Wenn der Wecker klingelt

Geschrieben von: am 06. Sep 2016 um 6:25

Bild: ehenergie via pixabay

Die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern sei ein Weckruf gewesen. Die Wähler fordern einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik, heißt es auf allen Kanälen. Dabei hat es den schon längst gegeben. Die Asylgesetze sind zweimal verschärft und ein zweifelhafter Deal mit der Türkei ausgehandelt worden. Die Grenzen auf dem Balkan sind dicht. Die Flüchtlinge ertrinken wieder zuhauf im Mittelmeer oder werden in Lagern an der europäischen Peripherie verwahrt. Eigentlich müsste sich Erleichterung bei denen einstellen, die einen Kurswechsel immerzu fordern. Sie heizen die Stimmung aber weiter an und tun so, als strömten immer noch tausende Migranten pro Tag über Deutschlands Grenzen hinweg.

 

Die CSU redet schon wieder über Obergrenzen, obwohl im Augenblick viel weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Das bestätigt sogar einer, der es wissen muss. Dass die Flüchtlingszahlen in diesem Jahr wieder nach oben schnellen könnten, entbehre faktischen Grundlagen, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). „Wenn sich die Zahlen weiter wie bisher entwickeln, bleiben wir deutlich unter den 200 000 [Flüchtlingen]. Ich gehe davon aus, dass die Grenzen am Balkan, in Bulgarien und Mazedonien, halten.“

Da herrscht also kontrollierte Zuversicht an der Basis im Freistaat vor, nicht aber in der Abteilung Attacke, die angesichts von Wahlergebnissen nach einer noch härteren Gangart verlangt. „Nach dem dramatischen Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern muss die Berliner Republik endlich die notwendigen Entscheidungen treffen.“ Die CSU gebe hier einen klaren Kurs vor. „Wir brauchen eine Obergrenze für Flüchtlinge, schnellere Rückführungen, eine Ausweitung der sicheren Herkunftsländer und eine bessere Integration.“

Nur wohin soll die Reise denn gehen? Die Forderung nach schnelleren Rückführungen und der Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten scheitert schon jetzt an der Realität. Also daran, dass es die aufnehmenden Staaten dem Abschieber so schwer wie möglich machen, weil die Verlockung groß ist, Flüchtlinge als Verhandlungsmasse für Deals anderer Art zu nutzen. Auch ist nicht ganz klar, ob es sicherere Staaten gibt, in die bedenkenlos abgeschoben werden kann. Zumindest ist es seltsam, wenn die Bundesregierung Länder für sicher erklärt, obwohl sie die eigenen Bürger eindringlich davor warnt, aufgrund ebendieser Sicherheitslage dorthin zu reisen.

In diesem Zusammenhang scheinen die Asylpakete I und II schon wieder in Vergessenheit geraten zu sein, die eiligst durch den Bundestag gepeitscht worden sind. Nach der letzten Verschärfung im Frühjahr trat sogar der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer, aus Protest zurück. Also an Härte und klarem Kurs scheint es nicht zu mangeln. Allerdings, da hat der Wecker CSU schon recht, wäre es nun mal wieder an der Zeit, für das nächste Asylpaket. Denn ein halbes Jahr ist schon wieder rum.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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