Eltern-Talk mit der Familienministerin … Familiengeld und Familienzeit

Und es begab sich, dass zufälligerweise Uta auf eine Verlosung der Zeitung eltern.de stieß für einen Gästeplatz der Eltern-Talkrunde mit der Familienministerin. Und sie gewann. Und dann ging plötzlich alles ganz schnell und Uta saß im Zug, während ich mir daheim den Wecker stellte.

Kleine Beobachtung des Facebook-Livestreams vom 11. Oktober 2016. Themenfokus: Wie Familien mehr Zeit füreinander bekommen können.


19:00 sollte es losgehen – es wurde aber erst mal später. Weil, wie Frau Schwesig dann so nett erklärte, sie selber im Vereinbarkeitsdings steckte. Der Mann trotz Elternzeit im Büro mit länger dauerndem Termin, sie im Homeoffice mit Fahrdienst fürs Kind – und irgendwo dazwischen die optimale Abfahrtszeit, um den Termin in Berlin zu schaffen. Gelächter in der überwiegend weiblichen Runde – das kennen wir ja alle, nicht wahr?

Ich konnte auch grinsen – und den Kopf schütteln. Selbst mit Stab, definitiv fixem Terminplan und sicherlich engagierter Familie kann mal was schief gehen. Meanwhile, hier in meinem Haus: Der Esstisch grade so abgeräumt, aber definitiv nicht abgewischt. Schnell noch Tee und Schoki dazugestellt und Schmierblatt samt Füller gegriffen. Kopfhörer auf, denn die Kinder gucken Fernsehen und haben keine Lust, von meinem Livestream-Gedudel gestört zu werden.

Genug davon, wir reden mal über Inhalte, nicht wahr … Ich bin noch etwas abgelenkt, denn Frau Schwesig und ich, wir teilen Geburtsort und Dialekt, sie hat das Gymnasium 2 Jahre vor meinem dortigen Eintritt verlassen – total komisch, das so zu hören. Und sie zu sehen. So von Kleinstadtpflanze zu Familienministerin (ich meine: WTF!).

Und hier ist der Livestream, wer es sich in Gänze selber angucken mag:

 

# 1 Wahlfreiheit: Ob wir uns davon verabschieden sollten (Spoiler: ja)

Die Frage stellt die Chefredakteurin der Eltern-Zeitschrift. Ob das überhaupt noch zeitgemäß wäre, weil Beruf und Familie, das ginge doch sowieso immer zusammen. Ja, sagt die Familienministerin – klar geht das immer Hand in Hand. Weshalb ihr auch die Gelassenheit wichtig wäre, die Umsicht, wie man miteinander umging. Mütter, Frauen untereinander – und Eltern/Nichteltern zusammen im gesellschaftlichen Umfeld.

Überhaupt dieses Rollenbilderdenken wäre ja zu hinterfragen: Muss es denn wirklich #heimchenamherd versus #rabenmutter sein? Das wäre, sagt die Familienministerin dann, auch gar nicht mehr Kern der Debatte. Gute 80 Prozent der Paare* wünschten sich doch schon die Option, flexibler arbeiten zu können – um insgesamt mehr Zeit für die Familie zu haben.

# 2 Männer im Job – Teilzeit oder Lippenbekenntnis?!

Tatsache, das ging jetzt aber fix, denke ich mir noch: Schon sind wir bei der Frage, ob Männer denn WIRKLICH zugunsten der Familie Arbeitszeit reduzieren würden. Die Familienministerin stimmt zwar zu, dass hier häufig mehr Lippenbekenntnis da wäre denn echte Bereitschaft zur Teilzeitarbeit. Sie packt aber auch Zahlen aus, die auf der Studie basieren, die das Familienministerium kürzlich durchführen ließ: 60 Prozent der Paare* wünschten sich eine gleichberechtigte Partnerschaft samt gleicher/ähnlicher Arbeitszeit. Warum das nicht ginge, ließe sich auf zwei Punkte zurückführen:

  1. Widerstände im Job, mit dem Arbeitgeber und Vorgesetzten
  2. finanzielle Einbußen, die insbesondere durch die immer noch höheren Löhne der Männer bei vergleichbarer Tätigkeit gegenüber Frauen zu Buche schlagen

Gewürzt wird das Thema durch Schwesigs eigene Erfahrungen, bzw. genauer durch die ihres Mannes, der bei Kind 1 und 2 jeweils Elternzeit nahm/nimmt und auf wenig Gegenliebe stieß.

# 3 Familiengeld – die “neue” Idee

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Foto von Uta vor Ort geschossen

Ok ja, der Schlenker von finanziellen Einbußen der Männer hin zur Idee des Familiengelds ist ganz gut gelungen. Ich hatte im Vorfeld dazu “nur” den einleitenden Artikel auf eltern.de gelesen und mich dann stirnrunzelnd gefragt, für wen das denn attraktiv sein solle.. und siehe da: Mittelschicht, eher unterer Einkommensbereiche. So weit so löblich.

Die Idee hinter dem Familiengeld: Beide Elternteile reduzieren auf eine vollzeitnahe Teilzeit mit 28h+ und erhalten dafür eine direkte finanzielle Leistung von 300,- (150,- pro Elternteil) je Kind. Dieser finanzielle Anreiz soll insbesondere Väter dazu bringen, Arbeitszeiten zu reduzieren – und genau genommen die typische Gehaltsschere zwischen Vollzeitarbeitendem Mann und Teilzeitarbeitender Frau reduzieren.

Ob dafür 300,-€ reichen? Ich wage das zu bezweifeln, wenn wir uns mal die typischen durchschnittlichen Einkommen von Mann/Frau und Vollzeit/Teilzeit angucken..

 

# 4 Ehegattensplitting – wie lange noch?!

Immer wieder relevant und vielfach gefordert ist die Abschaffung des Ehegattensplittings. Sieht Frau Familienministerin ebenso, hat aber vor, sich für den Bestandschutz derzeitiger Eheverhältnisse einzusetzen. Quasi im Sinne: Wer sich bislang auf die steuerlichen Vorteile des Splittings verlassen hat, bspw. indem einer viel (=Mann) und eine wenig/gar nichts (Frau) verdient, darf das auch weiterhin. Alle neu hinzugekommenen sollen dagegen in steuerlicher Hinsicht gerechter entlastet werden. Sehr sympathisch ist mir folgender Satz (ungefährer Wortlaut, ich war zu langsam beim mitschreiben..) aufgefallen:

Ich will die steuerliche Entlastung dort sehen, wo Kinder sind.

Insbesondere Alleinerziehende und Nicht-Verheiratete kamen bei dem Thema immer mal wieder auf. Ein wichtiger Punkt, den Frau Schwesig in der kommenden Legislaturperiode angehen will – aber, wie sie sagt, dabei kaum auf den Koalitionspartner CDU wird setzen können, der das Splitting nicht antasten mag.

# 5 Bewertung von Fürsorge und Pflege

Hier kam noch mal das Thema gerechte Entlohnung von überwiegend weiblich besetzten Jobs auf. Die Chefredakteurin wirft freundlich lachend ein, seit ihrem Einstieg in den Journalismus sei die Entlohnung signifikant nach unten gesunken (wahr), zeitgleich seien die Zahlen der weiblichen Journalisten und Redaktionsmitarbeiter gestiegen (auch wahr). Was es da zu lachen gibt, verstehe ich zwar nicht.. aber vielleicht wird das Elend der weiblich unterbezahlten Fachkräfte damit ertragbarer?

Jedenfalls: Kindertagesstätten, Altenheime, jedwede Pflegeberufe – überall das Gleiche. Ungerechte Bezahlung bei hoher Arbeitslast und geringem Aufstiegspotenzial. Das Familienministerium kennt die Problematik, insbesondere auch bei der Sorge um qualifizierten Nachwuchs für den Kita-Ausbau … aber machen kann man grade nichts. Ein gesellschaftlicher Wandel wäre notwendig.

# 6 Druck, Druck, Druck: der Ausstieg der qualifizierten Mütter

Ich sage es vorweg: An der Stelle hätte ich mir mehr erhofft. Die Eltern-Chefredakteurin hat ein wichtiges Thema angeschnitten. Nämlich das der jungen, gut qualifizierten Mütter, die sich nach der Geburt und der Elternzeit (1 Jahr) und dem erfolgreichen (!) Wiedereinstieg in den Job irgendwann ins Nirwana der häuslichen Ruhe verabschieden. Warum? Weil sie überlastet sind. Zuviel, zu stark, zu fordernd ist der Alltag mit Job und Kind und überhaupt allem. Sie steigen aus – und zwar komplett. Nix mit weiterer Reduzierung der Arbeitszeit oder flexibler Gestaltung oder Homeoffice… nope. Sie steigen komplett aus. Fachkräfte, die der Wirtschaft fehlen. Die uns als Gesellschaft fehlen.

Und die Antwort der Familienministerin? Weniger lange Arbeitszeit (siehe: Familiengeld & vollzeitnahe Teilzeit mit 28h+) und “Dorfclan” mit haushaltsnahen, einfach abrufbaren Dienstleistungen.

Bei beidem bin ich sofort dabei, absolut. Aber, das soll alles sein? Da können dann die mit Mindestlohn, mit Aufstockung und ohne Reinigungsfachkraft-Angebot in Wohnortnähe mal so richtig herzhaft lachen. Das räumt allerdings Frau Schwesig auch sofort ein, dass wir eben gesellschaftlich gar nicht mehr so aufgestellt seien und insbesondere steuerliche Entlastung ja nur bei sowieso schon besser Verdienenden ankomme. Weshalb sie für Direktleistungen ist (wiederum: sehr sympathisch!). Und wir Mütter müssten das Vergleichen und den Druck aufeinander sein lassen… (Ja.. ernsthaft. Wir sollten das sein lassen)

# 7 Alleinerziehende – Trennungskinder – Unterhaltsrecht

Er kommt, der Unterhaltsvorschuss ohne Befristung bis zum 18. Lebensjahr für Alleinerziehende. Die schwierige Situation der Alleinerziehenden ist dem Familienministerium bekannt – und es soll sich was tun.

# 8 Quo vadis, Kindertagesstätten-Ausbau?

Das Standing im Familienministerium ist anscheinend kein leichtes, denn Kinderbetreuung ist Ländersache, bis hinunter zur Kommune. Warum manche Kindergartenplätze kostenfrei sind und andere das gesamte Teilzeiteinkommen auffressen, hängt vor allem vom good will (oder bad will) der eigenen Gemeinde ab.

Auch hier wieder das Ziel, möglichst direkte Geldleistungen an die Familien mit Kindern zu bringen, anstelle von allgemeinen steuerlichen Entlastungen. Außerdem wird der Kita-Ausbau weiter voran getrieben. Die Qualitätssicherung bei der Ausbildung von Kita-Personal hakt etwas daran, dass der Nachwuchs teils 5 Jahre Ausbildung hinter sich bringen muss – und Länder wie Bayern und Baden-Württemberg haben da viele Jahre lang nur wenig getan, um die Kinderbetreuung flächendeckend auszubauen.

Auch hier wieder: Ein familiärer Rückhalt wäre absolut notwendig, um frühzeitig Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit zusammenzubringen. Schwesig wünscht sich ein gesellschaftliches Umdenken. Und jetzt muss ich wieder lachen: Ja, wenn man im Osten von Brandenburg aufwächst, dann ist das Arbeiten von beiden Elternteilen absolute Normalität. Also, außer einer verliert seinen Job, aber dann wird nach einem neuen gesucht. Tatsächlich ist es aber für die westlicheren Bundesstaaten genauso normale Realität, dass Mama daheim bleibt und sich gefälligst um die Kinder kümmert. Immer noch. Eine Annährung ist absolut wünschenswert – aber kann nur bedingt durch politische Anreize passieren.

# 9 Fragerunde

Uta konnte direkt als Erstes die Frage aufwerfen, wie man mit der Begrenzung der Stillzeitpausen im neu regulierten Mutterschutz umzugehen gedenke. Es hat ein bisschen gedauert, aber dann kamen die Bedenken der Stillorganisationen (AFS, DAIS, BDL) und der Elterninitiative Motherhood an, dass eine ausdrückliche Begrenzung der Stillpausen auf ein Jahr negative Auswirkungen auf die weiteren Rechte Stillender im Job haben könnte. Das wäre so nicht gewollt und nicht gewünscht, beruhigte Frau Schwesig und versprach, das mit in den parlamentarischen Diskurs zu nehmen.

Coolerweise kam meine Frage nach Tageseltern in die Talkrunde: Und wenn Frau Schwesig von Kita-Betreuung spricht, meint sie immer auch Tageseltern beziehungsweise häusliche Kinderbetreuung und an dem Thema Finanzierung und Qualitätssicherung wäre man auch dran.

Zum Abschluss kam noch ein Vätervertreter zu Wort, der sich um die Rechte von Vätern in Trennungssituationen sorgte. Er war sachlich und fachlich korrekt aufgestellt und ja, das muss man blöderweise so betonen, weil es gerade in digitalen Diskussionen wunderbar schnell in Beschimpfungen und miesen Klischeekisten ausartet. (Und ist es nicht ironisch, dass man so aufschreiben muss?) Dagegen war er absolut sachlich und ich fand, dass man insbesondere die Punkte der finanziellen Beachtung von Doppelhaushalten oder die Einführung des Wechselmodells bei Trennungen weiter verfolgen muss.

Ziele und Wünsche im Familienministerium

Frau Schwesig wünscht sich insbesondere:

  1. mehr Gelassenheit im Umgang miteinander und beim Aufeinandertreffen unterschiedlicher Lebensmodelle
  2. mehr Bereitschaft zur Nicht-Perfektion
  3. Chancengleichheit für ALLE Kinder, quer durch alle Bevölkerungs- und Einkommensschichten

Ziele des Familienministeriums werden sein:

  • Kita-Ausbau vorantreiben
  • direkte Gelder als Entlastung für Familien mit Kindern

Während dieser Debatte….

… habe ich ungefähr 30x “Fragt euren Vater!” gesagt

… habe ich dem ältesten Kind die endlich mal gewaschenen Haare geschnitten – ja, mit Kopfhörern auf und dem Blick halb auf die Haare, halb aufs iPad gerichtet

… habe ich dem Jüngsten 3x gesagt, dass ich gerade hier zuhöre und nein, jetzt nicht mit ihm ins Bett gehen werde

… hat mir der Gatte ungefähr 5x weitere Infos erzählen wollen bzw. hat mich direkt angesprochen

Aber he… es ging, das Mithören, Mitverfolgen, Mitdenken und Mitschreiben. Am Esstisch. Zwischen Kinderspielzeug und Krümeln. Ich liebe die moderne Technik und die Möglichkeiten, die sie zur Partizipation bieten, wirklich über alles.


* Ich schätze, sie bezieht sich auf diese Studie: Mitten im Leben

Sabrina
Hy, hier schreibt Sabrina. Freiberuflich als Copywriterin anzutreffen, mit Mann & zwei Kindern in enger Gemeinschaft. Feministisch, bindungsorientiert & zutiefst sarkastisch. Bekennende #coffeeholic

2 Gedanken zu „Eltern-Talk mit der Familienministerin … Familiengeld und Familienzeit“

  1. Wow, ein Blick in die Zukunft und Bericht über einen Talk, der erst in 10 Tagen stattfindet 😉 (Wird vermutlich ein Tippfehler sein mit dem 21.10.2016?)
    Ganz interessante Zusammenfassung, aber klingt eher so nach einem Vortrag als danach, dass mal jemand wirklich nachgehakt hat. Ein bißchen zu “brav” für meinen Geschmack. Trotzdem immer gut zu wissen, was beim Familienministerium so geplant ist. Vielen Dank dafür.

    1. He, meine glaskugel ist 1A! 😉

      Ne quark, das ist natürlich ein Tippfehler, den ich gleich noch korrigiere..

      Ja, in der Tat waren Fragen und Antworten mittelprächtig kritisch. Den ganzen Talk gibt es aber noch als Mitschnitt – vielleicht hab ich das auch subjektiv braver (oder kritischer) gezeichnet, als es wahr.. das muss dann jeder für sich herausfinden.

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