ZB MED vor dem Aus ….?!

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Ich konnte es gestern nicht fassen, als ich erfuhr, dass diese Spezialbibliothek vor dem Aus stehe. Wie bitte?! Es gibt keine vergleichbare Bibliothek zu Themen rund um Medizin, Umwelt, Agrarwissenschaften und Ernährung in Deutschland.

Hintergrund: Jedes Leibniz-Informationszentrum – was die ZB MED seit 2014 auch ist – muss sich in gewissen Abständen einer Evaluation unterziehen. Da wird dann geguckt, ob die Arbeit den Ansprüchen der Leibniz-Gemeinschaft entspricht. Völlig klar und nachvollziehbar. Doch eine Bibliothek ist kein  Forschungsinstitut und erst recht kein Wirtschaftsunternehmen. Da müssen in meinen Augen die Maßstäbe schon ein bisschen anders angelegt werden.

Es fehle insbesondere ein überzeugendes Forschungskonzept, auf dessen Grundlage die digitalen Angebote weiterentwickelt werden könnten. Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit benachbarten Hochschulen in Forschung und Entwicklung würden kaum ausgeschöpft. Auch sei in den vergangenen vier Jahren die Empfehlung nicht umgesetzt worden, die informationswissenschaftliche Kompetenz an der ZB MED deutlich zu stärken.(Quelle: Leibniz-Gemeinschaft, 18. 3.2016)

Die ZB MED ist seit 2014 selbständiges Leibniz-Informationszentrum – und obwohl es bedauerlich ist, ist es doch bekannt, dass Verwaltungsmühlen an wissenschaftlichen, besonders auch universitären Einrichtungen eher langsam mahlen. In der Argumentation der Petition, die Rudolf Mumenthaler ins Leben gerufen hat, wird dargelegt, dass diese Forderungen in Arbeit, ja kurz vor dem Abschluss standen (aufgrund der „Empfehlung“ vom 18. März wurde die Aufnahme von Verhandlungen mit der Nr. 1 auf der Liste abgeblasen …); Berufungsverfahren für Professuren sind langwierig, das könnte man bei der Leibniz-Gemeinschaft wissen (weiß man ja auch – aber anscheinend wird das nicht berücksichtigt). Insgesamt finde ich die Argumentation ein bisschen sehr „unternehmensberatermäßig“ – in meinen Augen keine gute Grundlage, um Wissenschaftseinrichtungen zu beurteilen. Besonders negativ aufgestoßen ist mir der Begriff vom „hochkompetitiven Fachinformationsmarkt“. Oder denken Sie dabei an eine wissenschaftliche Infrastruktureinrichtung?

ZB MED ohne Leibniz-Gemeinschaft – denkbar?

Nun ja, bis 2013 war sie zwar „nur“ Teil der „Wissensgemeinschaft Blaue Liste„; seit

Der erste Eintrag einer Ergebnisseite in LIVIVO - mit der Option, jede Menge Informationen durch Aufklappen der blauen Links hinzuzubekommen
Der erste Eintrag einer Ergebnisseite in LIVIVO – mit der Option, jede Menge Informationen durch Aufklappen der blauen Links hinzuzubekommen

2014 ist sie als Informationszentrum der Leibniz-Gemeinschaft angeschlossen. Aber: Diese vollgültige Aufnahme in den Leibniz-Kosmos war auch mit Aufbruch verbunden. Der neue Katalog LIVIVO z. B.; in meinem Beitrag zum Relaunch habe ich ja schon geschrieben, wie gut mir das neue Angebot gefällt. Ob dieses Angebot auf dem Niveau gehalten werden kann, wenn andere und wahrscheinlich kleinere Töpfe zur Finanzierung der ZB MED herhalten müssen, ist fraglich. Gern gekürzt wird bei allen Bibliotheken bei den Zeitschriften, wenn die Mittel knapp werden – auch das wäre vermutlich eine Folge, wenn die ZB MED wieder auf eigenen Füßen stehen müsste.

Und was, wenn es keine Möglichkeit geben sollte, diese Einrichtung zu erhalten? Ich mag es mir gar nicht ausmalen. Spezialbibliotheken oder Fachinformationszentren, wie es die Leibniz-Gemeinschaft nennt, sind wichtige Insitutionen für die Wissenschaft, die Ausbildung und auch für die Praxis – in der ZB  MED z. B. suchen nicht nur Studierende der Medizin ihre Literatur für Prüfungen raus, auch Ihr Hausarzt oder Ihre Fachärztin kann sich dort mit aktuellen Informationen versorgen, die über die „normalen“ abonnierten Fachzeitschriften hinausgehen – nur so als Beispiel, wo diese Einrichtung auch das Leben von medizinisch nicht auszubildenden oder ausgebildeten Menschen wie Sie und mich betrifft.

Mag ja sein, dass ich altmodisch bin, aber ich finde, dass Wirtschaftlichkeit in Sachen Wissenschaft eine zweischneidige Sache ist: Es soll kein Geld verpulvert werden, klar, aber Wirtschaftlichkeit in einer auf Wettbewerb in finanzieller Hinsicht orientierten Szene ist mir hier suspekt. Da wird diese Wirtschaftlichkeit leicht zum Fetisch, dem sich alles andere unterordnen muss. Freien Zugang zu Wissen sehe ich bei dieser Haltung gefährdet. Wissenschaft braucht Infrastruktur – Bibliotheken bieten genau das. Wettbewerb ist da für die Qualität sicher ein Anreiz, aber dann sollte auch die Zeit eingeräumt werden, um ein solch großes Unternehmen umzubauen und nicht innerhalb von kurzer Zeit (Vier statt sieben Jahre sind seit der letzten Evaluation (vor der Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft) erst vergangen!) eine Umstrukturierung als vollzogen erwartet werden.

PS (31.3.2016): Ich empfehle, die Petition von Rudolf Mumenthaler zu unterschreiben.

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