FilmNeuer als alt

I’m in Love with My Car: FAST & FURIOUS 7

Zugegeben: Die erste Einstellung ist ein großartiger Schabernack. Wir sehen London, bis sich ein Kopf ins Bild schiebt und der Fokus verlagert – eigentlich sehen wir aus dem Fenster eines Krankenhauszimmers, auf dem Krankenbett liegt der etwas angekokelte Bösewicht aus FAST & FURIOUS 6 im Koma. Sein Bruder Jason Statham spricht hochpathetische Worte und drückt ihm als Mitbringsel ein dickes Maschinengewehr in die Hand. „Rest now, little brother, while I settle your one last score“, brummt Statham.

Dann marschiert er aus dem Zimmer, im Hintergrund zittern die Krankenschwestern. Wir sehen auf seinem Weg zum Lift, dass das Krankenhaus attackiert wurde: Überall liegen tote Wachposten herum, Teile der Einrichtung wurden zerstört. Statham geht seelenruhig in den Lift, putzt sich auf dem Weg nach unten gemütlich die Sonnenbrille und drückt unten in der teilweise brennenden Lobby einem noch lebenden Wachmann eine Granate in die Hand. Auf seinem Weg nach draußen geht hinten eine Explosion los, draußen setzt er sich die Sonnenbrille auf, während ein Teil der Eingangsüberdachung zusammenkracht. Unbeeindruckt setzt er sich in seinen weißen Sportwagen und fährt los. Die komplette Sequenz ist in einer Einstellung erzählt.

Wenn Jason Staham ein Helikopter wäre, hätte er auch so eine handliche Wumme wie The Rock.

Wie schon im Abspann des Vorgängers angekündigt, ist Statham der jüngste Zugang des FURIOUS-Testosteronvereins, der sich vornehmlich durch Lautstärke, bizarre Stunts, schweren Haarverlust und die reflexartige Wiederholung des Wortes „Familie“ auszeichnet. Angeführt wird der Cast nach wie vor von Vin Diesel, der immer noch mit Erinnerungsarbeit beschäftigt ist: Seine Freundin Michelle Rodriguez erinnert sich partout nicht daran, was in den vorigen Filmen passiert ist. Mir ergeht es kaum besser.

Die Motoren werden diesmal nicht nur gequält, weil Statham Rache für seinen niedergemähten Bruder nehmen will (anfangen tut er mit dem Japaner Han, der in Teil 3 starb, aber in den Teilen 4-6 trotzdem mitspielen durfte, weswegen man den einst als Spin-off-Fortsetzung ohne Stars konzipierten dritten Part jetzt als Brücke zwischen 6 und 7 verstehen darf – klar soweit?). Gas wird vor allem gegeben, weil böse Menschen hinter einer Erfindung her sind, mit der man jeden Menschen auf der Welt jederzeit genauestens orten kann. Diese Technik nennt sich „God’s Eye“. Ich dachte ja, sie heißt „Facebook“.

„Was soll das heißen, Grand Theft Auto ist noch nicht fertig heruntergeladen?“

Aus flugs fabulierten Gründen, die aufmerksamere Autoren als ich sicherlich genauer zusammenfassen könnten, erhält das Team von Vin Diesel diesmal Verstärkung von Kurt Russell. Der leitet irgendeine Spezialeinheit, die ebenfalls auf der Jagd nach Statham ist – oder nach dem „God’s Eye“, wer weiß das schon so genau. Es ist freilich auch komplett egal, warum Russell da auf der Leinwand auftaucht: Wissenschaftliche Studien haben ergeben, daß sein pures Erscheinen jede Szene um bis zu 16,7% cooler macht. Sicherlich liegt das an diesem lässigen Film, in dem er die Augenklappe trägt. Der hieß CAPTAIN RON, glaube ich.

Wo waren wir? Ach ja: Das Diesel-Team muß einen Hacker namens Ramsey befreien, der sich als sehr fesches junges Frollein entpuppt. Die geschmeidige Schönheit wird von Nathalie Emmanuel gespielt, die ich aus GAME OF THRONES kennen würde, wenn ich das nur schauen würde. Jedenfalls wird Ramsey per Hochsicherheitstransport über irgendeine Bergstraße gefahren, und weil unsere Jungs da nicht so einfach herauffahren können, springen sie eben mit ihren Autos aus einem Flugzeug. Keine Bange, es befinden sich Fallschirme an den Fahrzeugen.

Dank Kurt Russell (rechts) wird sogar Wilsons Dachboden in diesem Moment 3% cooler.

Die Bergstraße, die sie mit ihren gepanzerten und kugelsicheren Fahrzeugen nicht einfach so herauffahren konnten, führt sehr lange geradeaus und ist ungefähr so breit wie ein mittlerer Highway. Ganz zum Schluß der Aktion schlittert der große Bus Richtung Abgrund, während Paul Walker herausklettert, über das Dach rennt und schon beim Absturz in die Schlucht Richtung Ebene springt, wo Michelle Rodriguez gerade mit dem Auto vorbeifährt, damit sich Paul daran festklammern kann. Gott sei Dank wird im Abspann wieder darauf hingewiesen, daß man sowas nicht zuhause nachmachen soll.

Nur wenig später befinden sich unsere Helden in Abu Dabhi, wo sie in einem Wolkenkratzer etwas Wichtiges aus einem teuren Fahrzeug klauen müssen. Während Michelle Rodriguez sich so heftig mit irgendeiner blonden Wachfrau prügelt, dass man den Schlamm vermißt, fahren Diesel und Walker mit dem Wagen aus dem Fenster und landen im gegenüberliegenden Wolkenkratzer ein paar Stockwerke tiefer. Weil die Bremsen nicht funktionieren, fliegen sie auch noch zu einem dritten Hochhaus herüber.

Angesichts der geringen Verletzungsrate in diesem Film stellt sich die Frage,
warum sich Paul Walker überhaupt die Mühe macht, aus dem herabstürzenden Bus zu klettern.

Überhaupt wird recht viel geflogen in FAST & FURIOUS 7. Diesel springt einmal mit dem Wagen eine Klippe herunter, was nach ordentlichem Blechschaden aussieht, aber weder er noch seine Beifahrerin Ramsey tragen auch nur eine Schramme davon. Dafür faßt Ramsey ob dieser hochoriginellen Fluchtmethode sofortiges Vertrauen zu Diesel. Wem würde es anders gehen?

Gleich mehrfach treten Diesel und Statham gegeneinander an – vornehmlich, indem sie ihre Autos unter Hochgeschwindigkeit frontal aneinanderkrachen lassen. Statham signaliert nach dem ersten Zusammenprall mit Kopfdrehung, daß sein Genick etwas verspannt ist, während Diesel seine Schultermuskeln dehnt. Wer so lang im Auto sitzt, sollte sich wirklich gelegentlich zur Gesundheit etwas strecken. Übrigens geht beim Aufprall nie ein Airbag auf, weshalb mir der Film als Anschauungsvideo für DER SIEBTE SINN ungeeignet erscheint.

Get out of my dreams. Get into my car.

Im Finale kämpfen alle gegen Statham und einen finsteren Terroristen – sogar The Rock ist wieder dabei, obwohl der noch zu Beginn des Films im Krankenhaus gelandet ist. Seinen Gipsarm bricht er auf, indem er die Muskeln anspannt. Die großflächige Zerstörung, die unser Heldenteam der Stadt im Namen des Guten und Richtigen angedeihen läßt, scheint mir übrigens groß genug zu sein, daß es nächstes Mal eine echte Alternative sein könnte, den Terroristen einfach sein sinistres Handwerk verrichten zu lassen. Vermutlich ist der Schaden geringer, wenn ihn niemand dabei stört.

Ich habe keine Ahnung, warum der hanebüchene Blödsinn, der in FAST & FURIOUS 7 abgefackelt wird, mich so viel weniger unterhält als der hanebüchene Blödsinn, der noch in den vorigen Filmen vom Stapel gelassen wurde. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, daß dort die Absurdität mit etwas mehr Vergnügen gekoppelt war als in dem vergleichsweise recht grimmigen siebten Teil. Vielleicht hat es auch etwas damit zu tun, daß der beständige Wahnwitz auf Anschlag, den Regisseur James Wan hier inszeniert, in seiner Mehr-als-Over-the-Top-Zwanghaftigkeit sehr schnell ermüdet. Oder es liegt daran, daß ich zum Applaus diesmal nicht die nötigen 140 Minuten Dauerironie aufbringen kann.

 

Fast & Furious 7 (USA 2015)
Originaltitel: Furious Seven
Regie: James Wan
Buch: Chris Morgan
Kamera: Marc Spicer, Stephen F. Windon
Musik: Brian Tyler
Darsteller: Vin Diesel, Paul Walker, Jason Statham, Michelle Rodriguez, Jordana Brewster, Tyrese Gibson, Ludacris, Dwayne Johnson, Lucas Black, Kurt Russell, Nathalie Emmanuel, Djimon Hounsou, Elsa Pataky

Alle Bilder (C) 2015 Universal Pictures.

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    Comments are closed.

    0 %