Kanäle – Adern der Industriellen Revolution

Industrielle Basis ist unerlässlich – damals und heute

Britische Erfinder und Unternehmer läuteten im 18. Jahrhundert die Industrielle Revolution ein. So wurden 1769 die von Richard Arkwright konstruierte Baumwollspinnmaschine und die erste für den industriellen Einsatz brauchbare Dampfmaschine von James Watt patentiert. In der ersten Phase der Industrialisierung war Großbritannien Schrittmacher und Führungsmacht zugleich.*

Eine wichtige Rolle spielten die für damalige Verhältnisse gut ausgebauten Verkehrswege in England, man denke nur an die Kanäle und das Eisenbahnnetz. Aber auch die leistungsstärkste Kupfermine lag damals in Wales: Parys Mountain. Die britische Flotte war schneller und schlagkräftiger, nicht zuletzt durch Kupferplatten, die den Rumpf der Schiffe vor Schiffswürmern und Seepocken schützten.

Wenn Dockarbeiter Container „bestreiken“

Aber der Erhalt einer wettbewerbsfähigen Industrie setzt  die dauerhafte Bereitschaft zur Umsetzung von Innovationen voraus. Wenn das Tempo geringer wird, dann fällt ein Land automatisch im Wettlauf der Nationen  zurück. Im Vereinigten Königreich kamen ab den 1960er Jahren zunehmende Streiks der unzähligen Gewerkschaften hinzu. So wehrten sich z.B. die Dockarbeiter vehement mit Streikmaßnahmen Mitte der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts dagegen, dass für das Beladen von Schiffen in immer größerem Maße Container eingesetzt wurden. Die Wirtschaft lahmte immer stärker, und nicht nur, weil auf Diesellokomotiven noch der Heizer mitfuhr. Längst vergessen ist, dass es zu echten Versorgungsengpässen kam und immer wieder Regale im Einzelhandel leer blieben. Premierministerin Margret Thatcher schränkte die Macht der Splittergewerkschaften ein, allerdings verlor sie zunehmend auch – wie ihre Nachfolger – die produzierende Industrie aus den Augen und setzte einseitig auf den Finanzsektor.

Musterland der Deindustrialisierung

So konnte aus dem Vorreiter der Industrialisierung das „Musterland“ der Deindustrialisierung werden. Das Platzen der Immobilien- und Finanzblase zeigte dann überdeutlich, daß ein großes Volk nicht nur vom Spekulieren leben kann. Das Fehlen einer stabilen industriellen Basis wird auch zu einem noch größeren Problem nach dem Brexit werden.  Da mag Premierministerin Theresa May von einem “global Britain” träumen, in dem die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs erstarkt und sich die Briten zu alter Weltgeltung aufschwingen, aber Details zum Weg in diese glorreiche Zukunft ist sie bisher schuldig geblieben.

Heute dagegen bevölkern fast folgerichtig Freizeitkapitäne die Adern der frühen Industrialisierung. Diese Kanäle wurden so zum Sinnbild einer verfehlten Industriepolitik.

Symbol der Deindustrialisierung: Freizeitkapitäne schippern durch Wales.

Abgehängte Regionen auch in Deutschland

Nicht so sicher bin ich mir bei vielen Diskussionen in Deutschland, ob alle Beteiligten die Bedeutung einer leistungsfähigen Industrie zu schätzen wissen. So wurde über Jahrzehnte in Nordrhein-Westfalen der Aufbau einer zukunftsorientierten Industrie vernachlässigt, so dass trotz finanzieller Förderung das Ruhrgebiet wirtschaftlich zurückfiel. Ein musealer Rückblick auf die großen Zeiten der Industrie ernährt nun mal kein Land. So wurde Nordrhein-Westfalen zum Kostgänger im bundesdeutschen Länderfinanzausgleich.

*Cordula und Lothar Ulsamer: Schottland, das Nordseeöl und die britische Wirtschaft – Eine Reise zum Rande Europas, Schondorf 1991

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert