Nach ein paar schönen Tagen bei meinen Eltern kam ich wieder
nach Hause in den grauen Alltag. Obwohl noch nicht ganz…
Gleich am ersten Tag zu Hause kam meine Trauzeugin mich
besuchen und wir sind gemeinsam zur Hochzeitsmesse gegangen. Die Hochzeit, die
ja schon länger für den 30.08. geplant war, musste mal genauere Form annehmen.
Wir wollten ja nur im kleinen Kreis heiraten, also dachten wir, Februar wäre
früh genug. Aber wollen wir das wirklich noch? Immerhin war diese kleine,
intime Feier ja nur geplant, weil wir dachten, dass wir ein Baby mit dabei
hätten. Die große Feier sollte dann ein Jahr später nachgeholt werden. Und nun?
Ganz spontan und nach einem kurzen Gespräch mit meiner Trauzeugin und meinem
zukünftigen, meinte mein Freund „Ach, ich will nicht mehr klein heiraten. Ich
möchte einen DJ und tanzen und eine schöne Feier mit unserer ganzen Familie und
vielen Freunden.“
Urlaub können wir ja auch nicht planen, da meine derzeitige
Jobsituation mehr als ungewiss war. Naja, keine 2 Tage später hatten wir die
neue Lokation gebucht und fingen an mit 50-60 Mann zu planen. (Am Ende sind es
dann doch 80 geworden J)
Somit wurde unsere kleine 20 Mann Feier mal eben abgesägt
und ich konnte mich auf meine Hochzeit konzentrieren, um wenigstens etwas zu
tun zu haben und mich abzulenken. Bald
stand dann auch mein Geburtstag an. Noch so ein Tag, den ich eigentlich
vergessen wollte. Wer will schon Geburtstag feiern, wenn das wichtigste fehlt?
Immerhin war unsere Tochter zu dem Zeitpunkt gerade mal eine Monat tot. Aber
gar nichts machen, kam mir auch falsch vor. Ich glaube das hätte sie auch nicht
gewollt. Also habe ich meinen Bruder und seine Freundin eingeladen, sowie die
Schwester meiner Freundes und noch eine gute Freundin von mir und wir sind dann
alle Hochzeitskleider anprobieren gefahren. Also die Männer nicht, die haben
nach Anzügen geschaut.
Und nach nur 4 Kleidern habe ich eins gefunden. Mein
Traumkleid, von dem ich nicht dachte, dass ich es finden werde und vor allem,
dass es mir stehen würde. Somit hatte der Tag dann doch etwas Gutes. Abends kam
noch der Trauzeuge von meinem Freund und wir haben mit meinem Bruder und seiner
Freundin zusammen gesessen, erzählt und ein paar Cocktails getrunken. Am Tag
danach, als wir wieder Ruhe hatten, sind wir dann auf den Friedhof gefahren.
2 Tage nach meinem Geburtstag bin ich meine Cousine besuchen
gefahren. Der Alltag ohne meinen Freund bekam mir nicht und ich hätte zwar
wieder arbeiten gehen können, aber mit meiner Chefin konnte ich zu dem
Zeitpunkt kein Wort mehr reden und sie wollte auch nicht, dass ich wiederkomme.
Das hat sie mir ja eindrucksvoll klar gemacht.
Meine Cousine hat eine kleine Tochter, die war da gerade ein
Jahr alt. Ich habe es so genossen mit der kleinen zu spielen. Ich fand es auch
einfach nur toll, immerhin war sie der Beweis, dass es auch anders gehen kann
und das hat mir Mut gemacht und das brauchte ich auch ganz ganz dringend. Was
mich allerdings ziemlich belastet hat, meine Cousine und ihr Mann, haben die
kleine auch oft „Mini“ genannt. Das tat jedes Mal weh, aber ich hab mich dran
gewöhnt. Was sollte ich auch anderes tun…
Zu dem Zeitpunkt habe ich dann auch angefangen die ersten
Bewerbungen rauszuschicken. Die ersten Gespräche in meinem Heimatort konnte man
vergessen. Wenig Geld und jeden Samstag arbeiten bei nur 30 Stunden… Das wollte
ich nicht. Also hab ich mal etwas weiter weg geguckt und habe eine tolle Stelle
gefunden, allerdings 60 km entfernt. Das bedeutet jeden Tag allein 1,5 Stunden
nur Auto fahren. Aber die Stelle gefiel mir so gut, dass ich sie schließlich
angenommen hab. Zum 1.5. allerdings erst. Somit hatte ich noch fast 2 Monate zu
Hause.
Mir gings zu diesem Zeitpunkt immer schlechter. Eigentlich
sollte es mit der Zeit doch besser werden, oder? Weil ich allein nicht mehr
klarkam und den Austausch gesucht habe, habe ich dann eine Trauergruppe
gefunden, für Eltern, die ihr Kind während der Schwangerschaft oder kurz danach
verloren haben. Allerdings organisiert durch die katholische Kirche… Da war ich
erstmal am zweifeln, ob die mich aufnehmen würden, immerhin habe ich meine
Schwangerschaft wissentlich abgebrochen… Aber die war total nett zu mir und
meinte noch, dass sie es „schön“ findet, mal meine Seite zu hören. Sie kennt
nur Eltern, die das Kind ausgetragen haben und möchte aber auch mal wissen, wie
es Leuten geht, die sich anders entschieden haben. Allerdings trauen sich viele
nicht, offen mit ihrer Trauer umzugehen, weil sie es ja so entschieden haben.
Mir geht es ähnlich. Oft fühle ich mich schuldig, wenn ich trauere, immerhin
habe ich den Tod unserer Tochter zu diesem Zeitpunkt zu verantworten. Aber habe
ich deswegen weniger das Recht darauf traurig zu sein, als andere? Muss ich mich
meiner Trauer schämen? Ich empfinde sie genauso, wie andere auch und sie tut
genauso weh. Und zusätzlich dazu muss ich mich auch noch meinen Schuldgefühlen
stellen.
Jedenfalls war Frau R. aus der Trauergruppe sehr nett und
verständnisvoll und wir haben uns gut aufgehoben gefühlt. Auf das erste treffen
ein paar Wochen später mit anderen Eltern war ich sehr gespannt. Aber ich hatte
auch Angst. Wir würden die auf meine Geschichte reagieren? Kann ich mit den
traurigen Geschichten von anderen Umgehen?
Das erste Treffen war sehr bewegend, aber ich habe mich zum
ersten Mal verstanden gefühlt und ich konnte auch gut mit den Geschichten der
anderen umgehen. Besser als ich erwartet hätte. Die Gruppe wurde dann ein
fester Termin einmal im Monat. Der Austausch
mit anderen hat mir wirklich geholfen. Ich habe gemerkt, dass ich mit vielen
Dingen nicht allein dastehe. Meine Trauer wurde dort auch akzeptiert und ich
wurde nicht für meine Entscheidung angefeindet oder so, womit ich ja gerechnet
hätte. Das wir die Schwangerschaft abgebrochen haben stand nur am Rand und war
für keine wirklich wichtig und alle konnten unsere Trauer verstehen. Das hat
mir sehr geholfen immerhin hat er mir gezeigt, dass es auch für mich ok ist,
meine Trauer zu zeigen.
Im Februar habe ich nebenbei auch mit einer Therapie
begonnen, um besser mit dem erlebten umgehen zu können. Diese hat mir bis dahin
nur wenig gebracht. Die Akzeptanz in dieser Trauergruppe hat mir nach einer
Sitzung mehr gebracht als 2 Monate Therapie. Dass ich diese dann angebrochen
habe, muss ich glaub ich nicht weiter erwähnen… In der Trauergruppe habe ich
gelernt, dass meine Gefühle völlig normal sind und ich sie nicht verstecken
muss. Das konnte die Therapie nicht.
Somit habe ich mich dann auch ganz gut gewappnet gefühlt für
einen Neustart in Sachen Arbeit. Aber erst kam noch ein Umzug. Wir mussten aus
unserer Wohnung raus und konnten glücklicherweise die Nachbarwohnung bekommen.
Somit bekamen wir den gewünschten Tapetenwechsel, einer bessere Wohnung und
einen entspannten Umzug. Was will man mehr? Ausserdem haben wir entschieden,
dass wir nach dem Umzug auch wieder mit der Familienplanung anfangen wollen. Bei
uns beiden war der Wunsch nach einem Kind so groß, wir mussten es einfach
wieder versuchen und wenn sie Zeit reif ist, würde unsere kleine uns ein Baby
schicken.