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Extrablatt
Donnerstag, Februar 12, 2009

Kapitel 12: "Quantenbombe"

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Donnerstag, Februar 12, 2009

Kapitel 12: Quantenbombe

„Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“ fragte Simon etwas verdutzt. „Ein Sous Chef? Vom Cern? Das ist wohl ein schlechter Scherz!“ Simon schaute Bachinski tief in die Augen, der daraufhin zu grinsen anfing. „Nein, es ist wahr, es ist wirklich wahr“, sagte Bachinski, „Sie werden es gleich etwas besser verstehen“. Nun wurde das Grinsen auf Bachinskis Gesicht noch breiter, so dass die Situation in Simons Augen ziemlich skurril zu wirken begann. Er fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht und nickte. ´Was für eine Geschichte würde Bachinski ihm jetzt wohl auftischen?´.

„Ja, schießen Sie los,“ sagte Simon, „also wer ist der Koch und wie kommt er an solche Unterlagen? Und welche Rolle spielen Sie dabei, Bachinski? Wieso sind Sie mit den Unterlagen zu mir gekommen?“.
„Nun langsam!“, Bachinski war immer noch sichtlich erheitert, „sagt Ihnen der Name Peter Ophey irgendetwas?“. Bachinski hielt mit seinen Ausführungen kurz inne um in Simons Gesicht zu blicken, in dem sich nun zwei tiefe Sorgenfalten abzeichneten.

Natürlich kannte Simon den Namen Peter Ophey! Peter war sein Kommilitone in Yale gewesen und der erste, den Simon aus seinem Studiengang kennen gelernt hatte. Auch im Wohnheim wohnten sie Tür an Tür. Sie hatten ähnliche Interessen, Ansichten, Ziele. Und so hatte sich über die Zeit daraus mehr als eine Zweckgemeinschaft entwickelt – man konnte es sogar als Freundschaft bezeichnen. Nach dem Studienabschluss, das mochte jetzt schon über 13 Jahre her sein, hatten sie dann gemeinsam ihre erste Arbeitsstelle angetreten: am Lehrstuhl für Atomarphysik der University of Washington. Dort hatte Simon auch Heather Beatly, seine spätere Verlobte, und Walter Watson kennen gelernt – auch sie beide waren am Lehrstuhl angestellt und schon bald wurde aus dem Grüppchen eine verschworene Gemeinschaft. Wissenschaftlich befassten sie sich mit der Aufgabe, masselose Higgs-Quanten in submateriellen Bosonenfeldern zu erforschen. Ein Gebiet, auf dem sie zwar wirklich sehr gut waren und schnell gute Erfolge erzielten, auf dem es jedoch kaum praxisnahe Anwendungsmöglichkeiten gab. So kam es, wie es kommen musste: die Geldgeber aus der Wirtschaft sprangen ab, die Drittmittel wurden knapp und sie mussten ihre Forschung einstellen. Doch kurz bevor sich die Gruppe hätte auflösen müssen, bekamen sie eine Offerte, ihr Forschungsvorhaben an einem Forschungsinstitut der Carl Gutterson-Stiftung weiterzuführen.

Es war ein Angebot, das sie kaum ablehnen konnten und erschien ihnen damals fast wie ein Sechser im Lotto! Nicht nur, dass die vier Physiker nun auf ihrem Gebiet weiterforschen konnten, nein, sie wurden zudem mit einer Vielzahl von Privilegien gelockt: kostenfreies Wohnen in überdimensionierten Villen, Hauspersonal, Dienstwagen mit Chauffeur, ein Jahresgehalt von über $ 500.000, ein Leben im Luxus! Auch in der Forschung ging es schnell voran, nicht zuletzt aufgrund der Unterstützung mit schier unerschöpflichen Geldmitteln.

Doch dann, so etwa nach zwei Jahren, bekamen sie immer mehr die Schattenseiten ihres Deals zu spüren: Da es sich um ein Projekt gehandelt hatte, in das die Finanziers viel Geld reingepumpt hatten und dessen Ergebnisse unter Verschluss bleiben sollten, durften sie mit niemanden darüber sprechen, nichts publizieren, sich nicht mit externen Forschern austauschen. Dieser Umstand war sehr unbefriedigend, insbesondere für den sehr ehrgeizigen Walter – schließlich war es sein Ziel, sich als international anerkannter Physiker einen Namen machen. Er fühlte sich zu Höherem berufen. Sein Traum war der Nobelpreis! Und Weltruhm! Und so kam es, dass Walter es nicht weiter aushielt und unerlaubterweise Kontakte zu anderen Wissenschaftlern knüpfte, was natürlich nicht lange unentdeckt blieb. Wäre Walter nicht der kreative Kopf des Teams gewesen, wäre er damals sicherlich hochkant rausgeflogen.

Doch der Zwischenfall hatte Folgen: ab diesem Zeitpunkt wurden sie an die kurze Leine genommen, wurden immer stärker überwacht. Irgendwann fühlten sie sich auf dem Forschungsgelände des ´Konzerns´ wie Gefangene im goldenen Käfig. Wollten sie das Gelände verlassen, musste der Ausgang Tage im Voraus beantragt werden und war nur in Begleitung von „Personenschützern“ möglich. An ihrem vielen Geld hatten sie daher so nur wenig Freude. Einerseits wussten sie zwar, dass sie gutes Geld verdienten und, sollte mal das Projekt abgeschlossen sein, bis zum Lebensende finanziell ausgesorgt hatten. Andererseits waren sie sich irgendwann nicht sicher, ob sie das Projekt je zum Ende bringen konnten. Sie wussten ja nicht mal, wie das Ende hätte aussehen können.

„Peter Ophey ist der besagte Sous Chef vom Cern“ unterbrach Bachinski Simons Gedankengänge. „Er war es auch, der mich beauftragt hatte, Sie ausfindig zu machen und hierher zu bringen. Aber das kann er sicher Ihnen selber erzählen“.
Wie auf Stichwort öffnete sich die Tür der kleinen Blockhütte und heraus kam ein erschöpft wirkender und von den Strapazen der letzten Tage gezeichneter Mann Anfang Vierzig. An seiner Jacke war Blut zu sehen.

Simon konnte es nicht glauben: „Peter, du hier?“, schoss es aus ihm heraus, „jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr!“.
„Beruhige dich doch bitte“, sagte Peter mit heiserer Stimme, „und hör mir kurz zu. Ich versuche dir den Sachverhalt in wenigen Sätzen darzulegen und denke, dass wir dann gemeinsam entscheiden sollten, was weiter zu tun ist“.
Simon nickte.

„Also“, fuhr Peter fort, „du erinnerst dich doch sicher noch an damals, als wir herausgefunden haben, dass unsere ganze Forschung dem einzigen Zweck diente, eine ´submaterielle Quantenbombe´ zu entwickeln.“
Simon nickte wieder. ´Wie hätte er das vergessen können! Beinahe hätten sie damals mit ihrer Forschung eine Katastophe herbeigeführt und dem ´Konzern´ eine äußerst heimtückische und effektive Waffe in die Hände gegeben! Sie waren kurz vor dem Durchbruch.´.

„Und du erinnerst dich sicherlich auch an David Moore, der uns damals aus den Fängen des ´Konzerns´ rausgeholt hat!? Und davor bewahrt hat, dass uns der ´Konzern´ findet!“
Simon nickte zum dritten Mal.

„Gut“ sagte Peter bedeutungsvoll „dann hab ich einige schlechte und eine gute Nachricht für dich. Erst mal die schlechten:

1. David Moore ist zu den Bösen übergewechselt und hat dem ´Konzern´ Walter in die Hände gespielt.

2. Auch Walter ist dem ´Konzern´ voll auf den Leim gegangen und hat es tatsächlich alleine geschafft, an unsere damalige Forschung anzuknüpfen und die Quantenbombe zu entwickeln.

3. Die Quantenbombe ist wie du weißt keine normale Bombe im herkömmlichen Sinne. Es ist vielmehr ein Riss im Raumgefüge. Sie explodiert nicht, sondern lässt Sachen oder Menschen verschwinden. Entmaterialisiert sie. Um die Wirksamkeit zu demonstrieren, setzte der ´Konzern´ die Waffe vor kurzem ein und entmaterialisierte den Hund des Ex-Präsidenten George W. Bush. Eigentlich witzig, wenn es nicht so ernst wäre. Aber die Bombe kann mehr. Du weißt das!

4. Mit der Drohung, die Quantenbombe auch auf die Regierungspolitiker der westlichen Welt einzusetzen, hält der ´Konzern´ diese quasi in Schach und erpresst sie. Vor zwei Tagen musste beispielsweise die Bundesregierung Deutschland 40 Milliarden € auf die Konten des ´Konzerns´ transferieren. Die Franzosen waren mit 30 Milliarden € dabei. Die USA sogar mit 100 Milliarden $. Um die Öffentlichkeit nicht unnötig in Angst und Panik zu versetzen, werden die Zahlungen als Konjunkturhilfen bezeichnet. International hat man sich zunächst auf die Sprachregelung ´Wirtschaftskrise´ geeinigt. Jetzt hat sich wirklich daraus eine echte Wirtschaftskrise entwickelt.Zudem fängt der ´Konzern´ an, Personen in wichtgen Schlüsselpositionen auszutauschen - du hast doch sicher von dem neuen Wirtschaftsminster in Deutschland gehört. Auch bei einigen Großkonzernen und Banken sind Köpfe gerollt und durch neue ersetzt worden. Und sicherlich wird da auch noch mehr folgen.

5. David Moore hat Heather. Die Information habe ich heute erhalten. Ich vermute, dass er sie irgendwie für seine Zwecke benutzen will. Vielleicht um die Bombe noch weiter zu entwickeln. Das gleiche hatte er auch mit uns vor.“

Erst jetzt bemerkte Simon, dass sich in der Blockhütte noch weitere Personen befanden. Er schaute Peter über die Schulter und erblickte auf dem staubigen Hüttenboden zwei gefesselte und drei tote Männer. Vielleicht waren sie auch nur schwer verletzt, auf jedem Fall war überall Blut zu sehen. Daneben stand ein weiterer Mann, der nicht gefesselt war und ein Sturmgewehr in den Händen hielt.
„Die Burschen haben hier auf dich gewartet und wollten dich in Empfang nehmen“, klärte Peter Simon auf, „Es sind Männer von David Moore. Und dieser Mann“, Peter zeigte auf den Mann mit der Waffe, „ist Alexander Troiski. Er gehört zu uns.“

Simon war das alles zu viel. Zwar wusste er nicht was, aber irgendwie passte da nicht alles ganz zusammen. Doch dafür war jetzt keine Zeit. Zu neugierig war er darauf, was ihm Peter jetzt sagen würde: „Und was ist dann die gute Nachricht?“

„Die gute Nachricht ist, dass noch nicht alles verloren ist.“, Peter lächelte triumphierend, „Es gibt eine Art Gegenmittel für die Quantenbombe. Eine Art Kleber des Raumgefüges“. Peter wirkte irgendwie erleichtert, dass er die Information loswerden und Simon einweihen konnte. „Du musst wissen, dass in den Vierziger Jahren bereits Albert Einstein eine Art Quantenbombe und die entsprechende ´Gegenbombe´ entwickelt hatte. Als ihm die Zerstörungskraft der Quantenbombe bewusst wurde hat er alle Dokumente darüber vernichtet. Die Informationen über die Gegenbombe hat er allerdings verschlüsselt der Nachwelt hinterlassen. Und da das Schicksal es gut mit uns meint, wurde die Information in als die ´vierte Botschaft´ der Kryptos-Skulptur verwendet. Die Narren vom CIA wussten damals nicht, was sie in den Händen hielten. Wir müssen die Botschaft nur entschlüsseln! Das ist die einzige Möglichkeit, um die Welt zu retten.“

Sonntag, Januar 25, 2009

Kapitel 11: Genf

„Wir sind da!“, hörte Simon vom Fahrersitz und wurde etwas unsanft aus seinem tiefen Schlaf von Gert Bachinski geweckt.
Ziemlich genau 20 Stunden waren sie unterwegs gewesen und hatten die Schweizer Hütte erreicht. Da Simon die GPS Daten der Blockhütte schon seit Jahren im Kopf abgespeichert hatte, war das für einen BMW Sportwagen angemessene Navigationsgerät schnell darauf programmiert, auch wenn das Navi natürlich sofort anzeigte, dass zum eingegebenen Zielpunkt auf den letzten 15 km keine Straßen mehr führten.
Diese letzten Kilometer holperte es dann auch nur noch so über die Forstwege, was Simon aber als ein eher angenehmes, erneutes in den Schlaf wiegen empfand.
Die Hütte sah noch genau so aus, wie Simon sie in Erinnerung hatte, mit dem moosbewachsenen Holzdach und der schiefen Eingangstür, unter der es nachts immer durchzog, wenn man nicht ausreichend Klamotten vor dem Spalt zwischen unterem Türabschluss und nicht weniger geradem Holzdielenboden stapelte.

„Ich geh mir erst einmal die Beine vertreten und telefonieren. Bin gleich wieder da.“, hörte Simon Gert neben sich sagen. Und ehe Simon reagieren konnte, war Gert auch schon aus dem Auto ausgestiegen und entfernte sich ein paar Meter während er das Handy aus seiner Jackentasche kramte und anfing auf dem Tastenfeld herumzutippen.
Die beiden hatten die Fahrt immer abwechselnd in Schichten hinter dem Steuer verbracht und nur wenig miteinander gesprochen. Spannend wurde die Fahrt nur einmal, als Simon erst an der Grenze wieder einfiel, dass er gar keinen Pass mehr hatte. Das Zücken der geklauten Brieftasche von dem armen Rentner, den er nun auf dem Gewissen hatte, hatte allerdings schon gereicht und man winkte sie einfach durch.
Von dem Moment an, als die beiden ins Auto gesprungen waren, bestand ein unausgesprochenes Abkommen zwischen den beiden, dass es zunächst einmal darum ging, schnellstmöglich in die Schweiz zu gelangen und auf der Fahrt Energie zu tanken. Fragen aller Art gab es für beide sicherlich genug, aber die Klärung wollte man noch ein wenig aufschieben. Jetzt war es allerdings soweit und sie hatten noch 2 Stunden Zeit bis David oder seine Mannen hier eintreffen würden, wenn Simon ihn richtig verstanden hatte, denn nochmal angerufen hatte Simon ihn nicht mehr.

Simon legte sich, immer noch im Auto sitzend, einen Schlachtplan zurecht. Viele Dinge müssten in der nächsten 2 Stunden geklärt werden und als erstes wollte er wissen, von wem die Unterlagen über die Higgs-Teilchen Forschung eigentlich kamen. Wer sollte überhaupt Interesse haben, einem Mann wie Bachinski so etwas zu zuschicken und ihn dann anschliessend sogar zu verfolgen?!

Gert kam wieder zum Auto zurück und setzte sich schnaufend wieder hin, während er die Autotür hinter sich zuzog.
„Also?!“ , sagte Gert. „Wie geht’s jetzt weiter?“
„Wir sollten die Hütte und nähere Umgebung kurz inspizieren und uns überlegen, wo der beste Aufenthaltsort für uns in den nächsten 2 Stunden sein wird. Dann erwarten wir aller Voraussicht nach Besuch und zwar hoffentlich von Leuten, die uns wohlgesonnen sind.“ , sagte Simon hoch konzentriert. „Bis dahin sollten wir klären, was uns beide eigentlich in diese Situation gebracht hat und dabei sollten wir vor allem ehrlich miteinander spielen.“
Simon stieg aus dem Auto aus und sah wie Gert es ihm gleich tat.
„Woher haben Sie eigentlich diese Unterlagen ? Wer ist ihr Informant ?“ fragte Simon, die Kladde hochhaltend.
„Die hat mir ein Chef vom Cern zugeschickt.“ , antwortete Gert und als er in ein fragendes Gesicht blickte, ergänzte er: „Nicht was sie denken, keiner der dort was zu sagen hätte, sondern ein Sous Chef. Das ist der Stellvertreter vom Küchenchef oder anders ausgedrückt, nicht mehr als ein Koch.“

Donnerstag, Januar 08, 2009

Kapitel 10: Verräter

„So ein verdammter Mist“, fluchte David. Er wusste, dass er einen großen Fehler begangen hatte. Unter diesen Umständen hätte er Simon nie dazu bringen sollen, das Handy auszuschalten...
Noch mehr störte es ihn, dass Heather mitbekam, dass er sich gerade wie ein absoluter Anfänger benommen hatte.
„Nun ja, wer hätte gedacht, dass Simon ausnahmsweise tatsächlich auf mich hört?“, versuchte er zu scherzen. Er lachte darüber, wie über einen guten Witz, ein vergeblicher Versuch, die Situation zu entschärfen.
Als er einen hastigen Blick auf Heather warf, merkte er schnell, dass ihr gar nicht zum Lachen zu Mute war. Ihr anklagender Blick schien ihn zu durchbohren, aber sie schwieg.
„Nun komm, wir haben keine Zeit zu verlieren“, drängte er sie nun auf seine schroffe Art. Als sie nicht reagierte, packte er sie am Arm, doch sie riss sich los.
„Fass mich nicht an, David“, schrie sie auf und funkelte ihn warnend an. Ihr Gesicht war vor Sorge verzerrt. Ihre grünen Augen waren randvoll mit Tränen gefüllt.
„Du denkst, ich bin ein Möbelstück, das man von heute auf morgen, von einem Ort zum anderem beliebig verschieben kann? Ein Ding, ohne Gefühle...“ Ihre Stimme klang als klirrten Eiswürfel in einem Glas aneinander. „Du weißt gar nicht, was Simon mir bedeutet!“
„Verschone mich bitte mit sentimentalen Ausbrüchen, Heather. Nicht jetzt!“, gab David mit unverhohlenem Ärger zurück Diese Frau verstand offensichtlich nicht, dass sie sich in größter Gefahr befand. Bevor David sich dazu entschließen konnte, sie mit Gewalt zu packen und ins Auto zu zerren, griff sie nach seiner Hand und umklammerte sie fest. Als ihre Blicke sich begegneten und ihm ihre Verzweiflung und Hilflosigkeit bewusst wurde, empfand er plötzlich für einen kurzen Moment Mitleid.
„Aber du hast doch mir fest versprochen, dass ich und Simon nach ein paar Jahren, wenn Gras drüber gewachsen ist, wieder irgendwo zusammen neu anfangen können. Du hast es versprochen!“. Heather, die offensichtlich kein Taschentuch bei sich hatte, zog geräuschvoll die Nase hoch. Ihr Gesicht war inzwischen völlig nass von Tränen, ihre Lippen bebten.
„Mein Gott, Heather, ich habe es mir nicht ausgesucht!“, brauste er auf, während er seine Hand aus ihrer Umklammerung befreite. „Ich kann es doch nicht ändern! Was kann ich dafür, wenn einer von euch sich an die Regeln nicht halten kann“

„Einer von uns?“, fragte Heather ungläubig.
David antwortete nicht. Er kramte lediglich eine Zigarette aus seiner Tasche und entzündete sie. Mit einem festen Zug ließ er die Spitze der Zigaretten hell aufglühen, eine kalte Rauchwolke stieg über seinen Schultern auf. Sein Blick wanderte zum Fenster und blieb dort starr hängen, als wolle er mit allen Mitteln verhindern, ihr nochmals in die Augen zu sehen.
Heather wusste, dass er nichts mehr sagen wird.
Während sie sich ihre Tränen abwischte und wieder eine gleichgültige Miene aufzusetzen versuchte, überlegte sie fieberhaft, wer für dieses Übel verantwortlich sein könnte. Wer konnte es nicht lassen, auf dem verbotenem Gebiet weiter zu forschen? Wer war egoistisch genug, um die Regeln zu brechen und ohne Rücksicht alle anderen in Gefahr zu bringen?
Eine Flut von Bildern und Erinnerungen aus vergangenen Jahren überschwemmte ihren Kopf. Schlagfertig erschien ihr im Geiste die Gestalt eines Mannes. Nur er kam in Frage. Er hatte ihr damals das Angebot gemacht, mit ihm in die Schweiz zu gehen und mit ihm weiterhin als Physikerin zu arbeiten. Er sagte, er könnte es arrangieren und dass er sich gut vorstellen könnte, dass sie sich beide bald sehr gut verstehen würden. Es gab da seinerseits eine Andeutung, ein unmoralisches Angebot...
Heather hat niemanden etwas davon erzählt. Auch Simon nicht. Sie fand das Verhalten dieses Mannes dreist und einfach widerlich.
Obwohl sie wusste, wie machtgierig und egozentrisch dieser Mensch war, hat sie ihn damals nicht ernst genommen, denn David hatte ihr versprochen, dass niemand von dem Team bevorzugt wird, dass alle eine andere Identität bekommen und getrennt bleiben müssen.
Sie hatte immer David vertraut, aber war es tatsächlich richtig, ihm zu vertrauen?“
„Es war Walter!“, sagte sie energisch, ohne vorher viel zu überlegen, einfach nur einem innerem Instinkt folgend.... Es war vielmehr eine Feststellung als eine Frage.
Währenddessen taxierte sie ununterbrochen Davids Gesicht, um keine einzige Regung zu verpassen. Es entging ihr daher nicht, wie er verblüfft seinen Mund öffnete und kurz darauf ihn schnell wieder zuklappte. Dabei wäre ihm fast die Zigarette aus dem Mund gefallen. Auf seiner Schläfe zuckte ein Nerv.
„Was hast du gesagt?“ , hörte sie ihn sagen, offensichtlich, um Zeit zu gewinnen. Er bemühte sich um Beiläufigkeit in seiner Stimme.
„Walter ist schuld, nicht war?“
David lachte auf und entblößte dabei eine Reihe wunderbarer, weißer Zähne, die im starken Kontrast zu seiner dunklen Hautfarbe standen. Heather vernahm augenblicklich, wie aufgesetzt dieses Lachen klang. Oder bildete sie sich das nur ein?
„Walter? Aber Heather! Du kommst auf Ideen.“ Er lachte noch lauter. „Walters größter Wunsch, war es, sein Leben auf einer Ranch in Texas zu genießen. Diesen Traum hat er sich erfüllt. Was sollte er dort verbrochen haben?“ Während in Heathers Kopf Alarmglocken schrillten, stockte David kurz, dachte nach und fuhr fort: „Es kann natürlich sein, dass auch er nun eine neue Identität bekommt, aber mehr kann ich nicht verraten.“
Was für ein mieser Lügner, dachte Heather zornig. Sie wusste ganz genau, dass es Walters großes Ziel war, bei C.E.R.N. zu arbeiten und keinesfalls auf irgendeiner Ranch.
Hitze wallte in ihr auf, ihr Gesicht glühte. Sie musste sich abwenden, um ihre Gefühle zu verbergen. Aber nun gut, sie wird dieses falsche Spiel mitmachen.
Sie hielt es für das Beste, in sein Lachen einzufallen. „Wie dumm von mir, auf solche Gedanken zu kommen.“ Sie rang sich nochmals ein Lächeln ab. „Aber du musst verstehen, ich bin ziemlich nervös und auch so sehr um Simon besorgt.“
„Ja, ist schon gut, Heather“ David wirkte erleichtert. Seine Hand auf ihrer Schulter sollte ihr wohl mit festem Druck signalisieren, dass er für ihren Ausrutscher vollstes Verständnis hatte.
„Aber nun komm Heather.“
„Ja, David. Wir können sofort aufbrechen.“ Ihre Stimme hörte sich an, als hätte sie ein
großes Stück Watte im Mund.


Edda