick auf sein Genre bemerkenswert ist. Dass etwa ein Drama wie Schindlers Liste in dreißig Jahren noch genauso gut funktionieren wird, wie heute oder wie vor zwanzig Jahren, steht völlig außer Frage, doch im Action-Genre haben sich die Sehgewohnheiten entwickelt. Heute wird verstärkt auf Schauwerte und ein rasantes Erzähltempo gesetzt: Zwei Eigenschaften die Der unsichtbare Dritte bereits erfüllt und mit dem Charme seiner Zeit vereint.

Für die Filmmusik griff Alfred Hitchcock auf seinen bevorzugten Komponisten Bernard Hermann zurück. Die erste Arbeit des russischstämmigen Amerikaners war der Score zu Orson Welles' Regiedebüt: Dem wohl einflussreichsten (und besten) Film der Geschichte Hollywoods, Citizen Kane. Herrmanns bekanntestes Werk ist wohl die Filmmusik zum Hitchcock-Film Psycho, der in dessen Filmographie direkt auf Der unsichtbare Dritte folgt. Sein bestes Werk hingegen haben wir womöglich genau hier: Der Score zu Der unsichtbare Dritte. Die Eingängigkeit und die Magie seiner Melodien machen ihn zu einem wahren Meisterstück. Der Score fasst den Film musikalisch perfekt zusammen.

Fazit:
Es gibt bessere Filme als Der unsichtbare Dritte. Allerdings bedarf es womöglich nur einer einzigen Hand, um diese aufzuzählen. Voller beeindruckender Schauplätze, sympathischer, gut geschriebener Charaktere und furios inszenierter Action-Szenen, begeistert der Film vor allem durch die kunstvolle Bildgestaltung, die fabelhaften Darsteller und den umwerfenden Score von Bernard Herrmann. Ein zeitloser, rasant erzählter und virtuoser Klassiker, der nicht nur ein Highlight in Hitchcocks Oeuvre darstellt. 


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