8. Oktober 2012

L'homme qui plantait des arbres

28. Juli 2010

Svetlana

Lebe, um zu haben. Was ich sehe, sehe ich, um es gesehen zu haben, nicht um es zu sehen; was ich tue, um es getan zu haben. Wäre nur jetzt, ich wäre nichts. Bestehe durch das, was war, und was das Jetzt sein wird sobald es vorüber ist. Das blosse Sein dient keinem Zweck, der über es hinaus geht. Und was den Moment nicht übersteht, ist mir wertlos. Ist nicht nachweisbar, vergessen, also nie gewesen. So male ich mir mein Leben zusammen, zu einem grossen, schönen, sehnsüchtigen Bild, das ich bloss nie gelebt habe.

27. Juli 2010

Wolken

So viel passiert. Nur die Wolken ziehen einfach über die Berge, bilden sich, formen und zerstreuen sich, regnen sich aus und lösen sich auf im Nichts. Da sind so viele Menschen und halten mit unglaublichem Eifer die Welt am Laufen. Drücken sich und alles um sie herum in Sandkastenförmchen, die Zeit und Rolle und Notwendigkeit heissen. Damit bauen sie ihre Burgen, ihre Festungen, ihre ganz eigene, einigermassen hässliche Welt und leben darin mit einer guten Portion Naivität und einem aufgesetzten Lächeln. Bis die ganze Welt voll ist von ihren Sandburgen und alles darin eingesperrt.

28. April 2010

Nur zu Besuch

Wie schön liegt die Welt vor jenem, der sie nur besucht. Der kommt und geht, an ihr vorbei und weiter zieht. Wie sonderbar sieht die Welt, der sie nur beobachtet, staunt; wie leicht. Ihm scheint jede Nacht der Mond, jeden Tag die Sonne, ihm singen die Vögel, spriessen die grünen Blätter im Frühling, ihm zu Füsse fallen sie rot im Herbst. Ihm sind die Mauern nur ein Bild, kein Hindernis; die Häuser Unterkunft, nicht Heim. Wer die Welt nur besucht, dem ist ihr Grauen ein Eindruck, kein Leiden, ihre Verlogenheit eine Beobachtung, kein Stein in der Brust.

Nur wem sie heimisch wird, die Welt, dem wird sie Überdruss, den sperrt sie hinter ihre Zäune, spuckt ihm ins Gesicht, dem spritzt sie ihre Lügen ins Blut, während er schläft. Nur den trägen vermag sie zu fesseln, der sich an ihre Gaben klammert, der innen stirbt aus lauter Angst vor dem äusseren Tod.

27. April 2010

Aberleben

Schon schlimm, schon schlimm die Welt. Aber man kann ja nicht immer klagen. Ging auch schon aufwärts, auch schon gut, und doch - irgendwie fehlt der Mut; zu sagen das hier, das ist nicht gut. Da wird gelogen und geschossen, geeifert und gehetzt, da platzen Bubenträume vor Bürotische und Mädchenträume fallen in Einkaufswagen. Da werden Schreie erstickt und niemand verstanden, wird zurechtgestutzt und ausgenutzt, wer nicht pariert, der landet auf dem Haufen, „schaut Kinder schaut, machts nie so wie der“, da brennen schon die Scheiter. Aber wir leben ja weiter. Aber die Sonne scheint und der Frühling kommt und die Vögel zwitschern vergnügt. „Aber so ist das eben, manchmal da leidet das Leben, doch bald wirst auch du wieder heiter.“ Vergessen die Sorgen, auf Heute folgt Morgen, die Tränen von gestern sind weg. Sicher ist es traurig, die Umwelt kaputt, die Tiere in Käfigen gefangen; auch wir, auch wir sind gefangen, Gefangene unserer eigenen Schöpfung, unserer törichten künstlichen Welt. „Aber hör zu, Kind, man muss es versuchen, versuchen zu übersehen.“ „Aber schau, es wäre ja auch nicht viel besser, würden wir noch in den Höhlen wohnen.“ So ist das, der Fortschritt verlangt sein Tribut, nichts ist umsonst, das war es noch nie. „Aber freue dich, Kind, es gibt so viel schönes, viel gutes und viel zu entdecken.“ Also vergessen wir, was wir da sehen und fühlen, die Tränen und Leiden, die höhnische Gleichgültigkeit der Zeit. Also träumen wir, träumen von einer Aberwelt.

Mokaya geht

Mokaya sieht von dem grossen Felsen herunter auf das aufbrausende Meer und denkt an nichts, ausser daran, dass es auch schon schöner war, denn das Meer, der Sonnenuntergang, die Möven und der einsame Fischkutter draussen auf den Wellen, der tiefblaue Himmel, das weisse Glitzern auf dem pechschwarzen Wasser, die gelb leuchtenden Felsen, die sich der weissen Gischt entgegenstämmen und das grüne, satte Frühlingsgras, das sie einhüllt und an die Hügel bindet – dieses Bild, in dem Mokaya als schwarze Silhouette hinter dem knorrigen Viehzaun im Gegenlicht der Sonne steht, dieses Bild ist nichts ohne das Bild in Mokayas Kopf, und wenn er dort die Welt sieht, aus der er herkommt, diese künstliche Welt voller Ramsch und Kitsch und Lügen, dann ist auch das hier nur ein totes souvenir auf einer lächerlichen Postkarte, dann ist auch diese Welt tot, weil Mokaya tot ist, die Welt in seinem Kopf, die Bilder und Träume, totgemacht von lauter scheinbaren Notwendigkeiten, um möglichst nicht sich selbst zu sein, denn das, so sagen sie, dort, wo Mokaya herkommt, das ist Wohlstand und Fortschritt, das ist ein Leben zum Geniessen, ist Freude und Sorglosigkeit; und so liess sich Mokaya seine Bilder stehlen, liess sie ersetzen durch die Worte, die so verlockend klangen, und doch nur Worte blieben, denn sie waren tot; und so steht er nun auf dem grossen Felsen und sieht hinunter auf das Meer, das kein Meer mehr ist, sondern Farben und Kontraste, weiter nichts, und Mokaya steigt hinab um zu sterben.

10. April 2010

Abort

Die menschliche Zivilisation ist eine dreckige Kloake voller verkrusteter Scheisse und versteinertem Urin. Häuser und Strassen, Gesetze, Grenzen, Regierungen, Fahrzeuge, Maschinen und all der sonstige Unrat sind festgesetzte Fäkalien, die die Menschheit vergessen hat wegzuputzen. Aus Nachlässigkeit oder ideologischem Irrtum - jedenfalls mit schwerwiegenden Folgen: es stinkt, bisweilen unerträglich, sofern einer nicht genug künstliches Parfum darüber schüttet. Und es kommt immer mehr hinzu. Denn wo die Scheisse einmal angesetzt hat, da ist sie schwer zu dämmen.

31. März 2010

Der Maskenball

Und wie ich so da sass, sah ich ein, dass die Welt gar keine Kugel ist sondern ein Plattgesicht, über das man jede Gauklermaske ziehen kann um so zu tun als ob. Ich sass da auf einer hölzernen Sitzbank hinter dem Bahnhof und es wurde gerade Frühling und allmählich Nacht. Die Sonne war schon über die Häuser hinweg hinter den Horizont geflohen, der Himmel noch blau und klar. Da war diese Imbisbude vor mir und ein müder Abend, in mir war Leere und auf einmal das Bild vom Schwein. Das kam wohl mit dem beissenden Fleischgestank durch die Nase herein. Da lag dieses tote kleine Ferkel, ausgetrocknet neben seiner Mutter. Nebenan ein haufen scheinbar lebender Ferkel, ein paar Tage alt, unter einer roten Wärmelampe. Eng rundherum sind Gitterstäbe. Das war in der Nacht in einem riesigen dunklen Schweinestall voller Mutterschweine und kleinen Ferkeln, irgendwo verloren zwischen den Feldern unter dem schwarzen Himmel. Vor mir die Imbisbude und irgendwo, dachte ich, irgendwo wird jetzt einer erschossen. Ein Mädchen vergewaltigt. Neben mir küssen sie sich in den Frühling, die zwei. In dieser Stadt gibt es einen Schlachthof. Da rutscht gerade ein zitterndes fettes Schwein auf der Gummimatte aus, bevor es den Bolzen kriegt. Das ist das Ende eines Schweinelebens zwischen Gittern, nur immer Gitter, Gitter und rotes Licht und Mastfutter. Es wird dann zerteilt und in den Supermärkten verkauft. Dort essen es die Verliebten und Studenten und Arbeiter, die einsame Wittwe, die unter mir wohnt und langsam paranoid wird. In dieser Stadt wird gegessen und getrunken, gelallt und gestunken, hier streiten und lieben und vögeln sie sich am Abend. Und den Tag durch stapeln sie Nichtigkeiten auf Nichtigkeiten und bauen ein Leben darauf. Und in Nichtigkeiten löst sich das ganze Dasein auf. Gedanken, Gespräche, Gefühle - alles belagert vom alliierten Heer der Nichtigkeiten: Arbeitszeiten, Arbeitsstellen, Rügen, Betrüge, Löhne, Zeitungen, Lebensmittelpreise, Bussen. Vögel zwitschern in den Abend hinein, ein Märzwind bläst den Staub vorbei. Und irgendwo stirbt jetzt einer, sind seit ich da sitze tausend schon gestorben, und tausend vielleicht geboren. Einem stossen sie jetzt Holzspäne unter die Fingernägel, einem anderen Elektrostäbe in den Arsch und eine Frau wird irgendwo trotz Gegenwehr ertränkt. Einer nackt durch den Schnee getrieben, einem ins Gesicht gespuckt. Irgendwo gibts echte Schmerzen. Schreckensgespenst. Und die Welt sitzt da wie ich und schaut ins Leere, steht auf und geht weiter.

28. Januar 2010

Ach

Ein ganzes Leben lang streben wir da diesem Ich nach, hetzten durch die Gegend und saugen überal an, wo es nach Grösse und Wichtigkeit riecht. Wir gehen da durch mit der Überzeugung, etwas bedeutungsvolles tun zu müssen und tun gerade deswegen am Ende nichts, das wirklich Bedeutung hat. Wir lassen uns volllaufen mit fremder Grösse und gelogener Wichtigkeit, feilen an unserem Lebenslauf als würde er uns repräsentieren, als wäre da nicht dieser leere Körper, den wir eigentlich sind. Und so hängen wir unsere Gegenwart für eine Zukunft an den Nagel, die es vielleicht gar nie geben wird, in der wir uns dann jedenfalls nach heute sehnen und uns damit schmücken werden, wie wir uns auch heute mit unserer Vergangenheit verzieren, zum Schein, als wäre echt, was da mal gewesen ist. Man dreht sich ja nichtmal im Kreis. Man rennt einfach mit voller Kraft gerade aus, ohne links und rechts zu schauen, ohne die Welt zu beobachten oder das Sein zu geniessen; rennt einfach weiter, geradeaus, als würde man irgendwo ankommen, als müsste man man so rasch wie möglich irgendwo ankommen, als gäbe es ein Wo, das da geradeaus in der Ferne liegt. Dabei bricht man einfach irgendeinmal zusammen. Und dann ist fertig. Das ist alles, wo man hinkommt.

4. Januar 2010

Gedicht über das Leben Nr. 2

Worüber denken, warum Geschenke schenken, wie kapieren, dass alle krepieren, wenn keiner weiss, wies weiter geht. Der Scheiss. Worher soll einer wissen, dass seine weichen Kissen, eines Tages seinen toten Körper betten - ja, auf ihn drücken, ihn ersticken, nicht retten, sondern ihm die Luft verwehren; wie soll einer glauben, dass alle Tauben, fliegen, und weiss sind, wo doch überall nur Kugeln fliegen, schwarze, schwere, und alles umkriegen, das da noch lebt, oder so tut; wogegen soll man kämpfen, wo doch kein Grund zur Hoffnung bleibt, dass all die Kämpfe und Krämpfe zu was führen, statt nur Blinde zu verführen; wir Blinde! Weswegen, wofür denn sollen wir sehen, wo doch jeder klare Blick nur zeigt, dass es ein Fehler war, noch hier zu sein. Ein grosser Fehler; doch weshalb ihn nicht begehen, weshalb nicht versuchen, trotzdem gerade zu stehen, wieso nicht leben, ohne Sinn und Zweck und Streben, wo uns doch nichts anderes übrig bleibt.

1. Januar 2010

So als ob

Sagt ichs doch! Das ist so noch nie weitergegangen. Das geht so nie weiter. Einfach biertrinken und dasitzen und daran denken, dass es irgendwann ja doch besser werden müsste, weil das sonst ja gar kein Spass machen würde, das Leben und das ganze darumherum. Nein, eben nicht, eben das genau ist die Täuschung; die schreckliche Täuschung, auf die wir alle reinfallen. Tag täglich fallen wir da rein wie in ein Fass ohne Boden oder wie in diese tiefste Meerestiefe, deren Name mir entfallen ist, wie einem so vieles entfällt, einfach davonfällt und garnirgendwo hinfällt, einfach weg ist und nirgendwo ankommt aber nicht mehr da; nie wieder da ist. Das war gestern so, das ist schon immer so gewesen, das wird auch morgen so sein und heute, ja, heute ist es auf alle Fälle so. Da bin ich mir ganz sicher, das könnte ich sogar beweisen. Das geht einfach nicht. Nichts geht.

Da haben wir Träume, die hegen und pflegen wir wie kleine Kinder, als würden sie nie weinen und scheissen, nie kreischen und Geschirr zu Boden schmeissen, als wäre alles in Ordnung und heile Welt; ja, so tun wir, so behandeln wir die Täume, tagein tagaus, als wäre nichts dergleichen. Dabei werden wir beschissen, werden wir ja so grausam und unnachgiebig beschissen, dabei hauen uns diese Träume jede einzelne Sekunde unseres erbärmlichen Lebens ums Ohr, um beide Ohren und unseren Körper und um unsere Seele noch dazu, einfach um alles, um alles hauen uns die Träume herum. Die hingegen, die kennen keine Gnade, die kennen gar nichts, überhaupt nichts, nicht einmal ein bisschen Mitleid, ja, nicht einmal Schadenfreude kennen die, das wäre ja noch was, das ginge ja noch, da hätte man wenigstens einen Grund, sie zu hassen, wenn die wenigstens sauer Lächeln würden nachdem sie einen auf der Strasse totgeschlagen haben; aber nein, nichts dergleichen, keine Regung, als wäre nichts geschehen, als hätten sie nur gerade ihre höchst alltägliche Arbeit verrichtet, so wie wir irgend ein beschissenes Ding mit der Maus anklicken, so, also ob nichts geschehen wäre, als ob alles in Ordnung, als ob die Welt das Paradies wäre. So als ob. Unglaublich diese Träume. Das ist das brutalste. Da geht nichts darüber. Das übertrifft keiner. Da sticht jeder ins Leere.

Ich habe mir das zwar mal angesehen. Hatte das gefühl, dass sich da draus doch was machen lassen sollte. Glaubte, irgendwann würde das doch weitergehen. Aber eben. Das war noch nie so und wird auch nie so sein. Das weiss jedes Eichhörnchen und auch das Reh, das ich gestern Nacht fast überfahren hätte vor lauter Dunkelheit und Autoscheinwerfern im Rückspiegel. Herrgott. Fast überfahren hätte ich dieses Reh. Es kam von rechts und trottete da so über die Strasse und die anderen hinten riefen he, ein Reh. Das musste ja so kommen, dachte ich, und dann fuhr ich weiter und es kam kein Reh mehr, überhaupt nichts mehr kam dann, wie es ja so oft ist im Leben: Es kommt dann, wenn es ganz ungelegen ist, und dann überhaupt nicht mehr.

Wohin fahren, also, frage ich mich dann. Wohin lieben und denken, wozu stinken und sich die Seele verrenken. Warum sich nicht einfach versenken? Als ob man gar nicht wäre? Oder nur ein Gewicht, ein totes, schweres Gewicht, das im Wasser untergeht. Ohne Blasen zu hinterlassen. Ohne gar nichts. Einfach untergeht. Einfach versinken im Sumpf oder im Meer der Bitterkeit in einer Welt voller Scheinlügen. Scheinlügen die zwar Lügen sind aber wie Scheinlügen aussehen damit jeder glaubt, es seien nur Scheinlügen wo es doch Lügen sind. Wie die Lüge vom es geht ja doch. Es geht eben doch nicht! Aber das ist ja auch so eine Scheinlüge. Irgendwie geht es ja doch immer weiter. Ach.

23. Oktober 2009

Vorstellungsgespräch

Klebrig. Der genoppte Boden der Zugtoilette ist mit einer leimähnlichen Schicht überzogen, die sich vielleicht aus Putzmittel, Pisse, Spucke, Kotze und menschlichem Samen zusammensetzt. Ich löse meine schwarzen Lederschuhe davon und es gibt dieses S-Geräusch. Im Spiegel mein Kopf. Ich entscheide mich, so bald wie möglich dann zum Coiffeur zu gehen. Und jetzt noch vorsorglich zu scheissen, damit es nicht am Darmdruck scheitert. Streiche Wasser in die Haare. Übe Lächeln, drücke die Nasenhaare in die Nasenlöcher. Blaues Zugtoilettenlicht. Es stinkt einen Gestank, der sich vielleicht aus Putzmittel, Pisse, Seife, Spucke, Kotze und Scheisse zusammensetzt. Ich übe Lächeln. Den ganzen Morgen habe ich mit Duschen, Rasieren, Zähneputzen, Kleider anziehen, ausziehen und andere anziehen verbracht. Dann noch Haargel und eine Stunde zu früh auf den Zug.

Dann steige ich aus und bin freundlich zu allen weil jeder ja der Typ sein könnte von dem ich den Namen auswendig gelernt habe. Freundlich allen die Tür aufhalten und nett warten. Lächeln und hallo sagen, gut reden, schön reden, sich schön reden, als wär die Welt ein Wunderland, ja, meine Stärken, ach so, meine Schwächen, warum ich das will?, weil es so schön ist, ich freue mich doch auf diese Wunderwelt, ihr seid so nett, gebt mir so viel Geld, oh, das ist zu viel für mich, hab ich doch gar nicht verdient, ich arbeite doch gerne für euch, ja ja, natürlich, nur so zum Spass. Alles ausfüllen und nicken und kein Problem sagen. Keine Ferien?, ach macht doch nichts aus, ich mag Ferien sowieso nicht. Ein Jahr muss ich bleiben?, was für ein Vergnügen! Ihr könnt mir jederzeit künden?, ach, ich werde doch ohnehin der beste eurer Leute sein.

Es regnet und der Regen spritzt vom Boden auf. Nach Hause fahren. Nach einem Tag lügen nach Hause fahren und sich auf ein Jahr voller Lügen freuen. Auf ein Leben voller Lügen. Eine Welt voll davon. Zum bersten voll. Nur birst das nie, das wächst immer weiter. Dann kotzen und scheissen, pissen, masturbieren und alles wieder aufputzen und abwaschen und weiterlügen.

19. Oktober 2009

Leerwelt (laut)

Lärm und Leere. Nur nichts dazwischen hat diese Welt zu bieten. Häuser, die mit Backsteinen gebaut sind die Angst heissen. Als Angstpakete werden sie auf Paletten und in Plastikfolie gewickelt geliefert. Weisser Nebel haucht sich aus den Mündern der Leute. Die Ängste werden dann aufeinanderzementiert, Stein um Stein, bis sie eine Wand machen, bis Wände ein Haus machen, Häuser eine Stadt. Bis Städte ein Land machen, Länder kontinente und Kontinente eine Welt. Eine Welt leer mit Lärm.

Und weil immer neue Backsteine auf Palletten angeliefert werden wird auch immer weitergebaut. Wände, Häuser, Städte, Länder, wird immer weitergebaut, Stein auf Stein, Angst um Angst in die Welt zementiert. Die Welt wird immer lauter. Und leerer. Immer lauter und leerer. Immer mehr und immer mehr nichts.

Wird immer weitergebaut. Weitergelogen, weitergelacht, weitergelitten, weitergeglaubt, weitergefürchtet. Und wird immer auf das aufgebaut, was schon da ist, das auf dem steht, was mal da war, das auf dem stand, was mal da gewesen ist. Auf den Lügen, den Witzen, den Schmerzen, den Glauben und Ängsten.

Ängste sind steinerne Hüllen mit nichts drin. Und man hat angst, dass vielleicht doch etwas drin ist. Doch sind sie leer. Sind leer und lärmen in der Welt herum.

8. Oktober 2009

Sehnsucht nach mir selbst

Dann sitzt du da und siehst Bilder an von dir und erinnerst dich an dich und möchtest dahinschmelzen und da zurück gehen wo du warst, einmal, bevor du das geworden bist, was du heute darstellst, wie du so dasitzt, vor dich hin flüchtest, vor allem und überall hin.

Ich hatte einmal Träume

Ich wäre nie das hier geworden. Ich glaubte an den Wind und die Bäume und an die Indianer, an das, was sie gewesen sind, bevor man sie wegfegte und mit ihnen den Wind und die Bäume. Und ich glaubte, dass mir die Indianer etwas zu sagen haben und dass ich ihr Leben weiterleben muss. Dann haben sie mir meine Träume weggenommen, sie durch eine Maschine gelassen, verpackt, mit einem Etikett versehen und mir wieder zurückgegeben, nachdem ich ihnen mein Erspartes dafür zugesteckt hatte. Und jetzt laufe ich herum mit meinen Träumen in Plastiktüten mit Etikett. Ich sehe sie mir an und stelle sie ins Büchergestell. Neben Kafka und Nietzsche und die Bücher mit den Gedichten von den Indianern. Später werde ich sie umtäuschen, meine Träume in Plastiktüten mit Etikett, ich werde dafür andere Tüten kriegen und andere Etiketten und später werden sie sagen: Was aus seinen Träumen geworden ist. Sie werden es sagen und sie werden es ihren Kindern erzählen, damit sie einen guten Grund haben, um ihnen die Träume wegzunehmen, sie durch die Maschine zu lassen, in einen Plastiksack zu stecken und mit einem Etikett zu versehen. Und ich werde dann auch selber mitmachen. Bei dem, das aus meinen Träumen geworden ist. Verflucht.

Ausgang

Wir müssen da raus. Irgendwie müssen wir da raus. Irgendwo muss es doch ein Ausgang haben. Und sei es auch ein Notausgang. Irgendwo muss er sein. Grüne rechteckige Leuchtschilder mit rennenden Strichmännchen. Siehst du sie nirgendwo? Wo sind sie denn hin verschwunden. Es gab doch so viele von ihnen. Oder habe ich sie nur geträumt? Waren sie gar nie da gewesen? Aber wir müssen doch hier raus!

23. September 2009

Das Leben ist eine Zündholzschachtel

Man nimmt die Hölzchen, reibt sie an einem rauen Grund und ein kurzes, helles Feuer flammt auf. Manchmal gelingt es, damit etwas anzuzünden, ein Scheiterhaufen, ein Haus, eine Müllhalde, Leute, Lagerfeuer, Tage, Monate oder Jahre. Die lodern auf, glimmen vor sich hin, brennen oder explodieren. Oder das Stäbchen verkohlt, krümmt sich knisternd, zuckend, ohne nichts anzuzünden, und brennt die Haut, wer ihm nicht früh genug die Flamme wegpustet.

Zündholzschachteln eben, sie fallen ins Wasser, werden verregnet und liegengelassen, fortgeworfen oder sorgfältig an der Sonne getrocknet, mit viel Hoffnung, die Hölzchen mögen wieder aufflammen. Und oft liegen sie irgendwo im Staub, im hundertjährigen Schlaf unter Spinnennetzen, in Schränken und Schubladen, vergessen oder aufbewahrt, verloren.

22. September 2009

Gedicht über das Leben Nr. 1

Ach Zeit, du launisches, einfältiges Fauchen
Wie betäubst du die Welt

Versteckst das Leben hinter deinem Heute
Fürchtest vor der Ewigkeit

Ach Zeit, lass mich gleiten,
weit weg von deiner törichten Bahn

Nur zu, wirf mich ab
Will nichts von deinen Lügen.

Alle (Roman in vier Sätzen)

Vladislav brüllte, ich hol mir eines von den Schweinen, und ging raus. Dann stand auch Bruno auf und am Ende waren alle draussen. Ausser Pavel, der froh war, alleine zu sein. Ihn haben sie später füsiliert.

1. September 2009

Der Reigen

Die Welt dreht sich um nichts. Nichts, ein Loch, leer mit nichts drin und darum dreht sich die Welt, drehen sich Kleidungsstücke und Menschen und Fernseher, Häuser, Bikinis, Kondome, Bibeln, Kirchenbänke, Autos, Jobs und Pläne, drehen sich und hören nicht auf damit und verschleissen sich dabei und immer neue kommen dazu, von irgendwo aus dem Nichts hergeflattert schleusen sie sich ein in diesen Reigen ums nichts, Unterhosen und Vaginen, Brüste, Augen, Lächeln und Schimpfworte, Strände, Inseln, Konservendosen, Witze und Orgien, Träume und Phantasien und Schmerzen, das geht so dann immer weiter, alle kommen sie her, ins Leben, das sogenannte, und drehen sich da, drehen sich ums Nichts, verschleissen sich und verstauben irgendwann, verpuffen ins Nichts zurück, wo sie herkamen, und das hört nie auf, das Leben scheint es keines Wegs anzuscheissen, sich da ums Nichts zu drehen, es hat auch gar keine Meinung, dieses Leben, das Leben ist rotieren, mehr nicht, ein kreisender Sog um ein leeres Loch ohne nichts, eine reine endlose perpetische Bewegung, in die sich die Dinge stürzen und in der sie sich herumschleudern lassen, Mädchen, Buben, Frauen, Schwänze, Fettwanste, Perversitäten, Kriegskrüppel und Ehrenmedaillen, Geldscheine, Vibratoren, Fernsehprogramme, Bettdecken, Lügen und Grabsteine, Firmen, Bonzen, Diktatoren, Politiker und Hässlichkeiten, schöne Mädchenpos und Ausschnitte, Erektionen, Videokameras, Socken, Deosprays und Zigaretten, Gerüche, Gestänke, Essen und Zärtlichkeiten, Liebkosungen und Betrügereien, Aussichtslosigkeiten, Chorgesänge und Lügen. Alles. Alles schletzt um dieses Nichts herum, in der ständigen Angst, da rein zu fallen, dabei ist keiner je reingefallen, ins Nichts, geht ja gar nicht, da reinzufallen, zum Reinfallen braucht es etwas, wo man reinfallen kann, in nichts kann man nicht reinfallen, man kann nur verrauchen, zerstäuben, verpuffen, irgendwann, über kurz oder lang, so ist es, das Leben, das wars dann.