Mauern mauern Maurer

Es jährt sich mal wieder, wie jedes Jahr. Offiziell am 3. Oktober, der Tag der deutschen Einheit. Einheit? Wohl eher ein Wunschtraum. Und so träumen viele Tagträume, von anderen eingeredet, die in einer Traumwelt leben. Hinter Mauern in den Köpfen.

Mauern gibt es so viele, nicht nur in Köpfen. Einige werden eingerissen, um an anderer Stelle wieder aufgebaut zu werden. Andere werden gebaut, um später wieder zu weichen. Mauern behindern die Freiheit. Aber dafür beschützen Mauern auch – auch vor der Freiheit.

Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält,
ohne es zu sein.
Johann Wolfgang von Goethe

Es schreiben so viele, die Mauer wäre gefallen. Jemanden auf die Füße oder vom Himmel herab? Eine Mauer kann doch nicht fallen, einstürzen schon eher. Und das ist die innerdeutsche auch nicht, sie wurde fein säuberlich abgetragen, um hinterher stückweise an irgendwelche Leute mit Mauern im Kopf verhökert zu werden. Wer bitteschön stellt sich schon ein Stück Mauer in Garten oder Wohnung? Meist ohne selbst Ahnung zu haben, wie eine solche erbaut wird? Maurer, die Mauern mauern, gibt es auch kaum noch. Heute heißt der Beruf Hochbaufacharbeiter, Beton- und Stahlbetonbauer oder Trockenbaumonteur. Natürlich alles, um in der modernen Geschlechtergleichheit zu bleiben, mit dem Zusatz „In“ versehen. Wir wollen ja niemanden benachteiligen.

Aber der dritte Oktober eines jeden Jahres, dieser wunderbar zum zocken geeignete mittlerweile zusätzliche Feiertag, gedenkt ja nicht dem Fall der Mauer, sondern der Wiedervereinigung. Wobei das eine ja das andere bedingt. Aber wie schon klar gestellt, ist die Mauer nicht gefallen. Höchstens der Elite der SED auf die Füße. Imaginär gesehen. Wir dürfen nun reisen, wohin wir wollen, haben aber nicht das Geld dazu. Vorher durften wir es nicht, hatten aber auch kein Geld, deswegen war das nicht ganz so tragisch.

Zurück zur Wiedervereinigung. Was bitteschön wurde wieder vereinigt? Ost- und Westdeutschland. Quatsch. Deutschland war schon im Altertum zersplittert. Wer sich durch Google wühlen mag, der findet diese lustige Grafik, wie sich die Grenzen und Mauern seit Altertum und Antike stetig verändern. Grenzen sind dazu da, neu gezogen zu werden. Das war schon immer so und wird immer so bleiben. Aber gut, bitte sehr, wenn die Obrigkeit es so will, feiern wir die Wiedervereinigung. Mit einer Stulle mit Nudossi, dem ostdeutschen Pedant zu Nutella, zum Beispiel. Von wegen hüben wie drüben gab es nix zu fressen. Nur die Bananen kamen über Umwege in die heute als ostzonalen Gebiete bezeichneten, ähm, Gebiete. Macht aber auch nichts, dafür haben wir heute eine Bananenrepublik und die Bananen schon satt.

Wir feiern, nein, wir sollen feiern, 25 Jahre Wiedervereinigung? Warum? Geändert hat sich zwar einiges, dafür oft nicht zum Guten, zu oft zum Negativen. Zu pessimistisch? Nein, ganz und gar nicht, nur realistisch betrachtet. 25 Jahre Verarschung, 25 Jahre Kehrtwende, Jahr für Jahr. 25 Jahre Heuchelei, 25 Jahre Scheinheiligkeit, 25 Jahre mit Mauern in den Köpfen. Der dämliche Ossi ist immer noch allgegenwärtig, der versnobte Wessi ebenso. 40 Jahre Umerziehung lassen sich nicht so einfach austreiben. Zumindest nicht in der älteren Generation, auch wenn man sich nun anpasst. Und genau das ist das Stichwort zum Tage.

Nicht die Wiedervereinigung sollte gefeiert werden, sondern die Anpassung an den Zeitgeist. Damals keine Bananen im Alltag, dafür heute die Bananenrepublik. Friede, Freude, Eierkuchen.

 
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