Screenshot des „Anti-Medien-Blogs“ von Micha Hektor Haarkötter
Der zweite Blog, den ich vorstelle, ist der Anti-Medien-Blog von Micha Hektor Haarkötter. Was Hektor macht, macht er mit Leidenschaft. 20 Jahre hat er für öffentlich-rechtliche Sender und Arte gearbeitet. Für seine journalistischen, filmischen und medienkritischen Arbeiten ist er mehrfach ausgezeichnet worden. Er verfasst Büchern, Aufsätzen und Artikeln und schreibt fürs Kabarett. Und was kaum einer weiß: Hektor ist leidenschaftlicher Pianist. Seit 2011 arbeitet er hauptsächlich wissenschaftlich und ist Journalistik-Professor an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln. Stiller ist er nicht geworden. Als Blogger legt Micha Hektor Haarkötter seine eigene Zunft unter die Lupe und riskiert auch gerne einmal eine Abmahnung.
Starten wir mit der klassischen Frage: Warum hast Du angefangen zu bloggen?
Ich habe 2007 für die Wissenschaftliche Buchgesellschaft ein Buch geschrieben. Das hieß „Abschalten – das Anti-Medien-Buch“. Darin habe ich medienkritische Positionen von Platon bis heute Revue passieren lassen. Der Verlag wollte einen zweiten Band auflegen, was dann nicht klappte. Wir haben dann etwas Literarisches gemacht. Dafür hatte ich jedoch fleißig Material gesammelt und fragte mich, was machst Du jetzt damit? Da kam mir eine Idee: ich schreibe den Blog zum Buch – den „Anti-Medien-Blog“. Es ist ein klassischer Weblog, ein Webtagebuch.
Worüber bloggst Du?
Ich selber nenne es ein medienkritisches Antidepressivum, denn der Blog hat eine gewisse satirische Note. Ich picke kuriose und manchmal auch ärgerliche Fundstücke aus dem Medienalltag auf und setze mich damit teils subjektiv, teils objektiv und teils satirisch auseinander. Ich kommentiere meine Fundstücke. Denn die Kommentarfunktion ist eine ganz wichtige in der Blogosphäre.
Was ist das Besondere an Deinem Blog?
Das Besondere ist vielleicht, das ich den Blog komplett alleine mache, da schreibt kein anderer mit. Das ist ein ganz persönliches Webtagebuch mit der persönlichen Note, die ein Tagebuch hat. Es ist vom Kenner für Kenner. Man muss Spaß an Sprache habe und ein bisschen um die Ecke denken. Erfolgreich bin ich in bestimmten Kreisen – natürlich in Kollegenkreisen – Kollegen lieben nichts mehr als Schocktalk und das mache ich weidlich. Ich nutze meine Insidersicht aus und erzähle, was ich selbst als Medienschaffender erlebe und erlebt habe. Plaudere da vieles ganz offenherzig aus und das scheint in Kollegenkreisen und erweiterten Kollegenkreisen anzukommen. Der Blog ist nicht so populär wie irgendwelche Koch-, Food- oder Modeblogs. Das ist auch nicht der Anspruch. Das ist eine kleine elitäre Geschichte, wo Leute sich wiedererkennen oder auch ärgern können.
Im „Anti-Medien-Blog“ von Micha Hektor Haarkötter weht bisweilen ein rauer Wind.
Würdest Du Dich als Medien-Experte bezeichnen?
Ja, das kann man sagen. Ich beschäftige mich von morgens bis abends mit nichts anderem als mit Medien, da wird man das zwangsläufig, ob man will oder nicht.
Du bist kritisch, nimmst kein Blatt vor den Mund, macht es Dir Spaß, Dich ein bisschen an den „Autoritäten“ des Medienlebens zu reiben?
Das ist sicher eine ganz wichtige Charaktereigenschaft von Journalisten und Journalistinnen. Man sollte sich kritisch mit der Umwelt und der Gesellschaft auseinandersetzen. Das machen nur wenige Journalisten. Irgendwie ist das ein wenig abhandengekommen. Ein Grund mehr das es ein Anti-Medien-Blog geben muss, um immer wieder darauf hinzuweisen. Aber es ist kein Blog, der Krawall um des Krawalls Willen macht. Ich versuche zum Teil mit relativ subtilen Argumenten zu zeigen, warum ich Sachen nicht richtig finde. Und damit ist es ein Watchblog. Ich finde es ganz wichtig, die Medien zu beobachten. Denn die Medien prägen die Gesellschaft, prägen die Demokratie, um einmal ein großes pathetisches Wort zu benutzen. Entsprechend wichtig ist es, sie kritisch zu begleiten. Und zur Kritik gehört, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, sonst ist es keine Kritik.
Hast Du als Blogger schon einmal eine Abmahnung bekommen?
Ja, in der Tat habe vom WDR Redakteur Roman Stumpf eine Abmahnung bekommen. Der habe ich sogar stattgegeben, den Blogpost habe ich zum Teil rausgenommen und auch deutlich entschärft. Das aber nicht, weil ich Angst vor einer juristischen Auseinandersetzung gehabt hätte, die wäre ich noch eingegangen. Aber es war nicht meine Geschichte. Es war die Geschichte eines langjährigen sehr lieben Kollegen Tim van Beveren, denn ich schon lange kenne. Ich sah mich als sehr periphere Figur in diesem Streit.
Der Blogger Hektor Haarkötter nimmt kein Blatt vor den Mund.
Was war Dein erfolgreichster Blogartikel?
Das war ganz kurios. Der erfolgreichste Blogartikel, den ich je in meinem Blog veröffentlicht habe, berichtet über die ehemalige Moderatorin der Vox-Sendung „Prominent“. Das war am 3. August 2010. Ich habe mich in dem Blogartikel darüber lustig gemacht, dass diese Frau wohl einen Unterleib, aber keinen Oberleib hat, weil sie durfte nie sprechen. Es war eine Moderatorin, die nicht moderiert hat. Die man immer nur schweigen sah, ein Kuriosum der Mediengeschichte. Dieser Blogbeitrag hat bis heute regelmäßig bis 100 Klicks. Was am Promistatus dieser Frau liegt. Wenn Leute bei Google Constanze Rick eingeben, dann kommen sie relativ schnell auf meinen Blogeintrag.
Dein Blog ist allgemein erfolgreich, wieviel Leser hast Du?
Mein Blog ist nicht der am meisten geklickte Blog in der Blogosphäre. Ich habe am Tag zwischen 100 und 300 Leser. Sehr erfolgreiche Blogbeiträge haben mal ein paar Tausend Leser. Das war es dann. Ein Blogbeitrag wird übrigens nicht erfolgreich, weil ich ihn denn so toll geschrieben habe oder über Facebook verbreitet habe, sondern wenn bestimmte andere Blogs den Beitrag verlinken. Wenn der „Bild“-Blog darauf verweist, werden meine Blogbeiträge stark gepusht. Dann habe ich schnell mal 4000 Klicks. Was darauf hindeutet, wie unfassbar erfolgreich der „Bild“-Blog sein muss. Enorm wie diese Vernetzung und Verlinkung funktioniert.
Wie häufig stellst Du einen Blog-Beiträge ins Netz?
Am liebsten einmal die Woche, aber das schaffe ich nicht, denn ich habe noch andere Blogs und einen Beruf. Mindestens einmal im Monat schaffe ich locker und häufig auch mehr. Drei oder vier Beiträge die Woche wie bekannte Blogger, die nichts anderes zu tun haben, das bekomme ich nicht hin.
Deckst Du mit Deinem Blog eine Nische ab?
Es gibt wahnsinnig viele Food- und Modeblogs, Medien-Blogs – oder Watch-Blogs, wo Leute bemerkenswerte Arbeit leisten. Bei manchen Portalen kann man sich streiten, ist das noch ein Blog oder schon ein Online-Magazin. Ich erwähne mal Meedia, wo ganze Redaktionen dahinter stecken. Ich schätze vom Holger Kreymeier aus Hamburg fernsehkritik.tv. Der „Videoblog“ setzt sich sehr kritisch mit dem Fernsehprogramm auseinander. Die „Initiative Nachrichtenaufklärung“richtet einmal im Jahr im Sommer mit dem Deutschlandfunk das „Kölner Forum für Journalistenkritik“ aus. Wir laden Medienblogger, Watchblogger und Medienjournalisten ein. Das sind Leute, die kleine feine Sachen machen, schön geschrieben, süffisant, ein bisschen ironisch, ein bisschen frech, aber immer kritisch. Auf der Veranstaltung vergeben wir auch den „Günther-Wallraff-Preis“ für Journalismus-Kritik.
Kölner Forum für Journalismuskritik 2015
Welche Funktion erfüllt Dein Blog für Dich?
Ich verdiene nichts damit. Ich habe realistisch gesehen eher Nachteile als Vorteile, denn man wirkt auf etwas simpler gestrickte Menschen im Medienbetrieb wie ein Nestbeschmutzer. Damit muss man sich dann als Kritiker abfinden, dass manche Leute, es nicht toll finden kritisiert zu werden. Damit kann ich gut mit leben. Aber mir scheint, dass ich eine Stimme habe und da ich regelmäßige Leser habe, spricht alles dafür.
Hast Du schon Auszeichnungen erhalten?
Ich war einmal nominiert für den Grimme-Online-Award, gewonnen habe ich ihn aber dann trotzdem nicht. Aber ich habe mich damals gefreut, weil ich keine Ahnung hatte, wer mich vorgeschlagen hat. Ich kümmere mich aber sonst nicht proaktiv drum. Das ist ein bisschen mein Privatvergnügen, dieser Blog.
Was würdest Du Kollegen raten, die auch bloggen wollen?
- Wenn Du etwas zu sagen hast, dann blogge.
- Mach und warte nicht.
- Mach es, wenn möglich, in der Anfangsphase regelmäßig.
- Je nach thematischem Zuschnitt oder wenn Du mit dem Bloggen etwas verdienen möchtest, blogge auf Englisch. Das hängt natürlich extrem vom Thema ab, aber es gibt viel mehr Menschen auf diesem Globus, die Englisch verstehen als Deutsch.
Die Blogosphäre bricht die journalistische Macht. Früher brauchtest Du mindestens eine Lokalredaktion, ein Verlagshaus, einen Sender, eine kleine Radiostation oder ein alternatives Bürgerprojekt, um überhaupt eine Meinung oder eine Geschichte publizieren zu können. Das ist heute nicht mehr so. Die Blogosphäre ist es eine große Nische, die sehr viel Freiheit bietet, allerdings muss man diese Freiheit auch in Anspruch nehmen. Es ist nichts mehr dabei, einen WordPress-Blog aufzusetzen. Wenn man sich ein kleines bisschen damit beschäftigt, kann man den sogar ganz hübsch machen und es macht Spaß. Und wer nichts zu sagen hat, soll bitte den Mund halten.
Gibt es noch etwas, was Du zu Deinem Blog sagen möchtest, was Dir wichtig ist?
Ich freue mich, wenn Leute meine Beiträge kritisch lesen und kritisch kommentieren, denn dazu ist ein Blog auch da.
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28.06.2015 – 10:12 Uhr