Justin Trudeau – liberale Politik in bewegten Zeiten

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Am 4. November 2015 ist Justin Trudeau kanadischer Premierminister geworden, knapp zwei Jahre später, am 14. Mai 2017 wurde Emmanuel Macron in Europa Präsident von Frankreich. Beide sind jung, charismatisch und erfolgreich – in ihren Biographien gibt es einige Parallelen und man kann den Eindruck haben, dass da, zumindest punktuell, politisch eine neue Ära eingeläutet wurde.

Kindheit, Jugend und Studium

Justin Pierre James war der Älteste von drei Geschwistern und wurde am 25.12.1971 in Ottawa geboren. Seine Eltern sind Pierre (1919-2000) und Margaret  (*1948) Trudeau, 1973 kam sein Bruder Alexandre, 1975 sein Bruder Michel zur Welt. Michel kam 1998 bei einem Lawinenunglück ums Leben. Seine Eltern trennten sich bereits 1977, die Scheidung wurde 1984, als der Vater aus dem Amt des Premierministers ausschied, rechtsgültig. Justin und seine Brüder wuchsen beim Vater, dem das Sorgerecht zugesprochen worden war, in Montreal auf. Obwohl Justin sich schon in jungen Jahren politisch engagierte und interessierte, orientierte er sich beruflich zunächst einmal in ganz anderen Fachgebieten.

Er studierte an der McGill University in Montreal Literaturwissenschaft und schloß 1994 mit dem Bachelor of Arts ab, dem noch ein Bachelor of Education an der University of British Columbia (1998) folgte. Anschließend unterrichtete er Sozialkunde, Mathematik und Französisch an der High School West Points Grey Academy und der Sir Winston Churchill Secondary School in Vancouver.

2002-2003 erweiterte er seine Ausbildung noch um ein weiteres Studium: Ingenieurwesen in Montreal. Einen weiteren Studiengang, den er 2005 begonnen hatte, nämlich den Master of Arts in Umweltgeographie an der McGill University, brach er 2006 ab um endgültig in die Politik zu gehen.

Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er im Oktober 2008 bekannt, nachdem er eine bewegende Trauerrede für seinen Vater gehalten hatte. Bereits damals begeisterte der junge Trudeau die Menschen mit seiner Herzlichkeit und Eloquenz.

Am 28.5.2005 heiratete er Sophie Grégoire, die er schon aus Kindertagen kannte, da sie in die Klasse seines Bruders Michel gegangen war. Sie hatten sich jedoch erst 2003 wiedergetroffen; nach der Eheschließung wurden drei Kinder geboren: zwei Söhne 2007 und 2014, eine Tochter 2009. Im Jahr 2013 verließen sie Montreal um wieder in Justins Heimatstadt Ottawa zu ziehen. Sein vorbildliches Privatleben bildet neben anderen Komponenten einen guten Background für seine Karriere.

Justin Trudeau

Politische Karriere

Durch seinen Vater, Pierre Trudeau, der mit einer kurzen Unterbrechung von 1968-1984 Premierminister von Kanada war, kam Justin ja bereits aus einem politisch geprägten Elternhaus. Er unterstützte die Liberale Partei seit seiner Jugend. Mit 17 Jahren warb er bei der Wahl für das kanadische Unterhaus 1988 für den liberalen Kandidaten John Turner. Am 29.4.2007 wurde er selbst für die Unterhauswahl aufgestellt (Wahlkreis Papineau in Montreal). Bei der Wahl am 14.10. 2008 gewann er mit knapper Mehrheit gegen Vivienne Barbot. Die Liberalen wurden als zweitstärkste Partei zur Official Opposition. Im Oktober wurde er zum Schattenminister für Jugend und Multikulturalismus ernannt, 2010 vertraute man ihm das Thema Staatsbürgerschaft und Einwanderung an. In dieser Rolle kritisierte er die Regierung und deren Gesetze, da sie nach seiner Ansicht die Opfer des Menschenschmuggels bestraften.

Am 2.5.2011 wurde Trudeau in seinem Wahlkreis wiedergewählt, aber die Liberalen wurden nur noch drittstärkste Partei. Nach dem Rücktritt des Vorsitzenden Ignatieff wurde Bob Rae einstweiliger Vorsitzender. Unter ihm wird Trudeau Schattenminister für Tertiäre Bildung sowie Jugend- und Amateursport, 2013 dann schließlich selbst Vorsitzender der Liberalen Partei.

Nachdem Bob Rae signalisiert hatte, dass er selbst nicht an diesem Amt interessiert sei, war Trudeau gleich einem „Tsunami“ bestürmt worden, den Vorsitz zu übernehmen. Umfragen hatten nämlich gezeigt, dass es unter Justin Trudeau, der zu dieser Zeit als „Rockstar“ der Partei bezeichnet wurde, besser werden würde und es sogar die Chance gäbe, die Konservativen zu überholen. So war er einerseits der Favorit, andererseits wurde ihm auch fehlende Substanz vorgeworfen, da er sich nicht zu seinen politischen Grundsätzen äußerte sowie zu Fragen der Wirtschaft und der Außenpolitik. Am 2.Oktober kündigte er schließlich seine Kandidatur für den Vorsitz der Liberalen Partei an.

Sein Herausforderer Marc Garneau gab im März 2013 auf, da die Umfragen zeigten, dass er keine Chance habe. Danach stellten sich viele liberale Politiker hinter Trudeau, der die Wahl am 14.4.2013 mit einer überwältigenden Mehrheit von 80,09% gewann.

Premierminister

Unter Trudeau gewann die Liberale Partei die absolute Mehrheit der Sitze. Am 4.November 2015 wurde Justin Trudeau zum 23. Premierminister von Kanada gewählt. In sein Kabinett wurden ebenso viele Männer wie Frauen aufgenommen – er bezeichnet sich selbst als Feministen und forderte seine Landsleute wiederholt auf sich mit dem Feminismus auseinanderzusetzen.

Bereits in seiner Jugendzeit hatte er sich in vielfältiger Weise für soziale und humanitäre Projekte eingesetzt, wobei ihn sein Status und sein berühmter Name unterstützt haben. Im Jahr 2000, zwei Jahre nach dem Tod seines Bruders, beteiligte er sich mit seiner Familie an der Gründung des Kokanee Glacier Alpin Campaign für Sicherheit im Wintersport.

Von 2002 bis 2006 war er Vorsitzender des Katimavik-Jugendprogramms, das schon von seinem Vater gegründet worden war. Mit seinem Bruder Alexandre begründete er das Trudeau Centre for Peace and Conflict Studies an der University of Toronto, das Zentrum gehört zur Munk School of Global Affairs. 2005 kämpfte er gegen eine Zink-Mine, die seiner Meinung nach den South Nahanni River, der zum UNESCO-Weltnaturerbe des Nahanni National Park Reserve gehört, vergiftet.

Zu Beginn seiner Amtszeit als Premierminister versprach er, dass er sich für die komplette Legalisierung von Cannabis einsetzen wolle. Desweiteren möchte er die restriktive Einwanderungspolitik des konservativen Premierministers Harper lockern. Beim Amtsantritt von Donald Trump war Trudeau Mitte Februar 2017 eines der ersten Staatsoberhäupter, der in Washington seinen Antrittsbesuch machte.

Am 16. Februar sprach Trudeau vor dem Europaparlament in Straßburg insbesondere über den erfolgreichen Abschluss des Handelsabkommens CETA zwischen der Europäischen Union und Kanada. Am folgenden Tag traf er sich mit  Angela Merkel in Berlin, wo sie vor der Presse u.a. auf den Abschluss des CETA-Vertrages, die Bedeutung des Kampfes gegen den Klimawandel und auf die Gemeinsamkeiten der deutschen und kanadischen Flüchtlingspolitik hinwiesen.

Warum ist Justin Trudeau so populär?

Bei einem Staatsempfang in Ottawa ein paar Monate nach Justins Geburt  prophezeite der damalige Präsident Richard Nixon ihm eine große Zukunft: „Ich erhebe mein Glas auf den künftigen Premierminister Kanadas, auf Justin Pierre Trudeau.“ Sein Vater war ebenso charismatisch und durch ihn lernte Justin schon in jungen Jahren die politische Welt in all ihren Facetten kennen.

Trudeau ist lässig, sportlich, cool, ein Beau mit Sex-Appeal: Demokraten in aller Welt sehen in ihm den idealen Gegenentwurf zu Donald Trump, da er stets optimistisch, zugewandt und bescheiden ist. Im Gegensatz zu Trump, der von seinen Anhängern geliebt und seinen Gegnern gefürchtet werden will, wünscht Trudeau lediglich von allen respektiert zu werden. Er symbolisiert für viele Menschen den Wandel, einen Garanten um verkrustete Strukturen aufzubrechen.

Trudeau gelang es auch, die jugendlichen Wähler zurückzugewinnen, die ja schließlich für die Zukunft eines Landes stehen. Es ist zu hoffen, dass der Skandal der „Paradise Papers“ keinen allzu großen Schatten wirft!

Photo: © Prime Minister Justin Trudeau / By 2017 Canada Summer Games / CC BY 2.0 / via Wikimedia Commons

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Harriet von Behr
Harriet von Behr ist gelernte Verlagsbuchhändlerin, studierte anschließend Germanistik und Theaterwissenschaft und arbeitete während und nach dem Studium für mehrere Verlage im Lektorat. Aktuell schreibt sie u.a. für TheMan Artikel zu den verschiedensten Themen.
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