Mein Anti-Jagd-Tagebuch

Ein Trainings-Tagebuch, das nie geführt wurde. Alles zu kleinschrittig, zu "banal". Vielleicht, wenn ich einen echten, richtigen Jäger hätte. Aber, wie ich ja schon beim AJT-Seminar erfahren habe, ist Blacky der klassische Pseudo-Jäger. Bei ihm ist "Jagen" kein echtes Jagen sondern ein unkontrolliertes Rennen, ausgelöst durch einen Sichtreiz oder auch einfach nur als Übersprungshandung bei zu großer Aufregung.

Daraus ergibt sich logischerweise: Bewegungsfreiheit einschränken und kontrollieren (auf dem Weg bleiben, Radius einhalten, Umorientierung). Beides ist durch monatelange Kleinarbeit gut gelungen. Das war einfach nur eine Frage der Geduld, ständiger positiver Verstärkung und intensiven Übens. Rückblickend hätte ich natürlich früher damit anfangen können bzw. müssen - so ein Rennsemmel-Hund war echt was Neues für mich - andererseits sehe ich schon sehr deutlich, dass man die Selbstbeherrschung, die das Einhalten eines relativ kleinen Radius erfordert, nicht bei jedem jungen, lebhaften Hund voraussetzen kann.

Der oft empfohlene Weg, den Hund die ersten 1,5 Jahre nur an der Schleppleine zu lassen, wäre für mich echt unvorstellbar gewesen.
Klar, da macht einem ein anhänglicher, eher unselbständiger Will-to-Please Hund das Leben natürlich leichter als ein eigenständiger Jäger, der dann mal vier Stunden weg ist. Natürlich kann man nie irgendwas garantieren, aber ich weiß, dass Blacky recht schnell wieder umdreht, und ich weiß aus Erfahrung, dass er nicht zupackt (nicht mal bei einer Maus, und eine abgestürzte Krähe und ein Kitz, das direkt vor uns auf den Weg gestolpert ist, hatten wir auch schon, beiden wurde weder Haar noch Feder gekrümmt, zum Glück).

Die Sache mit der Aufregung hat sich mit der Bewegungseinschränkung recht schnell von ganz allein erledigt. Blacky ist ein Hund, dem klare Regeln und Strukturen Sicherheit geben. Ein absoluter Schlüssel für uns war (und ist) dabei die Leinenführigkeit.
Für Blacky ist die Leine eine Art Entspannungssignal. Wenn die Leine dran ist, weiß er einfach, dass jetzt die Aussenwelt keine Rolle mehr spielt. Ich gratuliere mir täglich dafür, dass ich damit so eisern war (und bin), schon in der Welpenzeit. Leine ist "Safety Zone" und eine Art Käseglocke. Eine grüne Zone für den Hund.
Blacky fährt an der Leine sofort runter. Wenn er also anfing, zu scannen, rumzurennen, aufgeregt zu werden, kam die Leine dran. Nach einer Weile Pause an der Leine konnte er dann auch wieder entspannt frei laufen. So waren auch längere Ausflüge und Ritte möglich, bei denen er sonst wegen Reizüberflutung Stress bekommen hätte.
Klar, bei einem Hund, dem unterwegs die Löffel ausgehen, würde man eigentlich sagen: dann eben nicht so lange raus. Blöd aber, wenn der Hund dann sein Bewegungsbedürfnis nicht ausleben kann - noch blöder, wenn genau dieses Bedürfnis einer der Auslöser für das "Jagen" ist.

Da hat uns das Radfahren geholfen. In diesem Sommer haben wir das verstärkt gemacht, und es tut Blacky sehr gut.  Einfach mal 10-15 km durchgehend locker Traben oder Galoppieren können - er läuft fast die ganze Zeit frei, kann also auch mal Schnuppern - und der Hund ist völlig zufrieden. Er scannt nicht, er guckt nicht mal groß links und rechts, er braucht ja keinen Auslöser zum Rennen zu suchen.  Und diese Entspannung nimmt er auch in andere Situationen mit.

Also: Ein Hund, der sich nicht enfernt, auf dem Weg bleibt, sich an mir orientiert, entspannt ist und nicht nach hetzbaren Objekten am Horizont sucht - dafür hat sich die Mühe gelohnt (und wird natürlich fortgesetzt, perfekt sind wir ja noch lange nicht). Heute waren wir fast drei Stunden Ausreiten, mit einem zweitem Pferd, in Gelände, dass ihn sehr zum Rennen animiert - Obstbaumwiesen, große offene Flächen, von denen er weiß, dass es dort reichlich Rehe und Hasen gibt - und es hat geklappt, und zwar komplett ohne Leine. Nicht ohne Aufpassen meinerseits natürlich, aber ohne Abdüsen. Nur einmal hat er angesetzt - und das bringt mich zum letzten Punkt.

Rückruf bei Wildsichtung.

Dazu hätte ich noch vor einem halben Jahr gesagt: Unmöglich. Das schaffe ich nie. Da Blacky weder nach Spuren geht, noch stöbert, noch den Weg verlässt, wird es nicht so häufig zu Sichtungen kommen - aber Abrufen vom Wild? Im Leben schaffe ich das nicht. Nicht, wenn alles erst mal in Bewegung ist. Umorientieren bei Vögeln, ja. Das klappt gut. Aber sprintende Hasen und Rehe?

Was nicht heisst, dass ich es nicht versuche. Aber der ganze Aufbau von Superrückrufen, Pfeifen etc. ist irgendwie an meiner Inkompetenz gescheitert. Die Pfeife vergesse ich entweder zu Hause oder denke im entscheidenden Moment nicht dran. Und der Superrückruf - das war auch nix für uns. Blacky ist sowieso nicht der Vorzeige-Rückruf-Hund. Aus der Ablage auf dem Hundeplatz, ok, da flitzt er zu mir - aber im Alltag wird nicht zu Frauchen galoppiert, sondern erst noch mal gepinkelt und dann gemütlich zu mir geschlendert (warum und wieso das so ist,  und warum ich das toleriere, das ist dann wieder ein anderes Thema...)

Daher geht es mir weniger um einen Superrückruf als um einen Abbruch. Lass es sein!! Ob der Hund dann stehenbleibt, sich wieder auf den Weg begibt, in der Landschaft runguckt oder zu mir zurückkommt,  ist mir egal. Nur weiterrennen soll er nicht. Und dieses "Abbruchsignal" ist einfach nur markerschütterndes Gebrüll. Beim ATJ-Seminar hiess es ja auch: Richtig laut und richtig oft rufen, damit man auch zum Hund durchkommt. Prima, laut kann ich!

Damit Blacky davor keine Angst bekommt, gibt's für den erfolgten Abbruch direkt auch immer eine Belohnung. Wenn er anfangs wohl wirklich vor Schreck reagiert hat, ist es inzwischen zum Signal geworden und schüchtert ihn auch nicht mehr ein. Aus Pseudo-Spaß-Durchstart-Aktionen liess er sich bald stoppen auf diese Weise - um sich dann die Leberwurst abzuholen. Aber bei echter Wildsichtung?

Und dann: Der Hundekumpel (der eigentlich überhaupt nicht zum Jagen neigt), stürzt sich ins Gebüsch, scheucht zwei Rehe auf, direkt vor uns, die Hunde hinterher... so laut habe ich noch nie gebrüllt. Und Blacky - bleibt stehen. Guckt zu mir, guckt dem Rehen und seinem Kumpel nach.  Überlegt. Und: Kommt zu mir. Ich hatte weiche Knie. Die Leberwurst mit zitternden Fingern rausgefischt. Die ganze Tube gab's.

Ein paar Mal hat er mir inzwischen schon Rehe angezeigt, sich direkt die Leberwurst abgeholt, statt loszurennen. Ein paar Mal hat sich stoppen lassen, als ich aber nicht sicher war, ob da wirklich Wild war. Aber aus vollem Lauf, mit dem Wild direkt vor der Nase... Für solche Momente hat sich das ganze Üben wirklich gelohnt.

Das ist der Stand der Dinge - mal sehen, was der Frühling bringt!









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