Gemeinsam trauern – wie geht das?

gemeinsam trauern

Schwere Schicksalsschläge

Gerade in langjährigen Beziehungen gibt es immer wieder Ereignisse, die uns herausfordern, die uns schmerzen und die tiefe Trauer in uns auslösen. Diese Ereignisse betreffen nicht nur uns als Individuum, sondern auch die gemeinsame Beziehung. Eine  Beziehung verändert sich im Laufe der Zeit sowieso aber gravierend verändert sie sich vor allem durch besondere Schicksalsschläge, die persönliche Trauer nach sich ziehen. Diese Ereignisse brauchen besondere Beachtung, sonst verlieren wir uns als Paar vor lauter Trauer aus den Augen, dabei kann gerade unser Partner oder unsere Partnerin der Rettungsanker in solchen Krisen sein.

Der schwerste Fall solcher Art ist sicher der Verlust eines gemeinsamen Kindes. Es kann aber auch eine schwere Krankheit, der Verlust eines Arbeitsplatzes oder der eigenen Firma sein. Auch der Moment, wenn unsere Eltern oder Schwiegereltern sterben, ist ein die Beziehung verändernder Zeitpunkt. Es lohnt sich gemeinsam genau hinzugucken und im besten Fall auch gemeinsam zu trauern. Einfach ist es nicht.

Vorbilder

Es gibt einen solchen Fall unter meinen Klienten und dieses Paar ist für mich ein echtes Vorbild. Durch sie weiß ich, wie wichtig die gemeinsame Trauer ist, um dann als Paar ebenfalls gemeinsam weiter in die Zukunft zu gehen. Sie haben vor ein paar Jahren ihren damals 12jährigen Sohn durch einen Unfall verloren. Er verletzte sich bei einem Skiunfall ähnlich wie Michael Schumacher trotz Helm so schwer am Kopf, dass er zunächst ins Koma fiel und dann nach ein paar Wochen starb.  

Eigentlich ist so ein Ereignis kaum auszuhalten, aber diese Beiden haben einen guten Weg für sich gefunden. Sie wissen, dass sie für ihren Sohn alles gegeben haben, sie haben sich niemals gegenseitig Vorwürfe gemacht und das wichtigste war, dass sie beide daran glauben, dass ihr Sohn noch da ist und ihnen manchmal einen kleinen Hinweis in Form eines Windstosses oder eines Gedankens gibt. Hier war vor allem entscheidend, dass beide diese gleiche Verbundenheit immer noch erleben. Die Frau war sich sicher, wenn sie wüsste, dass ihr Mann darüber lächeln würde oder klar sagen würde, dass der Sohn weg sei und nichts mehr von ihm übrig bliebe, hätte sie nicht mit ihm zusammen bleiben können.

Es ging also nicht nur darum gemeinsam zu trauern, sondern auch um die Art und Weise wie das gemeinsame Trauern möglich ist.

Oft erlebe ich in der Beratung genau an diesem Punkt einen tiefen Zwiespalt und er erscheint unüberbrückbar.

Lesen

Und es gibt noch ein Paar, das als Vorbild dienen kann. In ihrem gemeinsam geschriebenen Buch „Gemeinsam trauern – gemeinsam weiter lieben“ beschreiben Christa Majer-Kachler und Roland Kachler ganz genau ihren Weg, den sie gemeinsam nach dem Tod ihres Sohnes gegangen sind.

Sie haben es geschafft und vor allem nennen sie auch neue Zahlen, denn es heißt immer, nach dem Tod eines gemeinsamen Kindes erhöht sich die Gefahr der Trennung. Das stimmt aber so nicht, denn mit 16 – 18 % liegen die Trennungen nach solchen schweren Schicksalsschlägen wesentlich niedriger als die durchschnittlichen 50 % Trennungswahrscheinlichkeit, die auf eine „normale“ Partnerschaft zutreffen.

Die beiden haben in ihrem Buch betroffene Paare befragt und sie selbst zu Wort kommen lassen.  Darüber hinaus gibt es in dem Buch auch kleine Übungen, durch die sich ein Paar nach so einem schweren Schicksalsschlag wieder annähern kann. Es lohnt sich unbedingt, dieses Buch zu lesen.

Differenzierung

Wie immer spielt auch in dem Prozess des gemeinsamen Trauerns die Differenzierung eine wichtige Rolle, denn der Partner ist ein anderer Mensch und er trauert auch anders. Nur, wenn wir verstehen, dass beide zwar um den gleichen Menschen trauern aber bei weitem nicht um denselben, können wir uns gegenseitig die eigene Trauer zumuten. Sie ist wie eine sensible Pflanze, die behutsam behandelt werden sollte.

Auch wir selbst sollten behutsam mit unserer Trauer umgehen und uns viel Zeit für sie nehmen. Wir dürfen sie auch ernst nehmen, wenn sie nicht so leicht nach zu vollziehen ist. Wenn wir z.B. um unsere Gesundheit trauern oder um einen Traum, der nicht in Erfüllung gehen wird, haben wir es manchmal mit Unverständnis von Außen zu tun. Oft gelingt es uns kaum selbst Verständnis für diese Traurigkeit aufzubringen, wie soll es da dem Partner oder der Partnerin gelingen? Verdrängen nützt nichts, das hat es noch nie getan und das tut es in diesem natürlich auch nicht.

Aufstellungsarbeit

Eine mögliche Form, sich wieder einander anzunähern ist meine geliebte Aufstellungsarbeit. Mit dieser Methode können wir uns gemeinsam durch den Trauerprozess begleiten. Meist lasse ich zunächst den einen Partner aufstellen und der oder die andere guckt zu, ohne sich einzumischen und zu unterbrechen. Der Prozess zeigt sich dann ohne viel Worte und berührt meistens beide sehr.

In einem zweiten Schritt kann dann das Paar noch einmal gemeinsam aufstellen. Es geht dann in eine konstruktive Energie über, denn beide suchen nach einem Prozess, in dem sie gemeinsam eine Lösung finden können. So kann ein schwerer Schicksalsschlag noch enger aneinander binden als zuvor.

Ein Beispiel

Ein Paar kommt zur Beratung, weil sie sich seit einiger Zeit sehr auseinander gelebt hätten und viel streiten würden. Bei der ersten Beratung lassen sie sich gegenseitig kaum ausreden und fallen sich ständig ins Wort. Mehrmals möchte der Mann die Sitzung verlassen.


Auf Nachfragen gibt es keine größeren Ereignisse, auch keine Todesfälle in der Familie. Wir bleiben also ganz klar bei dem konkreten Miteinander. Wir gehen die letzte hoch strittige Begegnung noch einmal minutiös durch. Wer hat wann was gesagt, gedacht, getan? Welche Bedürfnisse stecken hinter den jeweiligen Aussagen oder Handlungen?

Auf diese Art und Weise haben wir dann heraus gefunden, dass beide um ihre Jugend trauern. Sie sind früh Eltern geworden und haben sich stark verpflichtet gefühlt, der Mann hat viel gearbeitet, die Frau hatte nach beiden Geburten Schwangerschaftsdepressionen, die damals nicht als solche erkannt wurden.

Jetzt waren sie beide schon Mitte 60 und hatten das Gefühl, ihr ganzes Leben verpasst zu haben. Erst durch das Gespräch wurde das deutlich! Ein halbes Jahr später haben sie sich noch einmal bei mir gemeldet, denn sie haben unsere Sitzung zum Anlass genommen, die Weichen so zu stellen, dass sie die folgenden gemeinsamen Jahre anders gestalten.

Sie kauften sich ein kleines Haus auf dem Land und begannen das Haus zu einem „Salon“ umzugestalten, in dem einmal im Monat Lesungen und Vorträge stattfinden. Darin haben beide sich ergänzt, denn sie liebte es Gastgeberin zu sein und er wollte sich unbedingt weiterbilden. Mit dem Salon haben sie eine perfekte gemeinsam Lösung für sich gefunden. Das gelang jedoch erst, nachdem sie sich beide gegenseitig die Trauer um die Jugend eingestehen konnten.

Gerne begleite ich euch durch den Prozess, falls ihr betroffen seid und euch auf die Suche nach einem gemeinsamen Weg machen wollt. Vereinbart einfach einen Termin für ein kostenloses Vorgespräch.